Der Band behandelt im Wesentlichen nicht die Gesetzgebung der Französischen Revolution zur Familie, auch nicht die Metaphern aus dem Bereich der Familie, die den politischen Diskurs von Revolution und Konterrevolution prägten. Vielmehr befassen sich die sechzehn Beiträge sowie Einleitung und Konklusion mit den Praktiken unterschiedlichster Familien angesichts der revolutionären Erschütterungen. Meist handelt es sich um Fallstudien in kleinem Maßstab: Ein oder zwei Familien, ein Ort, eine kleine Region oder eine eng umrissene soziale Gruppe stehen im Mittelpunkt. Hervorgegangen ist das Buch aus einem Kolloquium, das 2022 unter dem gleichen Titel stattfand.

In der Einleitung (7–14) gibt der Herausgeber Nicolas Soulas einen kurzen Abriss des Forschungsstandes und eine knappe Einordnung der Beiträge des Bandes. Die ersten vier Aufsätze sind unter der Überschrift »Faire la (contre-)Révolution en famille« dem Themenbereich »Mobilisierungen« zugeordnet. Mathilde Chollet und Huguette Krief nutzen den von ihnen herausgegebenen Briefwechsel der Bankiersgattin und Romanschriftstellerin Sophie Cottin1, um die Haltung der protestantischen Bankiersfamilie Cottin zur Revolution darzustellen (19–31). Der Clan Cottin war durch Familienbande, Geschäfte und Heiraten eng zusammengefügt. Auch zur revolutionären Umwälzung bezogen die Cottins einheitlich Stellung: Bis Ende 1791 war die Reaktion politisch und geschäftlich positiv, danach wandte sich die Familie der Konterrevolution zu. Die Gemeinsamkeit der Haltung war geprägt durch die geteilte Begeisterung für Rousseaus Ideen. Licht fällt nicht zuletzt auf die Haltung der Frauen, insbesondere auf Sophie Cottin, die nach dem frühen Tod ihres Mannes ihr Haus als »Matriarchin« führte und sich von den früheren politischen Ideen löste. Den Familien der Emigranten aus der Bretagne, vor allem deren Frauen, wenden sich Maria Goupil-Travert und Solenn Mabo zu (33–44). Gestützt auf die Akten der Repression gegen die Konterrevolution und die Gesuche, von der Liste der zu bestrafenden Emigranten gestrichen zu werden, zeigen die Autorinnen, dass einige Frauen auch ohne ihre Männer den Weg ins Exil antraten und dass andere, die in der Heimat blieben, dort im gleichen Sinne wie ihre ausgewanderten Männer politisch aktiv waren.2 Clément Weens behandelt die Familien der Soldaten, die in den Dienst der revolutionären Armee getreten waren (45–55). Obwohl der Gesetzgeber den Haushalten, deren Ernährer im Felde standen, Unterstützung zusagte, zeigen die Petitionen der Betroffenen, dass die Hilfe oft unzureichend war und unter dem Direktorium fast vollständig versiegte. Anne Rolland-Boulestreau rückt drei Cousins aus der Vendée ins Zentrum, die mit aller Härte gegen den konterrevolutionären Aufstand kämpften (57–67).3 Während manche Familien im Bürgerkrieg gespalten waren, traten die Clémenceaus geschlossen auf. Als wohletablierte Notabeln der Region traf sie jedoch – im Gegensatz zu anderen – unter Direktorium und Konsulat keine Rache, sondern sie konnten mit neuen Ämtern ihre Position halten.

In den folgenden Beiträgen, vereinigt unter dem Titel »Familles déchirées, familles réconciliées«, richtet sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Brüche und Konflikte in den Familien. Bertrand Delahaye betont in seiner Studie über Solidarität und Dissens in den Familien des Anjou die Bedeutung der Religionsfrage für die politische Haltung: Ob die Zivilverfassung des Klerus angenommen oder abgelehnt wurde, bestimmte die Stellung für oder gegen die Revolution (71–81). Bei den Familien, aus denen mehrere Söhne dem Klerus angehörten, war deren Haltung zum Eid auf die Verfassung meist, aber nicht immer einheitlich. Der Konflikt wurde in den Familien ausgetragen, doch bei manchen war der Zusammenhalt stärker als der religiöse und politische Streit.4 Pierre Meignan stellt die Gesetzgebung der Revolutionszeit gegen die Anhäufung von Ämtern in einer Familie dar (83–92). Er betont, dass diese Vorschriften nur wenige lokale Ämter betrafen; zudem wurde die Einhaltung offenbar nicht nachdrücklich überwacht. Boris Deschanel zeigt, wie die größeren Kaufleute des Haut-Dauphiné ihre Strategien während der Revolution anpassten: Dank ihrer Familien-Verbindungen konnten sie auch unter den neuen Bedingungen politische Ämter einnehmen und meist ihre Vermögen sichern (93–103).5 Gabrielle Housset erzählt die ungewöhnliche Geschichte eines ménage à trois, bestehend aus einem Ehepaar, einem Liebhaber und deren Kindern: Vereint durch Liebe, geschäftliche Interessen und politische Aktivität, blieb ihre Verbindung ungebrochen bis zur Hinrichtung als Konterrevolutionäre (105–115). Dabei war auch die Frau geschäftlich und politisch sehr aktiv. Durch Petitionen erreichte sie zwar nicht die Verschonung von der Todesstrafe, wohl aber ein allgemeines Dekret, dass die kleinen Kinder von Eltern, deren Vermögen konfisziert wurde, auf Kosten des Staates aufgezogen werden sollten.

