Mit »The War of the Princes« von Petr Vorel liegt eine Synthese vor, die aus mehreren Gründen Beachtung verdient: Einerseits, da das traditionell umfassend bearbeitete Thema der kaiserlichen Reichspolitik im Angesicht der europäischen Reformationen in und um den »unentdeckten Kontinent« (S. 3) Böhmen weitgehend eine »Wüste« ist1 ; andererseits, da eine Reihe tschechischsprachiger Quellenbestände und neuere Literatur benutzt wurden, die in zum Teil markantem Gegensatz zu den historiographischen Traditionen deutscher und österreichischer Geschichtsforschung stehen (S. 7f.). Vorel formuliert eine Reihe Fragen (S. 8f.), die sich wie folgt kondensieren lassen: Warum und unter welchen Umständen vermochten es die böhmischen Stände, der Fürstenmacht Ferdinands I. nach Mühlberg Paroli zu bieten? Und wieso setzte sich die böhmische Spielart relativer konfessioneller Toleranz – convivencia – nach 1555 nicht durch?2 Zwar hat auch Vorel keine eindeutige Antwort parat (S. 9), doch ist offensichtlich, dass seine Interpretation der Ereignisse und Entwicklungen teilweise von den überlieferten Deutungen der deutsch- und tschechischsprachigen Forschung abweichen.

Die Darstellung umfasst neben einer – zugegeben sehr knappen – Einleitung (S. 1-9), die die Grundzüge der Untersuchung darlegt, eine überaus interessante kartografische Darstellung (S. 10), die die böhmischen Länder außerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches ausweist: dies ist in letzter Konsequenz Vorels These geschuldet, dass diese zwischen den 1480er Jahren und der sog. Readmission der böhmischen Kur (1708) nicht Teil des Alten Reiches waren (und hebt sich somit zudem markant von dem kartografischen »Bildkanon« der letzten knapp 150 Jahre ab3). Daran schließen insgesamt sechs Kapitel an, die ein spannendes Panorama dieses Jahrzehnts bieten und sich in zwei größere thematische Blöcke einteilen lassen (was der Autor so aber nicht getan hat): Der erste Teil umfasst die ersten drei Kapitel und bietet eine mehr oder weniger detaillierte, aber immerzu unter Berücksichtigung böhmischer Perspektiven erfolgende Darstellung der Ereignisse und Entwicklungen zwischen 1530 und 1555. Kapitel 1 (S. 11–37) dient hierbei als thematische Einführung und befasst sich mit der dräuenden Krise des Reiches zwischen 1530 und dem Kriegsausbruch und fokussiert vor allem die als »Problem« (S. 12) auftretende (lutheranische) Reformation im Angesicht von Reichsreform und kaiserlich induzierter Integration. Kapitel 2 verdichtet die folgenden Konfliktmomente und widmet sich ausschließlich dem Schmalkaldischen Krieg (S. 39-66), wobei den Versuchen Karls V., die protestantischen Fürsten vor der Eröffnung der Feindseligkeiten gegeneinander auszuspielen besondere Bedeutung (S. 40) zukommt; der Fokus auf Böhmen ist auch hierbei deutlich sichtbar, was beispielhaft in der – im Gegensatz zu deren Position in der deutschsprachigen Forschung – lediglich kursorisch erwähnten Schlacht bei Mühlberg (S. 65f.) hervortritt.

Der zweite größere Block umfasst schließlich die zentralen Argumente des Buches und legt detailliert dar, wieso Vorels Fokus zum Teil von den etablierten Narrativen abweicht: Kapitel 4 (S. 83–104) identifiziert vier essentielle Aspekte, die die These stützen: das böhmische Staats- oder Verfassungsrecht (státní právo); die böhmischen Besitzungen im benachbarten Reich (vgl. hierzu die hilfreiche Karte auf S. 126), die Ferdinand I. als Begründung für eine an sich rechtlich problematische Intervention im »auswärtigen« Schmalkaldischen Krieg an der Seite seines Bruders diente; die konfessionellen Spezifika, die aus den Folgen der Hussitischen Revolution (František Šmahel) erwuchsen; sowie die besondere Rolle der (Hoch-) Aristokratie innerhalb der böhmischen Ständemonarchie vor 1620. In diesem Abschnitt finden sich auch die Belege für die Interpretation Vorels, dass die Länder der Wenzelskrone kein Teil des Alten Reiches waren (S. 88f.), wobei der Autor einerseits die nicht unproblematische Argumentation des Staatsrechts aufgreift (S. 92f.), dessen Existenz und Bedeutung seit der »nationalen Wiedergeburt« (národní obrození) im 19. Jahrhunderts als Beleg für die fortgesetzte Eigenstaatlichkeit Böhmens Einsatz findet, sowie andererseits eine deutlich andere Position einnimmt als sie der Mainstream der jüngeren tschechischen Forschung vertritt (unerwähnt verbleibt jedoch die Vladislav’sche Landesordnung)4. Das darauf folgende Kapitel 5 (S. 105–25) detailliert die Grundzüge der ersten beiden Jahrzehnte von Ferdinands Herrschaft in Böhmen, oftmals eingebettet in größere paneuropäische Kontexte wie etwa die Beispiele des amerikanischen Silbers im Kontext der Joachimsthaler Bergwerke (S. 121) oder die so auch nicht bei Tom Brady auftauchende Bedeutung der konfessionellen Arrangements (S. 123) unterstreichen. Kapitel 6 (S. 127–84) legt die böhmische Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg noch einmal ausgesprochen detailliert dar, wobei der Fokus auf dem diesen begleitenden (1.) böhmischen Ständeaufstand ruht. Kapitel 7 (S. 185-217) diskutiert die langfristigen Folgen dieser Episode, die in der konzisen Zusammenfassung (S. 219-25) zusammengeführt werden. Hilfreiche Personen-, Orts- und Sachregister (S. 259-72) runden die Synthese ab.

