Das Kloster Egmond in der niederländischen Provinz Holland ist Historikerinnen und Historikern vielleicht durch die Egmonder Annalen des 12.Jahrhunderts bekannt. Die für die Geschichte Hollands und der Niederlande nicht ganz unwichtige Gemeinschaft wurde bald nach 922 durch die Familie Dietrichs/Dirks I. im Kennemerland (pagus kinhem) gegründet (vgl. Karte S. 226). Es blieb im Besitz dieser Familie, der späteren Grafen von Holland, die es auch als Grablege nutzte. Hiervon zeugt die ausdrucksstarke Darstellung Graf Dirks II. und seiner Frau Hildegard als Stifter im Egmonder Evangeliar des 10.Jahrhunderts, die in dem Band leider nicht abgedruckt wurde (Den Haag, KB, ms. 761/1, fol. 214v). Im 12. Jahrhundert kam es zur Einsetzung von Vögten (laici prelati), den späteren Grafen von Egmond. Im Spätmittelalter gehörte Egmond der Bursfelder Kongregation an, bevor es im 16. Jahrhundert zerstört wurde; seit den 1930er Jahren gibt es dort wieder eine religiöse Gemeinschaft.

Kaj van Vliet hat Egmond in seinem zentralen Buch über die Klöster und Stifte im Bistum Utrecht behandelt: In kringen van kanunniken. Munsters en kapittels in het bisdom Utrecht 695–1227, Zutphen 20021. Seit 1990 erscheinen die »Egmondse Studiën«, deren fünfter und letzter Band das hier anzuzeigende Buch ist, und mehr ist über Egmond seit der hauseigenen Monografie von J. Hof (De abdij van Egmond van de aanfang tot 1573 (’s Gravenhage, Haarlem 1973) und einer archäologischen Bestandaufnahme (Erik H. P. Cordfunke [Hg.], De Abdij van Egmond. Archeologie en duizend jaar geschiedenis, Zutphen 2010) kaum veröffentlicht worden. Die fünf Bände der Studien versammeln in lockerer Folge die unterschiedlichsten Beiträge zu verschiedenen Aspekten der Klostergeschichte. Erwähnt sei der Abdruck des Bibliothekskatalogs mit über 200 Titeln durch Johan Peter Gumbert in Band 3 (1997), »In het spoor van Egbert« (S. 151–179).

Im vorliegenden und abschließenden Band sind 13 Aufsätze unter dem Titel »hortus conclusus« veröffentlicht. Der Herausgeber erläutert in der Einleitung, dass der dem Hohelied entlehnte Begriff nicht auf Keuschheit und Reinheit anspielt, sondern auf Klosterleben im geschlossenen Raum: ›hier wurde studiert, geschrieben, verwaltet, gesungen und gebetet‹ (S. 7). Unter den 13 Beiträgen sind wieder vier von J. P. Gumbert; hervorgehoben sei die ausführliche kodikologische und paläografische Analyse mit einem Bericht über die seit 1995 erfolgte Restaurierung des Egmonder Evangeliars, wohl einer der bekanntesten und schönsten niederländischen Handschriften: »Het Egmondse Evangeliarium: van ontstaan tot restauratie«, S. 17–44, Schema der Lagensituation S. 22f. In weiteren Beiträgen diskutiert Gumbert das Egmonder Chartular (Haarlem, RANH, Abdij Egmond inv. 3, um 1420) und die darin enthaltenen nichturkundlichen Texte (S. 61–70) sowie die zwei Viten des in Egmond verehrten Adalbert, wohl eines Gefährten Willibrords, und erwägt die Abhängigkeit der Egmonder Annalen von der »Vita secunda« (S. 167–171). Der Urkundenproduktion des Klosters und seiner Rolle für die Entwicklung des holländischen Urkundenwesens (S. 61–70) ist einer der Beiträge von J.W.J. Burgers gewidmet; mit den Fälschungen des 12. Jahrhunderts, die in Zusammenhang mit den Egmonder Annalen in der Forschung diskutiert wurden, beschäftigt sich ein wiederabgedruckter Aufsatz von J.W.J. Burgers und M. Mostert: »De manie overal vervalsingen te zien. Oorkondenvervalsingen in Egmond en Holland«, S. 103–123 (erstmals veröffentlicht in: Holland 35 [2003], S. 134–151). Burgers steuert weiterhin eine mustergültige Edition mit niederländischer Übersetzung der »Breviculi« des Klosters bei, die einmal mehr die Verbundenheit mit der Grafenfamilie zeigen (»De ›Breviculi Egmundenses‹. Inleiding, editie en vertaling«, S. 172–218). Bei diesem aus dem 16. und 17.Jahrhundert überlieferten interessanten Text handelt es sich um chronikartige Einträge mit Epitaphien zu den Grafen von Holland, die in zwei Teilen verfasst wurden: ein erster Teil von der Zeit Dirks I. bis zu der Dirks VI. aus dem späteren 12.Jahrhundert, ein zweiter Teil aus dem 14.Jahrhundert ergänzt die Zeit Dirks VII. († 1203). Der Umfang der »Breviculi« beträgt in der Leeuwardener Abschrift (Leeuwarden, Tresoar, 9056 N hs, S. 91–11, 17.Jh.) 19 Folioseiten. Weitere Beiträge handeln von Grundbesitz und Kirchbezirk des Klosters im hohen und späten Mittelalter (J. P.Gumbert, »De keurmedigen van Rinnegom«, S. 45–60; E. H. P. Cordfunke, »Het kerkenbezirk van de abdij van Egmond in de 12de eeuw«, S. 145–165); von der musikalischen Tradition (I. de Loos, »En tóch konden ze zingen in Egmond«, S. 125–144); von der »Reform der Abtei Egmond und dem Anschluss an die Bursfelder Bendiktinerkongregation« (E. U. Hammer, S. 247–294) oder von zwei herausragenden Gestalten im Spätmittelalter, nämlich dem in Zusammenhang mit dem Chartular in Erscheinung getretenen Abt Arnold Willemsz. (H. E. van Engen, S. 219–246) und Erasmus von Rotterdam (J. van Herwaarden, S. 295–320). Den Abschluss bildet eine Überlegung zur heutigen Aussagekraft der »Vita Adalberti« (K. V. Q. Vintges, S. 321–329).

Dieser »hortus conclusus« bietet, insbesondere mit der Rückschau haltenden Einleitung, eine umfassende Orientierung zur Egmonder Geschichtsschreibung und der von einigen »jonge wilden« (S. 8) betriebenen Emanzipierung von der klösterlichen Selbstwahrnehmung. Die vorangegangenen vier Bände sind über einen Index aller in Bd. 1–5 erschienenen Beiträge erschließbar (S. 330f.); ein weiteres Register listet Orts-, Personen- und Werknamen auf (S. 332–336). Die Qualität der Abbildungen wie auch der Beiträge ist nicht immer gleichbleibend, aber es ist dem Herausgeber und dem engagierten Verlag für die nun abgeschlossene kleine Schriftenreihe zu danken, die den Platz einer modernen Kriterien genügenden Gesamtdarstellung der Klostergeschichte nach Kräften ausfüllt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jens Schneider, Rezension von/compte rendu de: Georgius Norbertus Maria Vis (ed.), Het klooster Egmond: hortus conclusus, Hilversum (Uitgeverij Verloren) 2008, 336 S., Kt., Notenbeisp. (Egmondse Studiën, 5), ISBN 978-90-8704-025-3, EUR 39,00., in: Francia-Recensio 2017/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2017.4.43436