Die historiografischen Praktiken im Rahmen der monarchischen Repräsentation König Ludwigs XIV. sind aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Schwerpunkten thematischer und medialer Art untersucht worden1. Wellingtons Buch ordnet sich nicht nur in diese Forschungen ein, für die Louis Marin sicherlich die dauerhaft wirksamsten Anregungen gegeben hat2, sondern er gewinnt auch neue Einsichten zur Multimedialität antiquarischer und historiografischer Praxis.

Ziel seiner Studie ist es, nachzuweisen, wie die antiquarischen Praktiken, zumal der Münzkunde, die image maker des Königs zur Produktion neuer Objekte und Bilder mit einer besonderen temporalen Qualität inspirierten (S. 2f.): Die Medaillen – und nicht zuletzt die Medaillenbücher und auch das Cabinet des médailles – seien in besonderer Weise für die Konstruktion einer »vergangenen Zukunft« konzipiert worden. Im Unterschied zu einer rein antiquarischen Praxis, der es um Genauigkeit gehe, eigne dieser numismatischen Kultur eine historiografische Diskursivität »that outlines cause and effect in order to draw together narrative of people living in a particular time and place« (S. 5). Die im Titel formulierte und in der Einleitung ausgeführte Nähe zu Kosellecks geschichtstheoretischen Überlegungen spielt allerdings im weiteren Verlauf der Untersuchung keine Rolle.

Wellington hat seine Untersuchung in sieben Kapitel angeordnet, die Institutionen, Personen und Praktiken des numismatischen Antiquarianismus behandeln. Er beginnt mit einem allgemeineren Abschnitt über die Rolle des Antiquarianismus am Hof, konzentriert auf den französischen Hof von Franz I. bis Ludwig XIII. und auf seine Verbindung mit Erziehung und Sammlung. Dieser erste Abschnitt fungiert allerdings eher als (zuweilen ungenaue) Einleitung, die eigentliche analytische Darstellung beginnt in den folgenden Kapiteln, die der Petite Académie, dem Cabinet des médailles, den Medaillenbüchern, den Porträts und ihrem Zusammenhang mit den Münzen sowie abschließend den »numismatischen Resonanzen« in anderen Medien gewidmet sind.

In dem von Wellington (wie in englischsprachigen Büchern ja leider üblich) nur in Übersetzung zitierten Brief des königlichen Bibliothekars Pierre Carcavi, der zum Erwerb antiker Schriften, Münzen und anderer Objekte anleiten soll, werden interessante Kriterien zur Einschätzung von Wert und Authentizität der Objekte in einem Katalog aufgestellt (S. 82). Von Carcavi werden Münzen und Medaillen unterschiedslos zusammengenommen. Wellington hätte dies sicherlich thematisieren können und daraus weitere Aussagen über die königliche Beschäftigung mit den antiken Vorbildern für die eigene Medaillenproduktion gewinnen können. Denn den engen Zusammenhang zwischen beidem, Sammlung und Produktion, weist Wellington nach.

Die Medaillen hätten bewiesen, dass sie, so zitiert Wellington Tallerand aus der Einleitung der »Médailles sur les principaux événements du règne de Louis le Grand«, dauerhafte Monumente seien, geeignet dazu, große Ereignisse der Nachwelt zu überliefern. Diese Publikation sichert nun die legitime Interpretation durch spätere Rezipienten (insbesondere Historiker) ab, indem sie die Abbildungen durch Kommentare und Erläuterungen begleitet. Die Vorderseite eines jeden Blattes des Buches zeigt oben die Vorder- und Rückseite der Medaillen mit ihren Umschriften, dann darunter eine Erklärung (vgl. S. 139f.), die Rückseiten sind leer, womit ein Durchscheinen und Vermischen von Vorder- und Rückseitendruck vermieden wird und die Wertigkeit des Buches unterstrichen wird. Dass Wellington dieses Layout und die Seitengestaltung nicht thematisiert, ist angesichts seines Erkenntnisinteresses doch verwunderlich. Er übersieht dadurch nicht zuletzt die große Nähe zu den Emblembüchern der Renaissance und des Barock, die ja in gleicher Weise zwei textliche und ein bildliches Element eng aufeinander beziehen (und verschenkt so eine diskursive Tiefenschärfung). Er hebt dagegen den besonderen Rang der Publikation in eigener Schrifttype und in kostbarer Gestaltung hervor – ob dies aber wirklich als ein Ersatz für (nach kostspieligen Kriegen) zu teure Paläste (S. 138) anzusehen ist?

