Die Göttinger Habilitationsschrift nähert sich dem Verhältnis von Regnum und Sacerdotium aus patrozinienkundlicher Perspektive. Da sich sowohl das Papsttum als auch die salischen Herrscher auf Petrus berufen hätten, seien – so die These – jene Institutionen, die den Apostelfürsten als Hauptpatron führten, zu einer Stellungnahme zwischen beiden Seiten gezwungen gewesen. Diese Positionierung lasse sich vor allem an der Präsentation Petri und seiner Nebenheiligen in liturgischen, hagiographischen und historiographischen Schriften erkennen (S. 21). Als Untersuchungsgebiet wurde Sachsen gewählt, da hier »weder Regnum noch Sacerdotium von vornherein als dominant« (S. 16) erscheinen. Der Blick wird dabei vorrangig auf die Petrus-Kathedralen der Bischofssitze von Bremen, Minden, Osnabrück und Naumburg-Zeitz und die in deren Umfeld entstandenen Texte gerichtet.

In einem ersten Abschnitt (S. 31–98) werden die Grundlagen der Petrusverehrung, die Bedeutung des Apostelfürsten für das Papsttum sowie die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt, auch außerhalb Roms eine Verbindung zu ihm herzustellen. Neben Papst und Herrscher hätten auch »Städte und Verbände, Gruppen und Einzelpersonen, Männer und Frauen« (S. 90) sich mit verschiedenen Intentionen auf Petrus bezogen, wie Bölling an Beispielen und Entwicklungen von Früh- bis Spätmittelalter aufzeigt. Nicht nur über seine Reliquien – für die der Verfasser an mehreren Stellen die Kapelle Sancta sanctorum als Bezugsort annimmt – habe der Apostelfürst über Rom hinaus gewirkt, sondern auch durch seine Präsenz in historiographischen, hagiographischen und liturgischen Texten. Eben jene Texte, in denen Petrus während des Investiturstreits »eine ganz neue Bedeutung« (S. 79) erhalten habe, stehen im Zentrum der Arbeit.

Zunächst werden die Hintergründe der sächsischen Petrus-Patrozinien der Bischofssitze aufgezeigt (S. 99–138). In Minden, Osnabrück und Bremen gehe die Wahl des Hauptpatrons auf die Verbindung zu Köln zurück, in Zeitz sei es bei der Gründung des Bistums von einer bestehenden Kirche auf die Kathedrale übergegangen. Petrus fungierte in all diesen Institutionen durchgängig als Hauptpatron, wie sich an verschiedenen Quellengattungen erkennen lasse. Die Intensität seiner Verehrung konnte variieren, sodass er zeitweise auch gegenüber Nebenheiligen zurücktrat. Auch andere sächsische Institutionen mit dem Hauptpatron Petrus werden von Bölling aufgelistet, der Fokus liegt jedoch auf den genannten Bischofskirchen.

Den eigentlichen Kern der Arbeit bildet die Untersuchung der liturgischen, hagiographischen und historiographischen Texte (S. 139–306). Dabei wird nicht nur die Bedeutung Petri, sondern vielmehr die generellen Erkenntnismöglichkeiten der Texte herausgearbeitet. Da diesen häufig »weniger über die lokale Bedeutung des Apostelfürsten« selbst, »als über die Rolle der jeweiligen Nebenpatronate« (S. 255) zu entnehmen sei, werden diese konsequenterweise detailliert in die Untersuchung einbezogen. Einige wichtige Beobachtungen Böllings für die vier sächsischen Kathedralen sollen im Folgenden skizziert werden.

In Bremen findet Petrus durch die Nebenheiligen Cosmas und Damian, deren Verehrung über die Liturgie nach Bremen gelangt sei, Ergänzung. Petrus, in Bremen vor allem als Fels und Fischer präsent, verweise auf Rom, die Nebenheiligen ergänzen ihn um eine kosmopolitische Komponente. Durch die Verehrung der Ortsbischöfe werde zusätzlich die lokale Tradition betont. Der vermeintlich erste Bischof Willehad sei im 11. Jahrhundert sogar zum heimlichen Hauptpatron mit eigenem Offizium avanciert. An den Evangelienbüchern des 11. Jahrhunderts lasse sich eine Bindung an das »salische Kaiserhaus« (S. 148) erkennen, während die ungefähr zeitgleich entstandenen Messbücher erste Reformimpulse aufwiesen. Der nur spätmittelalterlich bezeugte Brauch eines Diakons, der während der Weihnachtsliturgie den angeblichen Mantel Karls des Großen trug, kann jedoch nicht als Beleg für die Einheit zwischen Regnum und Sacerdotium in der Salierzeit gelten, wie Bölling S. 307 vermutet. Die Vielfalt der Bezüge lässt scheinbar keine Rückschlüsse auf eine Positionierung während des Investiturstreits zu.

Die Mindener Überlieferung bietet für die Untersuchung das ergiebigste Material. Ausführlich wird die Genese und Entwicklung des Gorgoniuskults dargelegt, der als Nebenpatron zeitweise die gleiche Bedeutung wie der Hauptpatron erlangte. Überzeugend legt Bölling dar, dass Gorgonius nicht aus der lothringischen Abtei Gorze nach Minden gelangte, vielmehr handelte es sich zunächst um zwei verschiedene Heilige gleichen Namens. Unter Bischof Milo entstandene hagiographische Schriften hätten dann zu einer Verschmelzung beider zu einem Heiligen geführt. Erst in diesem Kontext hätte sich eine Verbindung zwischen beiden Institutionen etabliert. Die von Bischof Sigward gestifteten Schriften zeigten eine Einheit von Regnum und Sacerdotium auf, die sich an der Einbindung des Herrschers in die »Kaiserliturgie« (S. 179) erkennen lasse. Der Hauptpatron erfährt während des Investiturstreits durch Egilbert eine Aufwertung, die in einem exklusiven Bezug zum Apostelfürsten gipfele. Der Bischof stellte sich nicht nur »ohne Berücksichtigung der römisch-petrinischen Tradition« (S. 122) in die Nachfolge Petri, sondern sprach diesem auch die dem weltlichen Herrscher vorbehaltene potestas (S. 121) zu. Petrus erschien so in Minden während des Investiturstreits als geistlicher und weltlicher Fürst – vertreten durch den Ortsbischof.

