Das hier zu besprechende Buch entstand unter besonderen Rahmenbedingungen: Svea Koischwitz hat bereits 2004 an der Universität Köln eine Magisterarbeit zum Thema »Konservativer Professorenverband oder bildungspolitischer Interessenverband? Der ›Bund Freiheit in der Wissenschaft‹ 1970–1976« verfasst, die sie in den folgenden Jahren zu einer im November 2012 abgeschlossenen Dissertation ausbaute. In der Zwischenzeit hatte allerdings Nikolai Wehrs seine Dissertation zur nahezu gleichen Thematik an der Berliner Humboldt-Universität schon eingereicht, welche dann 2014 als Buch erschien1. Koischwitz war somit gezwungen, ihre Arbeit vor der Drucklegung nochmals grundlegend zu überarbeiten und dabei die Ergebnisse aus Wehrs exzellenter Studie zu berücksichtigen.

Wie Wehrs legt Koischwitz den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die Jahre von der Gründung des BFW im November 1970 bis zur Verabschiedung des ersten Hochschulrahmengesetzes im Deutschen Bundestag im Januar 1976 und damit auf einen Zeitraum, in welchem der Interessenverband aktiv in die hochschulpolitischen Reformdebatten eingriff. In Abgrenzung zu Wehrs betrachtet sie neben dem Zentralverband exemplarisch auch dessen Ortsverbände in Berlin und Bonn, weshalb auch deren, von Wehrs nicht berücksichtigte Quellenbestände in die Arbeit einflossen.

Zunächst beschreibt die Autorin allerdings die Entstehungsgeschichte des Verbandes im Kontext der Erfahrungen mit der Studentenbewegung und schildert die Vorbehalte einzelner Hochschullehrer gegen die damals propagierte »Demokratisierung der Hochschule«, welche 1968 unter anderem im »Münchner Manifest« und im »Marburger Manifest« zum Ausdruck kamen und dann schließlich zur für die Öffentlichkeit überraschenden Verbandsgründung am 18. November 1970 führten. Anschließend folgt eine Analyse der organisatorischen Struktur des Verbandes und seiner Mitglieder, die anhand von zwanzig näher untersuchten Exponenten in vier Generationengruppen kategorisiert werden. Konkret unterscheidet Koischwitz dabei zwischen Vertretern der Geburtsjahrgänge von 1900 bis 1910 (»Kriegsjugendgeneration«), 1916–1924 (»Zwischenkriegsgeneration«), 1925–1935 (»45er-Generation«) und der in den 1940er Jahren geborenen »Alternativen 68er-Generation« und verdeutlicht deren jeweilige Eintrittsgründe und Werthaltungen. Schließlich wird die Entwicklung des BFW und seiner Sektionen in Bonn und Berlin in den Jahren 1970 bis 1976 betrachtet und in einem knapp gefassten Ausblick auf Veränderungen bis zum Ende der 1970er Jahre verwiesen.

Wie schon Wehrs und Daniela Münkel2, so interpretiert auch Koischwitz den BFW nicht als eine Art gegenreformerisches Bündnis aufgeschreckter Konservativer, sondern als eine »heterogene Sammlungsbewegung«, in der »alle politisch aktiven Altersgruppen, die drei großen bundesrepublikanischen Parteien und viele verschiedene Berufssparten vertreten« waren (S. 198). Auch wenn es sich bei den Mitgliedern vorrangig um eine männliche, von bürgerlichen Werten geprägte Bildungselite handelte, waren jene jünger und in ihren Einstellungen wesentlich »›moderner‹ und ›progressiver‹« als ihnen von ihren Gegnern unterstellt wurde, für welche der Interessenverband ein regelrechtes »Feindbild« darstellte (S. 461). In den Augen der Autorin können die Mitglieder des BFW sogar als »Vorreiter des Konzeptes der ›managerial revolution‹ und der ‹unternehmerischen Universität‹ des 21.Jahrhunderts gelten« (ibid.).