Die Bedeutung der Medaillen wird, wie Wellington überzeugend darlegt, also durch Institutionen und das Zusammenspiel verschiedener Medien gesichert und mit anderen repräsentativen Praktiken verknüpft. Dazu gehört auch die Kontrolle und Zensur konkurrierender Werke: Der Zugriff der Medaillengeschichte von Ménestrier auf die von der Petite Académie gestalteten Medaillen wird massiv eingeschränkt, zudem darf sie nicht als »Histoire du roy par les médailles« erscheinen, sondern nur als »Histoire du règne de Louis le Grand« (S. 134f.). Wellington zeigt, wie die Medaillen in besonderer Weise dazu beitragen, die legitime Darstellung der königlichen Physiognomie festzulegen, indem er in einer zugleich zeitgenössischen und antikisierenden Weise in eine Reihe mit großen, heldenhaften Anführern gestellt wird (S. 168). In einer relativ simplen Typologie unterscheidet er einfache, metaphorische und gemischte Darstellungen.

Wellington gelingt es weiterhin, nachzuweisen, wie eng Le Bruns Gestaltung des Spiegelsaals in Versailles mit den Medaillen zusammenhängt und von ihnen abhängt – er spricht dabei von einer »numismatischen Ästhetik« (S. 196): Die erste Gestaltung in dieser Ästhetik durch Le Brun fänden sich in Vaux-le-Vicomte (v. a. im Saal der Musen), dort mit dem Ziel, höfische Gelehrsamkeit zu feiern, während Wellington der Medaillenästhetik in Versailles eine didaktischere Ausprägung zuschreibt, die die königliche Geschichte mit der Unveränderlichkeit der alten Gemmen und Medaillen parallelisiere – diese letztere Interpretation überzeugt, der Gegensatz zu Vaux-le-Vicomte hingegen (auch aufgrund der ausbleibenden Beschreibung und Analyse) bleibt bloße Behauptung (S. 201). Hervorragend ist es, wie Wellington den räumlichen Aspekt königlicher Repräsentation mit historiografischer, antiquarischer Praxis verbindet. Die Katalogisierung der Sammlung führt zu ihrer Vervollständigung, weil der König nur eine komplette, chronologisch lückenlose Sammlung besitzen und vorzeigen soll (S. 93). Die königliche magnificence bindet die Gelehrsamkeit an den Hof, sie ermöglicht (panegyrische) Geschichtsschreibung. Indem Wellington auf die räumliche Entwicklung für das Cabinet des médailles (vom Louvre über die Nähe zur königlichen Bibliothek bis nach Versailles) eingeht, wird diese enge Bindung deutlich (und hätte vielleicht noch expliziter gemacht werden können, aber das ist kleinkrämerisch). Die Gestaltung des Cabinet und seiner Einrichtungsgegenstände weist sie nicht allein als königlich, sondern als persönlich mit Ludwig XIV. verbunden aus – dies wird in Wellingtons Darstellung wunderbar (und ebenso schön illustriert) verdeutlicht, nicht zuletzt auch im Epilog, der auf die Kurzlebigkeit des Projektes und sein Ende bald nach dem Tod Ludwigs XIV. hinweist: Statt eines triumphalen Gestus könnten die Medaillen nur noch mit Nostalgie betrachtet werden, das Cabinet des médailles verfalle bereits 1723 (S. 219).

Zwei Einwände trüben das Bild: einerseits eine zuweilen unvollkommene analytische Tiefenschärfe, andererseits, dass die Behandlung der Multimedialität grundsätzlich innerhalb der Bildlichkeit bleibt. So bleibt der Zweifel, ob Wellingtons These eines material turn in der ludovizianischen Geschichtsdarstellung ihre Suggestivkraft auch dadurch gewinnen könnte, dass er das Zusammenspiel mit textuellen Elementen vernachlässigt. Analytisch hätte die These durch die Thematisierung der Zusammenhänge mit schriftlicher, historiografischer Praxis sehr viel gewinnen können und kaum an Überzeugungskraft einbüßen müssen.

Insgesamt aber sind die Darstellung und die Deutung numismatischer Historiografie und ihres Wirkens auf die Räumlichkeit der monarchischen Herrschaftsrepräsentation überzeugend. Vor allem vermittelt die detaillierte, vielseitige Behandlung der unterschiedlichen Ebenen und Orte, in denen und auf denen Bildlichkeit realisiert wird, auf instruktive Weise die Materialität von Repräsentationen: Geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der bildlichen Repräsentation monarchischer Herrschaft kann hiervon nur profitieren.

1 Diese Forschung wird grundsätzlich wahrgenommen und zitiert, zu nennen u. a.: Hendrik Ziegler, Louis XIV et ses ennemis, Image propaganda et contestation, Paris 2013 (nach dieser frz. Übersetzung zitiert); Peter Burke, The Fabrication of Louis XIV, New Haven 1992.
2 Louis Marin, Portrait of the King, Minneapolis 1988 (zitiert nach dieser engl. Übersetzung, OA 1981).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Albert Schirrmeister, Rezension von/compte rendu de: Robert Wellington, Antiquarianism and the Visual Histories of LouisXIV. Artifacts for a Future Past, London, New York (Routledge) 2015, XIV–258 p., ISBN 978-1-4724-6033-2, GBP 65,00., in: Francia-Recensio 2017/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2017.4.43390