Die hier zu besprechende Publikation ist ein Sammelband mit Beiträgen eines Workshops, der im Rahmen der Erinnerungs-Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags 2013 an der Université de Franche-Comté organisiert wurde. Ziel dieses interdisziplinären Austauschs zwischen französischen Germanisten mit dem Forschungsschwerpunkt »civilisation allemande«, deutschen Romanisten sowie Historikern beider Länder war es, neue Überlegungen und Forschungsansätze zum Thema deutsch-französische Beziehungen zu diskutieren. Der untersuchte Zeitraum reicht von 1870–2013. Dieses weite zeitliche Feld mit sehr verschiedenen Themenangeboten vermittelt den Eindruck eines Patchwork-Bandes, trotz der Bemühungen der beiden Herausgeberinnen, in ausführlicher Einleitung und Konklusion den roten Faden ihrer Publikation zu erklären. Offenbar gab es keine Vorgaben an die Autorinnen und Autoren bezüglich des Umfangs, so dass hier ein erhebliches Missverhältnis entstanden ist. Die kürzeren Texte, die im Übrigen nicht die schlechtesten sind, kommen vom Umfang her nur auf die Hälfte der anderen, einige basieren auf bereits publizierten Arbeiten und andere sind offenbar speziell für den Workshop ausgearbeitet. Mit 3 Beiträgen bestreiten die beiden Herausgeberinnen ein gutes Drittel des Bandes.

Was den Textkorpus und den Anspruch der einzelnen Forschungsprojekte betrifft, sind hier also erhebliche Unterschiede festzustellen. Antoine Mandret-Degeilh verfolgt zunächst die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen von zwei nationalen Symboliken zur binationalen Symbolik in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, ausgehend von dem Élysée-Vertrag. Einer der Schwerpunkte des Bandes liegt dann jedoch auf dem Thema Schulbücher, womit ein politisch brisantes Thema aufgenommen wird, das nach dem Ersten Weltkrieg Pädagogen, Historiker und auch Diplomaten beschäftigte.

Nach den traumatischen Erfahrungen des Kriegs, forderten viele die Entwaffnung der Geister, wobei die Revision der Schulbücher und insbesondere die der Geschichtsbücher eine zentrale Rolle spielte. Stéphanie Krapoth gibt zunächst einen chronologischen Überblick über die Forschungsschwerpunkte zu deutsch-französischen Themen. Sie beginnt mit den Arbeiten über Schulbücher aus den 1920er Jahren und geht dann ausführlich auf den französischen Historiker und Schulbuchautor Jules Isaac ein. Man vermisst hier jedoch den Hinweis auf die sehr kontrovers geführten Debatten deutscher Historiker und Pädagogen zum Thema aus dieser Zeit. Insgesamt hat Krapoth 204 Geschichts- und Erdkundebücher ausgewertet, die zwischen 1900 und 2011 erschienen sind und schließt mit der Vorstellung des deutsch-französischen Schulbuchs. Wie sie selbst einräumt, konnte sie vieles nur kurz ansprechen. Die Materialfülle ist verwirrend und ihrer Schlussbemerkung, dass mit diesem Geschichtsbuch noch nicht das letzte Kapitel der deutsch-französischen Beziehungen geschrieben ist, ist kaum zu widersprechen. Ausführlich beschäftigt sich Rainer Bendick mit dem »Deutsch-französischen Geschichtsbuch«, das 2013 als »Schulbuch des Jahres« ausgezeichnet wurde. Er ist einer der Herausgeber dieses einzigartigen Lehrwerks, das gemeinsam von deutschen und französischen Geschichtslehrerinnen und -lehrern geschrieben wurde. Die Schwierigkeit der Verfasserinnen und Verfasser lag nicht darin, sich auf die richtigen Inhalte zu einigen, sondern vielmehr in der sehr unterschiedlichen didaktischen Herangehensweise in beiden Ländern. Dies führte zwischen den Autorinnen und Autoren zu kontrovers geführten Debatten mit Blick auf die Prüfungsanforderungen. Für Bendick besteht die Herausforderung heute darin, eine gemeinsame Antwort auf die Frage zu geben: Was ist ein guter Geschichtsunterricht? Er plädiert für eine deutsch-französische Zusammenarbeit, um neue didaktische und methodologische Ansätze zu entwickeln.

