Das Mönchtum und Klosterwesen des 18.Jahrhunderts stellt noch immer ein recht junges Thema in der Erforschung des Zeitalters der Aufklärung dar. Als vermeintliche Bollwerke des Katholizismus, in denen Mönche nicht nur barockfrommen Andachts- und Frömmigkeitsformen nachhingen, sondern sich ebenso der Muße und Verschwendung erfreuten, sahen sich die Klöster und geistlichen Orden schon im 18.Jahrhundert der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Auch die bürgerlich-protestantisch geprägte Aufklärungsforschung ist diesen Vorstellungen lange Zeit nachgehangen. Erst seit wenigen Jahren wird der Bedeutung von Religion und Kirche wieder zunehmend Beachtung geschenkt, zumal sich die Aufklärung eben nicht nur gegen, sondern in besonderem Maße mit und durch Religion und Kirche vollzog. Auf der Suche nach einer Katholischen Aufklärung richtet sich der Blick daher nicht nur auf die katholischen Staaten, in denen reformfreudige, katholische Aufklärer als Bildungsreformer, Staatsmänner und Kirchenfürsten wirkten, sondern auch in die Klöster und Stifte, die ebenso zu Schauplätzen der Aufklärung wurden. In diesen Kontext ordnet sich der vorliegende Tagungsband ein, der von Bernhard Löffer und Maria Rottler im Nachgang der Regensburger Tagung »Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung« (21./22. September 2012) unter gleichem Titel veröffentlicht wurde.

Der thematische Zuschnitt des Bandes wird in der Einleitung näher erläutert: »Forschungsvorhaben, Gelehrtenkorrespondenzen und Bibliotheksreisen, wissenschaftsorganisatorische Bemühungen, Universitäten und Akademiebestrebungen«, »auswärtige Korrespondenzpartner sowie wissenschaftliche Sammlungen« (S. 7), die das Kloster St. Emmeram in der Aufklärungszeit betrafen, stehen im Mittelpunkt des Interesses. Den Auftakt gibt Alois Schmid mit einem fundierten wie umfassenden Einblick in die süddeutsche Klosterlandschaft in der Aufklärungszeit. Schmid fragt nach den Trägern, Tätigkeitsfeldern und Motiven der Katholischen Aufklärung als klösterlichen Erneuerungsbewegung, die auf die Lebenswelt der Klöster einwirkte und für eine »moderate Anteilnahme an der Aufklärung kennzeichnend« (S. 33) war. Als gelungene Eröffnung des Bandes wird Schmid dem breit gefächerten thematischen Zuschnitt des Tagungsbandes mehr als gerecht, wobei er auch St. Emmeram als einer der »herausragende[n] Brennpunkte der klösterlichen Aufklärung« (S. 21) hervorhebt. Stefan Benz wendet sich in seinem Beitrag den Regensburger Klöstern und Stiften aus historiografegeschichtlicher Perspektive zu. Er untersucht die gedruckten Historien der Klöster sowie die öffentliche Ausgestaltung der Klosterkirchen, woraus sich das Geschichts- und Selbstbewusstsein der Klöster rekonstruieren lassen und macht dadurch auf Verhältnis von Öffentlichkeit und gegenseitiger Konkurrenz aufmerksam.