Es folgen fünf Aufsätze zur Weitergabe der Erfahrungen aus der Revolutionszeit, »Expérience (contre‑)révolutionnaire, mémoires et transmissions familiales«. Maria Sofia Mormile zeigt aufgrund ihrer Dissertation, wie die bourbonischen Prinzen der verschiedenen Zweige in der Emigration ihre differierenden politischen Positionen und ihre gemeinsamen dynastischen Interessen austarierten (119–128). Philippe Bourdin demonstriert am Beispiel zweier Familien von Provinz-Adeligen, wie unterschiedlich die Wege von der Revolution bis zur Restauration waren und in welchem Maße es trotz aller Konflikte einen gewissen Zusammenhalt in den Familien gab (129–141). Côme Simien betrachtet etwa 60 Kinder von Deputierten der Convention Nationale: Wie sah ihre Schulausbildung aus, gab es Gemeinsamkeiten und Freundschaften unter ihnen, und, nicht zuletzt, wie gingen sie mit dem politischen Erbe ihrer Väter um (143–155)? Siân Reynolds zeigt an einer Reihe von Beispielen, welche Bedeutung ihre Beziehungsnetze für die Witwen und Kinder von hingerichteten und verfolgten Revolutionären hatten: Familie, Verwandtschaft, berufliche Kollegen, politische Freunde, Konfessionsverwandte (157–165). Paul Chopelin und Bruno Dumons untersuchen zwei Gruppen von Genealogen in Lyon (167–180). Die eine war seit dem späten 19. Jahrhundert, die andere seit den 1980er-Jahren aktiv. Beide kultivieren das Andenken an die hingerichteten Aktivisten des gegenrevolutionären Aufstands in Lyon 1793. Durch Sammlung und Veröffentlichung der Stammbäume mit den Nachfahren dieser »Märtyrer« soll der Zusammenhalt eines katholisch-monarchistischen Kreises von Notabeln hergestellt und befestigt werden.

Die drei letzten Aufsätze widmen sich dem Département Drôme, wo das Kolloquium 2022 stattfand. Benoît Charenton und Julien Mathieu geben einen Überblick über die Quellen der von ihnen geleiteten Départements- und Kommunal-Archive sowie Beispiele für Auswertungen zu den Fragen, die die Konferenz leiteten (185–204). Virginie Martin zeigt, wie zwei aus dieser Gegend stammende Familien, die nicht verwandt waren, einen so intensiven Zusammenhang lebten, dass sie sich wie eine einzige Familie betrachteten und verhielten (205–223). Der eine Familienvater war Deputierter der Convention Nationale, seine Frau die durch ihre Briefe bekannt gewordene Rosalie Jullien6; der andere lebte als Kaufmann im Département Drôme und war dort für die Revolution tätig. Freilich übersieht Martin die feinen Risse nicht, und sie beschreibt die Brüche, die nach dem Ende der Jakobinerherrschaft hervortraten. Nicolas Soulas stellt drei Brüder vor, die samt ihrem Vater gemeinsam für die radikale Revolution agierten, und zeigt, wie sie von Verwandten und alten Freunden, die sich zur »aristokratischen« Partei wandten, bekämpft wurden (225–232). Er betont, dass trotz dieser heftigen Konflikte zwischen den verwandten Familien eine gewisse Verbindung bestehen blieb, die bei Gefahr für Leib und Leben Schutz gewähren konnte.7

Jean-François Chauvard hebt in seiner »Conclusion« einige Aspekte aus den Beiträgen hervor, die über die Einzelfälle hinaus Beachtung verdienen (237–245). Insgesamt bietet der Band einen bunten Strauß von Miniaturen, die vielfach auch als Hinführung zu den umfassenderen Arbeiten der Autorinnen und Autoren dienen können.

1 Mathilde Chollet, Huguette Krief (Hg.) Sophie Cottin, Correspondance complète, 3 Bde., Paris 2021–2024.
2 Näheres jetzt bei Solenn Mabo, Citoyennes ou rebelles: des Bretonnes dans la Révolution française, Rennes 2025.
3 Dazu auch Anne Rolland-Boulestreau, Punir et détruire en Vendée: la justice d’exception en guerre civile (1793–1794), Paris 2023.
4 Siehe auch Bertrand Delahaye, Jacques-Antoine Coquille d’Alleux, le prédicateur patriote, 1747–1805, Rennes 2024.
5 Siehe auch Boris Deschanel, Commerce et révolution: les négociants dauphinois entre l’Europe et les Antilles (années 1770–années 1820), Grenoble 2018.
6 Lindsay A. H. Parker, Writing the Revolution: a French Woman’s History in Letters, Oxford 2013; Annie Duprat (Hg.), »Les affaires d’État sont mes affaires de cœur«. Lettres de Rosalie Jullien, une femme dans la Révolution, 1775–1810, Paris 2016.
7 Zu dieser Familie jetzt Nicolas Soulas, Familles et individus à l’épreuve: Les Payan, de la révocation de l’édit de Nantes à l’âge des révolutions, Rennes 2025.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jürgen Schlumbohm, Rezension von/compte rendu de: Nicolas Soulas (dir.), Familles en (contre-)Révolution, (contre-)Révolution en famille? Mobilisations, conflits et transmissions politiques, Paris (Société des études robespierristes) 2024, 250 p. (Études révolutionnaires, 23), ISBN 978-2-908327-80-9, EUR 20,00., in: Francia-Recensio 2025/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.3.113005