Ob die ehemaligen Mitglieder des 2015 aufgelösten BFW mit einer solchen Vereinnahmung tatsächlich einverstanden wären, darüber lässt sich mit Sicherheit streiten. Positiv zu bewerten bleibt aber zweifellos Koischwitz’ Ansatz, den BFW in die hochschulpolitische und gesellschaftliche Gesamtentwicklung der Bundesrepublik einzubetten, womit nicht zuletzt verdeutlicht wird, dass der Widerstand gegen die 68er-Bewegung eben nicht nur im rechten und konservativen Spektrum zu verorten ist. Indem sie den Bund differenziert ausleuchtet und zeitgeschichtlich kontextualisiert, bekräftigt sie zugleich die zentralen Thesen von Wehrs’ Arbeit. Etwas weniger überzeugend wirkt dagegen ihr Versuch, den BFW mit Hilfe der Feld- und Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu als einen »Zusammenschluss einfussreicher Akteure des Feldes ›Universität‹« zu deuten (S. 458), da die vielfältigen Interessensverfechtungen der Akteure innerhalb der hochschulpolitischen Diskussionen jener Jahre tatsächlich höchst inhomogen waren, so dass auch das Feld »Universität« von vielen Partikularinteressen und Meinungsverschiedenheiten ihrer Akteure geprägt war – eine Schwierigkeit auf die übrigens auch schon Wehrs hingewiesen hat3. Ähnlich problematisch erscheint in diesem Kontext der Rückgriff auf Karl Mannheims Generationentheorie als Kriterium für die Auswahl der zwanzig von Koischwitz näher untersuchten Verbandsmitglieder (S. 201f.), weil damit ja genau jenes generationenübergreifende Werteschema in Frage gestellt wird, welches die Autorin dem BFW zuschreibt3. Außerdem waren, wie Koischwitz selbst feststellt (S. 460), innerhalb des Verbandes, entgegen den Unterstellungen seiner Gegner, kaum Vertreter der »Kriegsjugendgeneration« vertreten, so dass zumindest die gleichgewichtige Berücksichtigung dieser Gruppe nicht überzeugend wirkt.

Trotz dieser Einwände hat Svea Koischwitz eine insgesamt gut zu lesende Studie über einen lange Zeit vernachlässigten Aspekt jener Umbruchsjahre in der deutschen Hochschullandschaft verfasst, mit welcher sie die Ergebnisse von Wehrs Arbeit bestätigt und zugleich weitere Argumente dafür liefert, die damaligen Debatten differenzierter zu betrachten. Aus heutiger Sicht wirkt schon allein die Tatsache, dass der BFW mit dafür sorgte, dass die hochschulpolitischen Diskussionen weit in die deutsche Öffentlichkeit getragen wurden, respekteinfößend – die fundamentalen Umwandlungen, welche die deutsche Hochschullandschaft in den letzten Jahren in hektischer Betriebsamkeit vollziehen musste, gingen demgegenüber eher stillschweigend über die Bühne.

1 Nikolai Wehrs, Protest der Professoren. Der »Bund Freiheit der Wissenschaft« in den 1970er Jahren, Göttingen 2014.
2 Daniela Münkel, Der »Bund Freiheit der Wissenschaft«. Die Auseinandersetzungen um die Demokratisierung der Hochschule, in: Dominik Geppert, Jens Hacke (Hg.), Streit um den Staat. Intellektuelle Debatten in der Bundesrepublik 1960 bis 1980. Göttingen 2008, S. 169–187.
3 Vgl.: Wehrs, Protest der Professoren (wie Anm. 1), S. 26, Anm. 36.
3 Vgl.: ibid., S. 27f.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ansbert Baumann, Rezension von/compte rendu de: Svea Koischwitz, Der Bund Freiheit der Wissenschaft in den Jahren 1970–1976. Ein Interessenverband zwischen Studentenbewegung und Hochschulreform, Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2017, 541 S., 2 s/w Abb. (Kölner Historische Abhandlungen, 52), ISBN 978-3-412-50554-7, EUR 70,00. , in: Francia-Recensio 2017/4, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2017.4.43170