Das in der Reichsstadt Regensburg und damit in unmittelbarer Nähe zum Reichstag gelegene Reichsstift St. Emmeram war ein wirtschaftlich und personell bedeutsamer Standort der Benediktinerkongregation und seit 1731 auch politisch unabhängig und reichsunmittelbar. Hieraus ergaben sich weitreichende Konsequenzen für Wissenschaft und Aufklärung, zumal die Benediktiner auch den profaneren Wissenschaften erstaunlich offen gegenübertraten. Das naturwissenschaftliche Interesse der Benediktiner wurde sinnfällig in der Bibliotheksreise der Melker Benediktiner Bernhard und Hieronymus Pez nach St. Emmeram, wo sie mathematische und astronomische Schriften eingängig studierten, wie Thomas Stockinger aufzeigt. Den Briefverkehr mit der Benediktinerabtei Melk, der zwar »ein konstanter, wenn auch nicht allzu üppiger« (S. 157) war, macht Irene Rabl zum Gegenstand ihres Aufsatzes. Dabei berücksichtigt sie insbesondere die Briefe zwischen den Brüdern Pez und Frobenius Forster, der sich als Fürstabt später für die Förderung der Wissenschaften einsetzte (S. 179). Franz Stephan Pelgen thematisiert in seinem Beitrag die Korrespondenz des kurmainzischen Theologen Stephan Alexander Würdtwein und erläutert am Beispiel von dessen Verbindungen zu Forster die Strategien und Prinzipien wissenschaftlichen Publizierens. Mit der Gelehrtengesellschaft Societas Incognitorum mit Sitz in der habsburgischen Provinzstadt Olmütz befasst sich Antonín Kostlán, der darin die Rolle und den Einfuss der Benediktiner betont. P. Stephan Haering OSB richtet den Blick auf die Mönche von St. Emmeram, die kurz vor und in der Aufklärung an den Universitäten Ingolstadt und Salzburg studiert und gelehrt haben. Gerade für die Zeit von Fürstabt Forster, unter dem St. Emmeram zur Klosterakademie avancierte, treten neue institutionelle Verfechtungen deutlich hervor. Vom wachsenden Interesse an der Einrichtung von naturkundlichen und mathematisch-physikalischer Sammlungen handeln die Beiträge von Georg Schrott und P. Amand Kraml OSB, zum einen anhand der Klostersammlung von St. Emmeram, zum anderen aus der Perspektive des Benediktinerpaters Laurenz Doberschnitz, der in seinen Reisebeschreibungen seine Eindrücke als Gast der niederbayerischen Klöster festhielt. Nach einem kurzen Beitrag von Maria Rottler über den historischen Bibliothekskatalog des Abtes Forster, besitzen die beiden letzten inhaltlichen Beiträge resümierenden Charakter. Entlang der Trauerrede auf Forster durch den Abt Rupert Kornmann im Jahr 1791, erschließt Manfred Knedlik das zeitgenössische Idealbild von einem der Aufklärung und modernen Wissenschaften zugewandte Katholiken, wie ihn für Kornmann der verstorbene Abt verkörperte. Mit dem abschließenden Beitrag von Ulrich Lehner kommt nicht nur ein führender Vertreter für die Erforschung der Katholischen Aufklärung zu Wort, er zeigt auch grundsätzlich anhand ausgewählter Beispiele, inwiefern der Benediktinerorden »die entscheidende Rolle« (S. 351) für eine Katholische Aufklärung in Süddeutschland spielte. Den Schlusspunkt setzt Maria Rottler mit ihren wertvollen Erfahrungen zu den unterschiedlichen Social-Media-Kanälen, die im Vorfeld und Nachgang der Tagung innerhalb der Community zum Wissensmanagement eingesetzt wurden.

Bereits der schlaglichtartige Gang durch den Tagungsband verrät seine Stärken: Die einzelnen Beiträge werden dem Zuschnitt des Bandes nicht nur gerecht, sondern sind auch derartig miteinander verbunden, dass sich eine stringente Studie abzeichnet, die das Kloster St. Emmeram, seine Mönche und auswärtigen Kontakte beleuchtet. Im Dunkeln bleibt hingegen die Frage nach der Qualität und Reichweite der externen Beziehungen. Zwar sind Einfussnahmen offensichtlich, jedoch ist fraglich, inwiefern die einzelnen, oftmals nur zeitlich und räumlich eng begrenzten Austauschbeziehungen ein wirkmächtiges Netzwerk ausbildeten, in dem St. Emmeram als Bildungs- und Wissenschaftsstandort der Katholischen Aufklärung von herausragender Bedeutung war. Gleichwohl hat man es hier nicht mehr mit jener »historiographische[n] Traditionalität und wissenschaftliche[n] Mittelmäßigkeit«1 zu tun, die Peter Hersche einst für die Ordens- und Klosterforschung zum 18.Jahrhundert festgestellt hat. Die Frage nach grenzüberschreitenden Transfers, Austauschprozessen und gelehrten Netzwerken stellt sich ebenso grundsätzlich für die kirchen- und bildungsgeschichtliche Erforschung der Katholischen Aufklärung als global wirksame Reformbewegung2.

1 Peter Hersche, Muße und Verschwendung. Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter, Freiburg i. Br. 2006, S. 326.
2 Ulrich L. Lehner, Die Katholische Aufklärung. Weltgeschichte einer Reformbewegung, Paderborn 2017.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Andreas Oberdorf, Rezension von/compte rendu de: Bernhard Löffer, Maria Rottler (Hg.), Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung, München (C.H.Beck) 2015, 399 S. (Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Beiheft 44), ISBN 978-3-406-10727-6, EUR 48,00., in: Francia-Recensio 2017/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2017.4.43382