Für Osnabrück lasse sich aus den Texten eine vermittelnde Haltung im Investiturstreit erkennen. Die Etablierung der Nebenheiligen Crispin und Crispinian wurde in dieser Zeit auf Karl den Großen zurückgeführt. Die daran zu erkennende Verbindung von Regnum und Sacerdotium wurde durch die Verehrung ihrer Reliquien in der Krypta regelmäßig aktualisiert. Ob die Krypta in eine Prozession einbezogen war, wie Bölling analog zu Paderborn annimmt (S. 225ff.), ist nicht zu beweisen. Die von Benno II. betriebene Förderung des Clemenskults zeuge ebenfalls von dieser Haltung. Dieser verweise nicht nur auf Clemens I., der als »entscheidende Stütze der päpstlichen Nachfolge des heiligen Petrus« (S. 296) gelte, sondern auch auf die von Heinrich III. bzw. Heinrich IV. eingesetzten Clemens II. und Clemens III. Vor allem durch seine Nebenheiligen sei Petrus so zum »buchstäblichen pontifex« geworden, »der römische Sukzession und Ortskirche, Regnum und Sacerdotium überbrückend verbinden sollte« (S. 315).

Das Doppelpatrozinium Petrus-Paulus hebt Naumburg-Zeitz von den übrigen Kathedralen ab. In Anbetracht der prominenten Hauptpatrone blieb Nebenheiligen wohl kaum die Möglichkeit, Bedeutung zu erlangen. Die ungünstige Überlieferungslage erlaubt hier keine weiteren Schlüsse. Ob, wie Bölling annimmt, bereits in der Salierzeit Heilige verehrt wurden, die sich in einem spätmittelalterlichen Festkalender finden (S. 238), ist nicht zu belegen. Für Walram, der als einziger Naumburger Bischof untersucht wird, war vor allem Paulus entscheidend. Nutzte er als Anhänger Heinrichs IV. Paulus-Zitate, um die Legitimität der Herrschaft des Saliers zu belegen, erlebte er mit dem Übergang auf die päpstliche Seite seine eigene Wandlung vom Saulus zum Paulus, die die Bindung an den Apostel stärkte. In den Wunderberichten des hl. Leonhard, die Walram abschreiben ließ, scheinen die auf Petrus und Paulus verweisenden Kettenwunder für den Bischof zentral gewesen zu sein.

Die Ergebnisse der Arbeit sind zunächst für die untersuchten Institutionen wichtig. Es gelingt Bölling, die Genese der Heiligenkulte ebenso nachzuzeichnen wie die lokale Verehrungspraxis und deren Niederschlag in den Texten. In diesen wird die Bedeutung der Heiligen für die jeweilige Kirche deutlich, zumal im Investiturstreit. Über diese Beobachtungen hinaus liegt das Verdienst der Arbeit darin, aufzuzeigen, dass die Patrozinienforschung nicht nur für »Kirchenbau und Altaranordnung, für Reliquien und Bilder, überhaupt für mittelalterliche Ritualität und Liturgie«1 Erkenntnisse zu liefern vermag. Die von Bölling hinsichtlich der Positionierung zwischen Regnum und Sacerdotium untersuchten Texte zeigen dies zumindest zum Teil. Ob sich indes aus den teils punktuellen Beobachtungen weitreichende Schlüsse ziehen lassen, gilt es in weiteren Forschungen und unter verstärkter Berücksichtigung des historischen Kontextes zu prüfen. Die von Bölling herangezogenen Texte waren für die Kirchen selbst bestimmt, zeugen daher vor allem von einer Selbstvergewisserung. Daran anschließend ist zu fragen, ob die Positionierung durch die Heiligen auch nach außen getragen wurde. Zu denken ist hier an Altar- und Kirchweihen außerhalb der eigenen Diözese ebenso wie an die Nennung der Heiligen in Diplomen, die – wie Helmut Beumann am Beispiel Halberstadt zeigte2 – eine Positionierung erkennen lassen. Die Arbeit Böllings, der ein nochmaliges Lektorat vor der Drucklegung zugutegekommen wäre, kann und sollte für weitere Forschungen Grundlage und Anstoß sein.

1 Arnold Angenendt, In Honore Salvatoris. Vom Sinn und Unsinn der Patrozinienkunde, in: ders., Die Gegenwart von Heiligen und Reliquien. Eingeleitet und herausgegeben von Hubertus Lutterbach, Münster 2010, S. 259.
2 Helmut Beumann, Die Auctoritas des Papstes und der Apostelfürsten in Urkunden der Bischöfe von Halberstadt. Vom Wandel des bischöflichen Amtsverständnisses in der späten Salierzeit, in: Stefan Weinfurter (Hg.), Die Salier und das Reich, Bd. 2: Die Reichskirche in der Salierzeit, Sigmaringen 1992, S. 333–354.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Michael Belitz, Rezension von/compte rendu de: Jörg Bölling, Zwischen Regnum und Sacerdotium. Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024–1125), Ostfildern (Jan Thorbecke Verlag) 2017, 453 S. (Mittelalter-Forschungen, 52), ISBN 978-3-7995-4372-9, EUR 52,00., in: Francia-Recensio 2018/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45543