An Sammelbänden über die Kreuzzüge mangelt es nicht, doch erschließt diese Publikation das Thema aus einer besonders interessanten, komparatistischen Perspektive. Forschende aus Europa und den USA widmen sich darin den Bezügen zwischen religiös gedeuteten Kriegen auf der Iberischen Halbinsel, dem Baltikum und dem Heiligen Land. Die Beiträge gehen teilweise auf eine Tagung zurück, die im Jahr 2007 an der Universität Aalborg (Dänemark) veranstaltet wurde, sind aber allesamt auf dem aktuellen Stand der Forschung. Nach einer Einführung der Herausgeber gliedert sich der Band in vier Themenbereiche, die der Forschungs- und Historiografiegeschichte, der Rolle des Papsttums, der Kreuzzugsidee und Transferprozessen gewidmet sind.

Als erster nimmt Jonathan Riley-Smith noch einmal wichtige Forschungsdiskussionen der letzten Jahrzehnte in den Blick, die er selbst maßgeblich geprägt hat. Er verteidigt dabei unter anderem seine dem Sammelband zugrunde liegende »pluralistische« Kreuzzugsdefinition. Auch Anti Selart spricht im folgendem Beitrag diesem Definitionsansatz größeres heuristisches Potenzial bei der Beschäftigung mit religiös-militärischen Auseinandersetzungen im mittelalterlichen Livland zu, deren neuzeitliche Historiografiegeschichte er detailliert nachzeichnet. Danach widmet sich Luis García-Guijarro Ramos dem Thema der Reconquista in der spanischen Geschichtsschreibung des 19. und 20.Jahrhunderts und wendet sich dagegen, diese der Kreuzzugsbewegung zuzuordnen, da hier das Papsttum eine weniger bedeutsame Rolle gespielt habe. Die These ist ein wenig provokant und wird im folgenden Abschnitt, der sich mit der Kurie und den Kreuzzügen befasst, bereits relativiert. Damian J. Smith arbeitet die vielfältigen Bezüge der Päpste zur Iberischen Halbinsel heraus, die nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Almohaden bedeutsam waren. Danach richtet Barbara Bombi den Blick auf das Baltikum, wo Innozenz III. zwar keinen Masterplan umsetzte, aber nach 1204 dennoch wichtige Weichen stellte, da er seine Handlungsspielräume effektiv nutzte. Ähnlich argumentiert Alan Forey, der ausführt, dass die Päpste auf der Iberischen Halbinsel hinsichtlich des Umgangs mit den Muslimen, die unter christlicher Herrschaft lebten, keine eigenständige Politik verfolgten, sondern auf Anfragen von Petenten reagierten.

Am Beginn des ideengeschichtlichen Abschnitts steht ein Plädoyer Kurt Villads Jensens, der die Einordnung Dänemarks und Portugals als randständig zurückweist, schließlich habe sich hier bald eine ähnliche, auf Jerusalem bezogene Kreuzzugsideologie etabliert wie im Zentrum Europas. Wie bedeutsam die Kreuzzugsidee in Portugal noch im Spätmittelalter war, erörtert danach Luís Adão da Fonsceca. Alan V. Murray wendet sich dem Feindbild zu, das mit der Kreuzzugsidee im Baltikum verknüpft war und insofern auf das Heilige Land verwies, als die Litauer in einigen Quellen als »Sarazenen« bezeichnet wurden. Der Beitrag von Darius von Güttner-Sporzyński befasst sich mit den Kriegen der polnischen Fürsten gegen Pomoranen und Prußen, die zunächst als göttlich sanktioniert und schließlich als Akt der Bekehrung gedeutet wurden. Die Hauschronik der Grafen von Barcelona, mit der sich Nicholas L. Paul auseinandersetzt, zeigt ihre Protagonisten zwar als siegreiche Kämpfer gegen die Muslime, verzichtet aber darauf, sie als »Kreuzfahrer« im engeren Sinne darzustellen; sie bleiben in diesem Kontext lediglich Akteure der Reconquista. Manuel Rojas Gabriel analysiert die Struktur von Berichten, die liturgische Handlungen vor militärischen Auseinandersetzungen schildern, wobei er sich auf die Schlachten bei El Salado und die – ungleich bekanntere – bei Las Navas des Tolosa konzentriert.

Der letzte Abschnitt des Sammelbands nimmt Austauschprozesse in den Blick, vornehmlich anhand von Beispielen der Architekturgeschichte, die Jerrilynn D. Dodds für die Iberische Halbinsel untersucht. Der Beitrag von Kersti Markus diskutiert das Thema anhand von Artefakten aus dem Baltikum. Marek Tamm widmet sich abschließend wieder Schriftquellen und hebt die Bedeutung von Mirakelsammlungen hervor, die in Kreisen des Zisterzienserordens kursierten und dazu beitrugen, Wissen über die livländische Mission in ganz Europa zu verbreiten.

Der Sammelband sei allen, die sich mit den Kreuzzügen befassen, zur Lektüre empfohlen. Er erschließt zwei Regionen, die in der Forschung etwas weniger behandelt werden als die Züge ins Heilige Land – nicht zuletzt wegen sprachlicher Hürden. Auch deshalb ist diese Publikation in englischer Sprache besonders zu begrüßen, die grundlegend werden dürfte für weitere komparatistische Studien über religiös gedeutete Kriegsführung und damit zusammenhängende Phänomene.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Georg Strack, Rezension von/compte rendu de: Torben K. Nielsen, Iben Fonnesberg-Schmidt (ed.), Crusading on the Edge. Ideas and Practice of Crusading in Iberia and the Baltic Region, 1100–1500, Turnhout (Brepols) 2016, XVI–409 p., 25 fig.(Outremer. Studies in the Crusades and the Latin East, 4), ISBN 978-2-503-54881-4, EUR 94,00., in: Francia-Recensio 2017/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2017.4.43428