Mit diesem dritten Band schließt Georges Vidal seine umfassenden Studien zum Verhältnis der französischen Armee zum Kommunismus und der Sowjetunion von der Oktoberrevolution bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ab.1 In der Hauptsache geht es um die Furcht der Generalität und des Offizierskorps vor der bolschewistischen Revolution und die Rolle der Sowjetunion in ihrem politischen Kalkül. Darüber hinaus bietet der Band aber auch Aufschlüsse zur Strategie der französischen Kommunisten und der politischen Führung der Sowjetunion, zu den unterschiedlichen Haltungen von Philippe Pétain, Maxime Weygand, Henri Giraud und Charles de Gaulle sowie zu den Auseinandersetzungen zwischen der Widerstandsarmee (Forces françaises de l’intérieur, FFI) und der Provisorischen Regierung in den Wochen und Monaten nach der Landung der Alliierten. Schließlich ermöglicht die Auswertung zahlreicher Geheimdienst-Berichte eine Präzisierung des Bildes der öffentlichen Meinung in den Kriegsjahren.
Vidal zeigt, dass die Befürworter einer unerbittlichen Repression der Kommunisten und eines harten Vorgehens gegen die Sowjetunion mit dem Molotow-Ribbentrop-Pakt und dem Kriegsbeginn ihren Einfluss beträchtlich ausweiten konnten. Die Berufung von General Pierre Héring zum Militärgouverneur von Paris spielte hier eine entscheidende Rolle: Er ergriff nicht nur drastische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der »Ordnung« in der Hauptstadt, sondern drängte auch die Regierung und die Heeresleitung zu schärferen gesetzlichen Vorgaben und stärkeren Eingriffsrechten der Armee. Vom Beginn des finnisch-sowjetischen Winterkriegs an wurde auch eine militärische Intervention gegen die Sowjetunion gefordert. Im Moment der Niederlage steigerte sich die Furcht vor einem kommunistischen Umsturz nicht nur bei Generalstabschef Weygand zur panikartigen Beschwörung einer Machtergreifung, und diese trug dann zur Entscheidung für den Waffenstillstand bei.
Vorkehrungen gegen einen kommunistischen Aufstand blieben auch danach eine der Hauptbeschäftigungen einer Armee, deren politisches Gewicht mit der Etablierung des Pétain-Regimes weiter zugenommen hatte. Allerdings weigerte sich die Heeresleitung, in der Freien Zone Militärgerichte einzusetzen, und es kam auch nicht zu einer Hexenjagd auf Kommunisten in den Regimentern. Hier wirkte das traditionelle Selbstverständnis einer »unpolitischen« Armee nach. Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion führte zu einer weiteren Verschärfung der Repression gegen Kommunisten, die Armee trat dabei aber gegenüber der Polizei noch weiter in den Hintergrund.
Zugleich löste der deutsche Angriff eine strategische Divergenz unter den führenden Militärs aus: Während Pétain und andere jetzt auf den endgültigen Sieg über den Bolschewismus setzten, befand Weygand schon am 27. Juni 1941, dass das Reich den Krieg verloren habe. Diese Auffassung gewann immer mehr Anhänger, vor allem nach dem Scheitern der Wehrmacht vor Moskau im Dezember 1941. Die Regierung hielt aber an ihrer Hoffnung auf einen deutschen Sieg fest; Kriegsminister Eugène Bridoux wies eine Analyse des Chefs des 2. Büros, der Anfang 1942 einen Sieg der Sowjetunion für möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich hielt, als von »abgrundtiefem Antigermanismus« geprägt zurück.
