Peter Schröders Monografie ist keine im engeren Sinne geschichtswissenschaftliche, sondern eine ideengeschichtlich-politikwissenschaftliche Arbeit. Dieser grundsätzliche Hinweis ist wichtig, weil die disziplinäre Zuordnung des Werkes dessen Fragestellung, Methodik und die Auswahl der behandelten Autoren und Quellen prägt.
Im Fokus des Buches stehen Theorien bekannter frühneuzeitlicher Staatstheoretiker über den Ursprung des Staates. Daraus leitet Schröder Fragen nach den historischen Vorstellungen darüber ab, wie Souveränität entsteht, wer sie innehat, ob ihr widerstanden werden darf und welche Folgen der Anspruch souveräner Staaten, keine höhere Autorität anzuerkennen, für ihre zwischenstaatlichen Beziehungen hat. Schröder skizziert diese Fragen in seiner Einleitung, wo er auch Einblick in seine ideengeschichtliche Methodik gibt, für die eine Unterscheidung von Wort und Begriff sowie eine Rücksichtnahme auf historische Wandlungen des Sprachgebrauchs bei der kritischen Textarbeit zentral sind. Auch wenn er eingangs ausführlich auf Jean Bodin eingeht, stellt er direkt klar, dass die Theorien Thomas Hobbes’ und die Auseinandersetzung anderer Autoren damit im Folgenden zentral sind.
In insgesamt neun Kapiteln zieht Schröder Verbindungslinien zwischen den Ideen und Konzepten bekannter Staatstheoretiker der Frühen Neuzeit aber auch des 19. und 20. Jahrhunderts. Dabei widerlegt er verbreitete aber unsachgemäße Interpretationen anhand einer genauen Analyse seiner Primärquellen, bei denen es sich fast immer um Monografien handelt. Es gelingt ihm so, die Relevanz der Frühen Neuzeit als Vorgeschichte späteren politischen Denkens aufzuzeigen, aber immer wieder auch deren Eigenständigkeit als Epoche zu berücksichtigten.
Im ersten Kapitel analysiert Schröder Vorworte und Widmungen, um so die Selbstverortung von Autoren zu rekonstruieren und ihre jeweilige soziale Position zu beschreiben. Auf diese Weise bietet er einen Überblick über die im folgenden behandelten Autoren von Machiavelli bis Rousseau, wobei Hobbes besonderen Raum einnimmt. Wichtig ist Schröder schon hier eine Auseinandersetzung mit Zerrbildern, wie sie beispielsweise über Machiavelli kursieren.
Auf diesen Überblick folgen sechs thematisch geordnete Kapitel, die meist Hobbes und seine Thesen mit einem anderen frühneuzeitlichen Autor in Bezug setzen. Es geht in Kapitel zwei um das bei Althusius und Hobbes sehr unterschiedlich gedeutete Verhältnis von Religion und Staat, wobei Hobbes’ umfassendes Souveränitätsverständnis den Ankerpunkt für die folgenden Kapitel bildet. Althusius korporatistisch-aristokratisches Souveränitätskonzept erscheint hingegen als Ausnahme. Das dritte Kapitel behandelt die Frage nach Freiheit und Widerstandsrecht bei Hobbes und Grotius, wobei Grotius’ Einschränkung der herrschaftlichen Souveränität besonders hervorgehoben wird. Bemerkenswert ist, dass Schröder bei beiden Autoren Überlegungen zur Bedeutung von Eroberungen als Grundlage von Souveränität beschreibt. Dies spielt in späteren Kapiteln über das Völkerrecht erneut eine Rolle. Kapitel vier und fünf sind Pufendorf gewidmet, genauer dessen Analyse der Reichsverfassung und Reformideen. Schröder bietet hier eine gelungene Einordnung des oft auf seine Kritik am Reich reduzierten Pufendorf, die auch dessen im Naturrecht fundierte Thesen über zwischenstaatliche Beziehungen thematisiert. In Kapitel sechs rückt Schröder Leibniz und dessen Theorie internationaler Beziehungen in den Fokus, die in Abgrenzung von der Kriegspolitik Ludwigs XIV. entstanden. Im Zentrum steht die Frage nach dem Verhältnis von Macht und Recht und nach der Möglichkeit, eine Friedensordnung zwischen Staaten zu schaffen, die jeweils keine höhere Autorität anerkennen. Den Abschluss des im engeren Sinne frühneuzeitlichen Teils bildet ein Kapitel zu Rousseaus’ kritischer Auseinandersetzung mit Hobbes. Damit widerspricht Schröder der Lesart, beide würden bezüglich Menschenbild und Vertragstheorie nahezu übereinstimmen. Er hebt stattdessen Gegensätze im Freiheitsbegriff und in der Deutung der Staatsbildung hervor.
