Der Begriff der Sabotage ist unscharf und taucht in verschiedenen Kontexten auf. Im Zentrum von Dominique Pinsolles Habilitationsschrift steht die Verwendung der Sabotage als Mittel des Arbeitskampfes um die Jahrhundertwende in Frankreich und den Vereinigten Staaten. Die Methode konnte verschiedene Praktiken beinhalten, insbesondere die verlangsamte oder qualitativ schlechte Ausführung von Arbeit. Sie grenzte sich damit ab vom Streik als kollektiver Arbeitsverweigerung, vom – in der Frühindustrialisierung vor allem durch von den Fabriken bedrohte Kleinhandwerker und Heimarbeiter praktizierten – Luddismus bzw. der Maschinenstürmerei und schließlich, trotz kontroverser Ansichten bezüglich der Anwendung von Gewalt gegen Sachen, auch vom Terrorismus.

Pinsolles Studie gliedert sich in drei chronologische Hauptteile: 1897 bis 1909 als Zeit der Ausbreitung der Sabotage in der französischen Gewerkschaftsbewegung, 1909 bis 1914 als Zeit der Hoffnungen und Illusionen in Frankreich und des Transfers über den Atlantik sowie 1913 bis 1918 als Zeit der Hochphase und dann Unterdrückung dieser Methode in den USA. Die Anfänge der Sabotage als Mittel des Arbeitskampfes verortet Pinsolle in Schottland, wo nach einem Hafenarbeiterstreik in Glasgow 1889, möglicherweise beeinflusst durch Protestmethoden irischer Landarbeiter, der Konflikt mit Langsamarbeit weitergeführt wurde. Diese als »ca’canny« bezeichnete Methode verbreitete sich rasch und wurde beispielsweise noch im selben Jahr von den Londoner Hafenarbeitern übernommen. Eine Studiengruppe des sozialwissenschaftlichen Pariser Thinktanks »Musée social«, die sich mit der britischen Hafenarbeit befasste, erwähnte die Methode in einer Publikation von 1896. Auf diesem Weg gelangte sie vermutlich zur Kenntnis des Anarchosyndikalisten Émile Pouget, der sie in seiner Zeitschrift »Le Père Peinard« theoretisierte und in die Debatten der 1895 gegründeten Confédération générale du travail (CGT) einbrachte.

Frühe praktische Anwendungen ab 1900 im Baugewerbe, in der Metallindustrie, in Bäckereien und im Friseurgewerbe führten zu einer öffentlichen Debatte über die Sabotage, die nun zunehmend von nichtsozialistischen Zeitungen als Argument gegen die Gewerkschaftsbewegung benutzt wurde. Den Höhepunkt erlebte die Diskussion, als bei einem Poststreik 1909 Telegrafenleitungen beschädigt wurden und es im folgenden Jahr bei einem allgemeinen Eisenbahnerstreik zu zahlreichen Sabotageakten wie Schienenbeschädigungen, dem Durchtrennen elektrischer Leitungen und sogar Dynamitanschlägen kam. Die Sabotage in den Bereichen Kommunikation und Verkehr machte die Fragilität der Staatsmacht – potenziell auch im Kriegsfall – deutlich. Während dies bei staatstragenden Kräften zur Forderung nach energischen Gegenmaßnahmen führte, hegten revolutionär-anarchistische Kreise nun große Hoffnungen, mit der Sabotage neben dem Generalstreik ein zweites Mittel zum gesellschaftlichen Umsturz in der Hand zu haben. Die CGT erkannte aber die Bedeutung der Sabotage für die antigewerkschaftliche Propaganda und distanzierte sich ab 1909 zunehmend von dieser Methode.

