Nach fünf vorbereitenden Aufsätzen ediert Giovanni Spalloni jetzt in Buchform kritisch zwölf italienische Übersetzungen lateinischer Texte, die meist im Zusammenhang mit nach Petrus de Vinea († 1249) benannten lateinischen Mustersammlungen überliefert sind. Diese lateinischen Sammlungen, welche der Rezensent für eine Edition bei den Monumenta Germaniae Historica vorbereitet, bestehen aus fünf Hauptformen, Α und Β kleine und große Sammlung in fünf Teilen, Γ und Δ kleine und große Sammlung in sechs Teilen und Ε, Manuskripte ohne eine solche Einteilung. Erschlossen sind sie im Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, bearb. von Hans Martin Schaller unter Mitarbeit von Bernhard Vogel (Hannover 2002). Ebenfalls verwiesen sei auf moderne Übersetzungen ins Italienische bei L’Epistolario di Pier della Vigna, hg. von Edoardo D’Angelo (2014), künftig EP.
Petrus de Vinea I 1, Collegerunt pontifices, Spalloni Text 5, ist ein polemischer Protest Friedrichs II. 1239 gegen seine Exkommunikation durch Gregor IX., EP S. 79–87. Da Ε‑Handschriften oft Materialien aus den nach Thomas von Capua benannten Sammlungen enthalten, verwundert es nicht, dass deren Eröffnungsstück Thomas von Capua I 1 ebenfalls übersetzt wurde, Miranda tuis sensibus, Spalloni Text 1, mit ausführlichen Beschwerden von Honorius III. 1226 gegen Friedrich II. Im Gegensatz dazu bietet Spalloni Text 4, Levate in circuitu, Petrus de Vinea I 21, EP S. 163–182, einen detailliert begründeten Protest des Kaisers gegen seine Exkommunikation 1239.
Die gleiche Überlieferung haben Spalloni Text 6: Tenuit hactenus indubitanter, Petrus de Vinea I 12, EP S. 129–131, und Spalloni Text 7: Regie serenitatis litteras, Petrus de Vinea I 13, EP S. 132‑134. König Ludwig IX. beschwert sich bei Friedrich II. über die Gefangennahme von nach Rom zu einem durch Gregor IX. einberufenen Konzil reisenden Prälaten aus Frankreich 1241 durch eine kaiserliche Flotte, und der Kaiser verteidigt seinen Standpunkt.
Ebenso überliefert ist Spalloni Text 10: Etsi cause nostre, Petrus de Vinea I 3, EP S. 93–100, ein Protest Friedrichs II. gegen seine Absetzung in Lyon 1245. Diesem Schreiben vorangestellt wurde Spalloni Text 9: Ad apostolice dignitatis, MGH Epp. saex. XIII 2 S. 88–94, BFW 7552, bei Petrus de Vinea nur in Ε-Handschriften enthalten, die Absetzungssentenz Innocenz’ IV.
Spalloni Text 2: In admirationem vertimur, MGH Const. 2 S. 148‑156, BF 1715, kommt bei Petrus de Vinea nur in Δ I 44 und in Ε vor. Friedrich II. protestiert hier gegen seine Exkommunikation durch Gregor IX. 1227.
Spalloni Text 11 sind in Wirklichkeit zwei Texte: Sublimati in regibus und Si hilarem datorem, Petrus de Vinea II 18 und 19, EP S. 318‑319, ein Schriftwechsel zwischen Kaiser Friedrich II. und einem Sultan. Die Überlieferung in Α, Β, Γ, Δ und Ε spricht eher gegen eine bloße Schulübung. Der Text beschränkt sich allerdings auf eine knappe Inhaltsangabe, möglicherweise zu im Wortlaut nicht mehr bekannten arabischen Originalen.
Die übrigen drei Texte sind bei Petrus de Vinea allein in Ε‑Handschriften enthalten:
Spalloni Text 3: Quamvis ad regimen, HBH 2/1 S. 552–555, BFW 6093 [zu 1210], wurde sowohl in den lateinischen Vorlagen als auch in den italienischen Übersetzungen einem Papst Innocenz zugeschrieben. Wie Spalloni zu Recht von Cristiano Lorenzi, Volgarizzamenti di epistole in un codice trecentesco poco noto (Barb. lat. 4118), in: Linguistica e letteratura Open 42/1–2 (2017) S. 315–358 übernimmt, handelt es sich jedoch um Honorius III., der sich 1226 über das Verhalten des Kaisers beklagt.
