Dass Staaten spätestens seit dem 19. Jahrhundert versuchten, sich mittels »kultureller nationaler Selbstdarstellung zwang- und gewaltlos relevant, vielleicht sogar einflussreich zu machen« (11), ist nicht neu. Die Bezeichnung für dieses Unterfangen – »Nation Branding« – dagegen schon. Der britische Marketingexperte und Politikberater Simon Anholt prägte den Begriff 1998. Er ist »innerhalb weniger Jahre zu einem Schlüsselbegriff unter Regierungsbeauftragten und Werbestrategen auf der ganzen Welt« geworden. Die Trefferzahl bei der Google-Suche, die von Juli 2008 bis März 2025 von 130.000 auf 558.000.000 stieg (22), verdeutlicht diesen Befund.

Jessica Gienow-Hecht, die am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin Geschichte lehrt, fasst in ihrem schmalen, aber gleichwohl umfassenden und höchst informativen Buch den Forschungsstand souverän zusammen. Die Kernbotschaft lautet: Seit dem Ersten Weltkrieg habe sich »die Nation zu einem Markenprodukt entwickelt«, das bis zum Fall des Eisernen Vorhangs von vielen Regierungen »erheblich ›bespielt‹« worden sei. Seither täten sich insbesondere liberale Demokratien mit Imagemanagement schwer; das sei jedoch »gefährlich, denn gleichzeitig nutzen […] autoritäre Staaten den Nation Brand geschickt für die Durchsetzung ihrer […] undemokratischen Ziele« (13).

Nach einer Klärung der Begriffe Staat, Nation und Marke und der Erinnerung daran, dass es eine wichtige Aufgabe der Markenbildung sei, die »Diskrepanz zwischen Fremd- und Eigenwahrnehmung zu überbrücken« (19), rekapituliert Gienow-Hecht, wie sich die Vermarktung historisch entwickelte. Waren es zunächst vor allem »regierungsferne Akteure«, die sich darum bemühten, ihre »Nation« im Ausland darzustellen, griffen gegen Ende des 19. Jahrhunderts die jeweiligen Regierungen stärker ins Geschehen ein, weil sie besorgt waren, dass »private Alleingänge« die von den Außenministerien mühsam ausgehandelten diplomatischen Beziehungen »ernsthaft gefährden könnten« (49). Den Ersten Weltkrieg sieht Gienow-Hecht als Zäsur: nicht zuletzt der Aufstieg faschistischer Regime habe die »Spielregeln nationaler Selbstdarstellung radikal« verändert (52). In den USA entstand zudem mit dem nach seinem Leiter George Creel benannten Komitee für Öffentlichkeitsarbeit die »erste koordinierte Maschinerie zur Selbstdarstellung der USA« (53). Besonders für Deutschland war nach der Niederlage Imagepflege von großer Bedeutung. Schon 1920 wurde im Auswärtigen Amt eine Abteilung für Kulturpolitik eingerichtet. Im Zeichen der Verständigungspolitik Mitte der 1920er-Jahre entschied man sich für deutsche »Bescheidenheit« als »zentrale Botschaft« (57) – eine Maxime, die übrigens auch nach dem Zweiten Weltkrieg vorübergehend befolgt wurde. Geradezu eine Blüte erlebte die kulturelle Selbstdarstellung im Kalten Krieg: »Niemals zuvor und niemals danach investierten Regierungen so viel Geld, so viel Personal, so viel Energie und so viele Ideen, um das Image und die Marke« der eigenen Seite oder des eigenen Landes zu fördern (66). Nicht zu überzeugen vermag in diesem Zusammenhang die These der Autorin, die USA hätten lange gebraucht, den Imagevorsprung der Sowjetunion aufzuholen – ja die amerikanischen Programme hätten das »vielleicht nie geschafft« (70). Zwar mag es zutreffen, dass die UdSSR im Bereich der »Hochkultur« einen Vorsprung hatte; die entscheidende Arena stellte indes die Populär- und Massenkultur dar, und hier waren die USA mit Coca-Cola, Hollywood, Jazz und Rock’n’Roll haushoch überlegen.

Die nächsten Kapitel widmen sich zum einen den Konzepten und Bemühungen kleinerer und postkolonialer Staaten wie Storytelling und »Gastrodiplomatie«, zum anderen der Markenwerbung von Regionen und Zusammenschlüssen, die kleiner oder größer sind als Staaten. Exemplarisch behandelt werden Katalonien, die Europäische Union und die Afrikanische Union. Das Imagemanagement undemokratischer Regime ist Gegenstand des letzten Kapitels. Im Unterschied zu Autorinnen und Autoren wie Anne Applebaum glaubt Gienow-Hecht, dass es Autokraten nicht völlig gleichgültig sei, wie ihre Länder »international wahrgenommen« würden; vielmehr hegten auch sie eine »Sehnsucht nach Wertschätzung« (135). Im Ausblick plädiert sie angesichts dieses Interesses autoritärer Regime an einem positiven Image dafür, dass die liberalen Demokratien ein »attraktives und vor allen Dingen widerstandsfähiges Markenprofil« (172) entwickeln und kommunizieren sollten.

Gienow-Hecht bietet eine gelungene und kenntnisreiche Einführung in ein Thema, das künftig eher noch an Bedeutung gewinnen dürfte. Sowohl die Nationalismus-Forschung als auch die Forschung zur Cultural Diplomacy können davon profitieren. Bedauerlich ist, dass Verlag und Autorin, möglicherweise mit Blick auf einen breiteren Kreis von Adressatinnen und Adressaten, auf ein Literaturverzeichnis verzichtet haben.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Werner Bührer, Rezension von/compte rendu de: Jessica Gienow-Hecht, Vom Staat zur Marke. Die Geschichte des Nation Branding, Ditzingen (Reclam) 2025, 192 S., ISBN 978-3-15-011526-8, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2025/4, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.4.113987