Seit der Einführung der Sabotage ins Aktionsinstrumentarium der CGT war die Methode bei revolutionären Syndikalisten verschiedener Länder auf Resonanz gestoßen. Mit Abstand am stärksten war die Rezeption seitens der Gewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) in den Vereinigten Staaten. Im Unterschied zur mitgliedermäßig sehr viel stärkeren American Federation of Labor (AFL) stützte sich die 1905 von Sozialisten, Anarchisten und militanten Arbeiterführern gegründete IWW vor allem auf Ungelernte, Wanderarbeiter, Frauen und Afroamerikaner. Der Begriff »Sabotage« soll 1910 von IWW-Organisator William »Big Bill« Haywood von einer Europareise in die USA gebracht worden sein. Wichtig für die Popularisierung der Methode in der IWW-Basis waren in der Folge auch William E. Trautmann und Elizabeth Gurley Flynn, deren Broschüren sich stark an Pougets Schriften anlehnten.

In einer Reihe von Arbeitskonflikten in verschiedenen Teilen der USA kam nach 1910 das von der AFL und der Socialist Party abgelehnte Mittel der Sabotage zum Einsatz, was neben negativer Presse zunehmend schärfere Reaktionen von Industriellen, von ihnen angeheuerten Milizen sowie von Behörden nach sich zog. Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg im Frühjahr 1917 und der damit einhergehenden, von der Regierung gezielt geschürten antideutschen Hysterie geriet die IWW zudem in Verdacht, im Sold der Deutschen zu stehen. Bereits vor 1917 hatte es in den USA deutsche Sprengstoffanschläge gegen Waffenlieferungen an die Entente-Mächte gegeben, die nun diskursiv mit den Streiks und Sabotageaktionen der IWW in eins gesetzt wurden. Ab Sommer 1917 unternahmen die Behörden Razzien gegen IWW-Geschäftsstellen im ganzen Land, infolgedessen wurden zahlreiche IWW-Führer wegen Verrat vor Gericht gestellt und zu teils langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. In den Prozessen war die Sabotage häufig ein wichtiger Vorwurf. 1918 wurde der Begriff deshalb aus dem Vokabular der IWW gestrichen.

Für Pinsolle kam die Bedeutung der Sabotage im Kontext des Arbeitskampfes mit dem Ende des Ersten Weltkrieges weitgehend zu einem Ende. Nachher habe sie, so der Autor in einem sehr knappen Ausblick, hauptsächlich noch in zwischenstaatlichen Konflikten wie der Ruhrbesetzung 1923 sowie Kriegen eine Rolle gespielt und erst ab den 1960er-Jahren in Teilen der Arbeiterbewegung und dann auch der Umweltbewegung wieder etwas Auftrieb erhalten. Auf die Frage, inwiefern doch recht weit verbreitete Praktiken wie der Dienst nach Vorschrift (der etwa bereits 1905 bei einem mit dem Wahlrechtskampf in Österreich verknüpften Eisenbahnerstreik zur Anwendung kam) oder die grève perlée in direkter Verwandtschaft bzw. Nachfolge zur Sabotage der Jahrhundertwende stehen, geht Pinsolle nicht ein. Ebenso zeigt er zwar sehr überzeugend die transatlantische Verflechtungsgeschichte der Sabotage im behandelten Zeitabschnitt zwischen Frankreich und den USA auf, blendet aber weitere Länder – sogar das zu Beginn als Mutterland der Methode eingeführte Großbritannien – vollständig aus. Darüber hinaus ist die Darstellung streckenweise stark narrativ und sind die dargestellten Ereignisse je für sich zum großen Teil wohlbekannt. Das Verdienst des Buches liegt aber darin, das Thema erstmals konzise dargestellt und dabei auch das Zusammenspiel von Theorie und Praxis anschaulich beleuchtet zu haben.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Christian Koller, Rezension von/compte rendu de: Dominique Pinsolle, Quand les travailleurs sabotaient. France, États-Unis (1897–1918), Marseille (Éditions Agone) 2024, 455 p. (Mémoires sociales), ISBN 978-2-7489-0563-2, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2025/4, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.4.114002