Spalloni Text 8: Assumpto ad regimen, HBH 6/1 S. 204–221, BF 3434, ist eine ausführliche Darlegung Friedrichs II. vom August 1244, dass Innocenz IV. bei Verhandlungen zu keinem Ausgleich bereit war.
Mit Spalloni Text 12: Expectatio gentium Iesus, MGH Const. 2 S. 439‑441, BF 4386, begründete Friedrich II. im Februar 1237 die Wahl seines Sohnes Konrad zum römischen König. Ergänzend sei hier vom Rezensenten erwähnt Città del Vaticano, BAV, Chigi M. VII. 154, wo sich fol. 83r–98v eine Ethica Aristotelis vulgarizata findet, wie sie Spalloni im Druck von Brunetto Latini, Lyon 1568, benutzt hat. Zudem stehen fol. 77ra–80vb fünf italienische Übersetzungen, darunter fol. 79va–80vb Spalloni Text 12, am Ende mit der lateinischen Datierung: »In nomine Domini Dei eterni et salvatoris nostri Iesu Christi anno ab incarnatione eiusdem millesimo CC XXX VI [!] et septimo decimo anno imperii domini nostri Federici secundi Dei gratia Romanorum imperatoris semper augusti, Ierusalem et Sicilie regis, mense Februarii, X indictionis«.
Im Anhang bietet Spalloni zwei Stücke, die Benoît Grévin, Mélanges de l’École française de Rome. Moyen Âge 114 (2002) S. 1025–1027 ediert hat, sowie die lateinischen Vorlagen der zwölf italienischen Übersetzungen, was die Arbeit sehr erleichtert.
Insgesamt hat Spalloni für die Edition 17 Überlieferungsträger gesichtet. Sie setzen im 14. Jahrhundert ein. Nur fünf von ihnen – A2, Ch2, Ch3, N, Ri1 – waren auch Hans Martin Schaller bekannt. Methodisch überzeugend bietet der Editor für jeden seiner zwölf Texte S. 48–92 ein eigenes, genau begründetes Handschriftenstemma. Am Ende fasst er seine Befunde luzide zusammen in zwei Stemmata, eines für die Texte 1–4, 8‑11, und eines für die Texte 5–7 und 12. Die unterschiedliche Überlieferung bei Petrus de Vinea in Α, Β, Γ, Δ und Ε spielt also keine Rolle. Die Übersetzer interessierten sich offenbar nicht dafür, sondern ausschließlich für die Konflikte zwischen Papst und Kaiser, geistlicher und weltlicher Gewalt. Aus seinen Überlieferungsträgern bildet Spalloni drei Gruppen α, β und γ und stellt fest, dass γ beim zweiten Stemma eine Untergruppe von α ist, beim ersten Stemma aber nicht. Künftigen Forschungen überlassen bleibt, wo und warum die italienischen Übersetzungen angefertigt wurden. Spalloni verweist S. 99–100 auf Florenz, wo im 14. Jahrhundert der Kaufmann und Bankier, Politiker und Chronist Giovanni Villani († 1348) seine Nuova Cronica schrieb, eine italienische Geschichte seiner Vaterstadt. Gebildete Laien, die Politik machten und italienische Übersetzungen gebrauchen konnten, gab es natürlich auch anderswo, von Rom über Bologna bis Mailand, Venedig und Genua. Die vorliegende Edition bildet jedenfalls eine sichere Ausgangsbasis, um durch Textvergleiche und Handschriftenstudien solchen Fragen nachzugehen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Karl Borchardt, Rezension von/compte rendu de: Giovanni Spalloni, I volgarizzamenti fiorentini delle lettere di Federico II e dei suoi avversari, Pisa (Pacini Editore) 2024, 336 p. (Testi e Culture in Europa, 46), ISBN 979-12-5486-391-6, EUR 31,35., in: Francia-Recensio 2025/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.3.113183