Einen weiteren Schwerpunkt des Bandes bilden diverse Presseerzeugnisse. Claire Aslangul-Rallo untersucht die Zeitschrift »Signal«, die vom Oberkommando der Wehrmacht herausgegeben wurde. Dieses Sprachrohr der NS-Propaganda erschien von 1940–1944 auch in den von Deutschland besetzten Ländern und hatte insbesondere in Frankreich eine beachtlich hohe Aufage (800 000). Wenngleich diese Quelle sehr wohl bekannt ist, so war sie bisher kaum Gegenstand von Forschungsarbeiten. Die Verfasserin erklärt dies damit, dass es erst einer gewissen Reife des deutsch-französischen Paares bedurfte, um sich mit dieser für die beiden Länder heiklen Periode zu beschäftigen. Auch Bénédicte Abrahams Interesse gilt einer Zeitschrift, diesmal jedoch der Gegenwart. Nachdem der 1952 gegründete »Pariser Kurier. Deutsche Zeitschrift in Frankreich – Périodique allemand bilingue« 1991 sein Erscheinen eingestellt hatte, kam im Februar 2004 das hier präsentierte Magazin »ParisBerlin« heraus. Es ist also nicht das erste News magazine, das sich ausschließlich mit deutsch-französischen Fragen beschäftigt, wie es einleitend heißt. Zudem ist es laut Untertitel ein »Magazine pour l’Europe/Magazin für Europa«, worauf die Verfasserin erst später hinweist. Die Redaktion ist zunehmend von der deutsch-französischen Exklusivität abgekommen, um der Bedeutung der beiden Länder für Europa einen festen Platz bei der Berichterstattung zu geben. Warum allerdings für das Thema »50 Jahre deutsch-französische Beziehungen im Spiegel des Magazins ParisBerlin«, so der Titel, nur Artikel von Juli 2011 bis November 2012 ausgewertet wurden – zumindest stammen die Zitate aus diesem Zeitraum – hätte einer Erklärung bedurft.

Ein dritter Schwerpunkt des Bandes liegt auf der Ikonografe der deutsch-französischen Beziehungen. Gabriele Padberg beschäftigt sich mit der Darstellung des Paares Merkozy in der deutschen und französischen Pressekarikatur zwischen 2007 und 2012. Bis dahin war die Ikonografe der beiden Länder nie so üppig und von so viel Einfallsreichtum geprägt. Originell ist der von Olivier Berger gewählte Textkorpus, nämlich Briefmarken und Postkarten. Am Beispiel des »Konfikts von 1870« untersucht er, wie sich das Bild der Deutschen und Deutschlands im Laufe der Zeit verändert hat. Wenn zunächst noch ein klares Feindbild existierte – Deutschland war der Erbfeind –, so wird diese Darstellung durch die Annäherung der beiden Völker nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer heiklen Frage. Nicht zuletzt sei die zunehmende Tabuisierung des preußisch-französischen Krieges auch darauf zurückzuführen, dass Frankreich diesen Krieg verloren hat. Marie-Alexandra Schneider zeigt, wie das Saarproblem von westdeutschen Karikaturisten gesehen wurde, wofür sie fünfzig Karikaturen aus den Jahren 1949–1956 ausgewertet hat. Wenn in diesem Konfikt kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nationalistische Töne zu beobachten sind, so sei aber die Tatsache, dass es in der Darstellung meist um ein Paar ging – Vater Deutschland und Mutter Frankreich mit dem Saar-Kind –, ein Zeichen für den Willen der Annäherung zwischen den beiden Ländern.

Auch wenn die angekündigten Zielsetzungen nicht immer klar und deutlich erkennbar sind, so bietet der Band doch einige lesenswerte und anregende Beiträge.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ute Lemke, Rezension von/compte rendu de: Stéphanie Krapoth, Claire Aslangul-Rallo (dir.), Les relations franco-allemandes en perspective. Sources, méthodes et temporalités pour une approche des représentations depuis 1870, Besançon (Presses universitaires de FrancheComté) 2017, 458 p. (Annales littéraires de l’université de Franche-Comté. Série »Historiques«, 41), ISBN 978-2-84867-562-6, EUR 26,00. , in: Francia-Recensio 2017/4, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2017.4.43171