Die tief verwurzelte Furcht vor einer kommunistischen Machtergreifung war vollkommen unbegründet. Vidal kann diesen Befund der neueren Forschung nur noch einmal bestätigen: »Aucun document« im Archivbestand der Leitung des PCF in den Jahren der Besatzung, den er als erster ausgewertet hat, »ne contenait une quelconque référence ou allusion à un objectif de prise de pouvoir« (22). Worum es den Kommunisten ging, war die Teilhabe am bewaffneten Kampf für die Befreiung und an der Macht in dem neuen Regime, das aus ihm hervorgehen sollte. Ihr Generalsekretär Maurice Thorez signalisierte Anfang 1944 Kompromissbereitschaft in der Frage, zu welchen Bedingungen Vertreter der Partei in das Befreiungskomitee eintreten sollten. Um diese Linie bei den Genossen durchzusetzen, wollte er so schnell wie möglich aus dem Moskauer Exil zum Sitz des Befreiungskomitees in Algier gelangen.
De Gaulle widersetzte sich dem Begehren zunächst, weil er die Aufhebung der Gefängnisstrafe Thorez‘ für Desertion für problematisch hielt und die Hilfe des dynamischen jungen Generalsekretärs auch nicht brauchte, um die Kommunisten unter Kontrolle zu halten. Anders als manche seiner Mitstreiter war er sich ganz sicher, dass von den Kommunisten, die im bewaffneten Widerstand unterdessen eine zentrale Rolle spielten, keinerlei Gefahr ausging. »Dans le grand élan de la Libération, les communistes seront comme les autres, emportés par le flot national«, versicherte er Anfang April 1944 einem Besucher (296).
Diese Prophezeiung sollte sich als zutreffend erweisen. Dabei schwanden noch bestehende Vorurteile gegen die Kommunisten bei den nichtkommunistischen Angehörigen des Widerstands wie bei den Offizieren, die sich im Befreiungskampf engagierten, angesichts der Erfahrungen mit den kommunistischen Mitkämpfern. Anfängliche Konflikte mussten hinter operativen Notwendigkeiten zurückstehen. So wurde die Befreiung, das legt Vidal eindrucksvoll dar, tatsächlich zur Geburtsstunde eines neuen Frankreichs, das die Kommunisten einschloss. Bei der Auseinandersetzung um die Auflösung der FFI ging es nicht um die Abwehr einer Machtergreifung durch die Kommunisten, sondern um die Rolle der Widerstandsarmee einschließlich ihrer nichtkommunistischen Bestandteile im künftigen Machtgefüge. Sie endete darum auch ganz pragmatisch mit ihrer Integration in die reguläre Armee.
Dem pragmatischen Umgang mit den Kommunisten entsprach de Gaulles Versuch, die Sowjetunion für ein Bündnis mit Frankreich zu gewinnen. In der Tradition der französischen Politik seit dem 19. Jahrhundert sah er das beste Mittel, um den deutschen Nachbarn unter Kontrolle zu halten. Aktuell hoffte er auch auf Unterstützung, um sich gegenüber den »Angelsachsen« zu behaupten. Anders als Giraud ging er aktiv auf die sowjetischen Vertreter zu und suchte den Sowjets auch militärische Unterstützung im Kampf gegen Hitlerdeutschland zu liefern. Letzteres erwies sich als denkbar schwierig; eine kleine Fliegerstaffel, die seit November 1942 an der sowjetisch-deutschen Front operierte, litt unter bürokratischen Hindernissen und personellen Schwächen.
Vidal berichtet auch detailliert über die Schwierigkeiten der diplomatischen Vertretung des Freien Frankreichs bei der Sowjetregierung und die internen Auseinandersetzungen, die damit verbunden waren. Die Verschränkung verschiedener Themen macht es schwierig, die Entwicklungen auf den einzelnen Handlungsfeldern nachzuvollziehen. Durch die Erschließung zahlreicher interner Quellen ist ihm gleichwohl ein wichtiger Beitrag zur Geschichte Frankreichs im Zweiten Weltkrieg gelungen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Wilfried Loth, Rezension von/compte rendu de: Georges Vidal, L’armée française et le communisme. Guerre-révolution, insurrection et enjeu soviétique, 1939–1945, Rennes (Presses universitaire de Rennes) 2023, 412 p., ISBN 978-2-7535-9031-1, DOI 10.4000/books.pur.192375, EUR 30,00., in: Francia-Recensio 2025/4, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2025.4.114006