Problematisch wiederum erscheinen vielfach unglückliche Passagen, die sowohl aus der nicht immer gelungenen Übersetzung des Manuskripts, terminologischen Unschärfen (etwa S. 6, 16, 122f.) und der zum Teil ungeklärten Übersetzung der deutsch-tschechischen Terminologie (so findet sich z.B. Landtag bzw. Český zemský sněm mit »Land Diet« übersetzt) als auch der offenkundigen Schwächen des Korrekturvorgangs seitens des Verlags resultieren (etwa S. 12; 71, Anm. 10; S. 72, Anm. 12); erstaunlich ist zudem, dass Joachim Bahlckes essentieller Beitrag keinen Eingang gefunden hat5 und auch die jüngere deutschsprachige Forschung nur kursorisch berücksichtigt wurde. Sehr positiv hingegen ist die Betonung einer neuen Blickweise aus der Perspektive Böhmens, das, wiewohl die übrigen Länder zwar mehrfach erwähnt werden, jedenfalls im Mittelpunkt steht. Somit hebt sich Vorels Synthese zwar von anderen weitaus umfassender bohemozentrischen Zugriffen6, wobei die vielfachen jüngeren tschechischen Studien zum 16. Jahrhundert sehr prominent Eingang finden.

Es steht zu hoffen, dass die Arbeit breit rezipiert wird und als Denkanstoß für die »größeren Bezüge« rund um die Mitte des 16. Jahrhunderts besonders im benachbarten deutschsprachigen Ausland diskutiert wird. Die fortgesetzte historiographische Integration der »Nebenländer« Mähren, Schlesien und der beiden Lausitzen in diese Debatten ist ebenso wünschenswert wie auch die Vermehrung bohemistischer Studien zur Frühneuzeit, die in naher Zukunft hoffentlich auch (endlich) die nachweißenbergische Epoche (Doba pobělohorská) mit ähnlicher Aufmerksamkeit ausstattet wie dies für die Blütezeit der böhmischen Ständemonarchie bereits der Fall ist.

1 Vgl. den ähnlichen Punkt betreffend die englische Historiographie zu Böhmen in Laura Lisy Wagner, Islam Christianity, and the Making of Czech Identity (1453- 1683), Farnham, Burlington, VT (Ashgate), 2013, S. 1f.
2 Die Begrifflichkeit nach Thomas A. Brady, Jr., German Histories in the Age of Reformations (1450–1650), New York (Cambridge University Press), 2009 (Hervorhebung im Original).
3 Vgl. Friedrich W. Putzger: Historischer Schul-Atlas zur alten, mittleren und neuen Geschichte, Bielefeld (Velhagen & Klasing), 1877, S. 20–21; http://gei-digital.gei.de/ viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:0220-gd-5611059 (Zugriff am 25. Okt. 2017).
4 Beispielhaft Jaroslav Pánek: Ferdinand I. – der Schöpfer des politischen Programms der österreichischen Habsburger?, in: Petr Maťa und Thomas Winkelbauer (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1620-1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas, Stuttgart (Steiner), 2006, S. 63-72; vgl. ebenso dessen Synthese: The Czech Estates in the Habsburg Monarchy (1526-1620), in: Jaroslav Pánek, Oldřich Tůma u.a. (Hg.): A History of the Czech Lands, Prag (Karolinum Press), 2009, S. 191- 229, inkl. Bibliographie.
5 Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der böhmischen Krone im ersten Jh. der Habsburgerherrschaft (1526-1619), München (Oldenbourg), 1994.
6 Man beachte etwa die komplette Absenz nichtböhmischer Positionen in Mikuláš Teich (Hg.): Bohemia in History, Cambridge (Cambridge University Press), 1998.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Stephan Sander-Faes, Rezension von/compte rendu de: Petr Vorel, The War of the Princes. The Bohemian Lands and the Holy Roman Empire 1546–1555, Budapest (Central European University Press) 2015, 300 p., 8 ill., ISBN 978-1-943596-03-4, EUR 44,00. , in: Francia-Recensio 2017/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2017.4.43387