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Schröder den historischen Kontext der Autoren und Werke seinem Erkenntnisinteresse entsprechend nur kurz behandelt. Zwar erklärt er bestimmte Entwicklungen mit Bezug auf die historischen Umstände und geht auf zeitgenössische Rezeptionen ein, doch dies bleibt aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive sehr knapp.
In zwei abschließenden Kapiteln rückt Schröder schließlich moderne Autoren und deren Rezeption neuzeitlicher Theorien in den Fokus. Zunächst befasst er sich mit der Rezeption Machiavellis durch Friedrich Nietzsche anhand des für beide zentralen Begriffs der Macht. Dabei distanziert er sich deutlich von einer simplen Deutung des Italieners als Apologeten der Autokratie. Den Abschluss bildet ein Kapitel zu Carl Schmitts Überlegungen zum Umgang mit Feinden, die außerhalb der Staatsordnung stehen. Dies wird anhand von dessen Rezeption antiker und frühneuzeitlicher Aussagen über Piraten und der Spannung zwischen dem Ideal einer Einhegung des Krieges und seiner Entgrenzung im 19. und 20. Jahrhundert thematisiert.
Bezüglich der verwendeten Literatur fällt insgesamt auf, dass Schröder im Bereich der politischen Ideengeschichte kenntnisreich aktuelle und klassische Studien kombiniert. Für die historische Kontextualisierung verwendet er hingegen tendenziell ältere Standardwerke, was sich in seinen Einordnungen widerspiegelt. Insbesondere Erkenntnisse der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte finden kaum Beachtung.
Dies leitet zu zwei Punkten über, die angesichts der analytischen Leistungen Schröders keine Kritik, sondern den Wunsch nach Ergänzung zum Ausdruck bringen sollen. Zum einen ist es für das Genre typisch, aber zugleich bedauerlich, dass Schröder bis auf wenige Ausnahmen nur Monografien analysiert. Viel öfter wären Einblicke in Briefe seiner Autoren oder in Quellen ihrer Zeitgenossen, sowohl Kollegen wie Konkurrenten, spannend, um die Genese und Rezeption der Theorien besser zu verstehen. Dies könnte zum anderen auch einen Beitrag dazu leisten, das klassische Bild vom einsamen Genie zu hinterfragen, das seine Ideen aus dem Studium von Schriften großer Denker gewinnt und wiederum in einen Diskurs mit zukünftigen großen Denkern einspeist. Die Wissenschaft der Frühen Neuzeit ist in der Forschung in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker als diskursiv und vor allem als arbeitsteilig und kooperativ beschrieben worden. Hier böte sich erhebliches Potenzial dafür, Schröders gelungener inhaltlicher Analyse und seinen interessanten Beobachtungen zu frühneuzeitlichen Vorstellungen über Souveränität, Vertragstheorie, Widerstandsrecht, zwischenstaatliche Gewalt sowie Völkerrecht mehr historische Tiefe zu verleihen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Jan Simon Karstens, Rezension von/compte rendu de: Peter Schröder (Hg.), Zur Entstehung des Staates. Staat und Souveränität im politischen Denken der Frühen Neuzeit, Baden-Baden (Nomos) 2024, 216 S. (Staatsverständnisse, 180), ISBN 978-3-8487-8025-9, DOI 10.5771/9783748924173, EUR 54,00., in: Francia-Recensio 2025/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.3.113004





