Dem von 1008 bis 1048 amtierenden Abt Bern von Reichenau hat Dieter Blume vor zehn Jahren eine Monografie gewidmet, die nicht nur Berns Leben und Werke behandelt, sondern auch den Text von dessen breit rezipierter »Vita S. Uodalrici« im Original und auf Deutsch darbietet. Benedikt Marxreiter ist nun gleichsam in Blumes Fußstapfen getreten und hat die MGH-Begleitreihe »Studien und Texte« mit der Edition und deutschen Übersetzung eines weiteren Opus des hochgelehrten Benediktiners bereichert. Darin setzte sich dieser ausführlich mit dem brisanten Thema der schwarzen Magie auseinander.

Der Traktat »De nigromantia seu divinatione daemonum contemnenda« hatte ursprünglich schon von dem 1980 verstorbenen Arno Duch, dann jedoch – nach der Ermittlung der von Duch nicht preisgegebenen Provenienz seiner Vorlage – von Helmut Zäh ediert werden sollen, der an einem Forschungsprojekt zu Konrad Peutinger beteiligt war. Dessen enorme Humanistenbibliothek enthielt auch einen um 1513 angefertigten Textzeugen von Berns Elaborat über die Nigromantie als Teil eines Sammelkodex, der heute in der British Library in London (MS Harl. 3668) aufbewahrt wird. Dieter Blume wies seinerzeit ausdrücklich auf das Editionsvorhaben von Zäh hin; letzterer hat es indes bereitwillig an Benedikt Marxreiter abgetreten.

Weitere späte Abschriften des Werks scheinen ebenso wenig auf uns gekommen zu sein wie die drei Exemplare aus dem 11. Jahrhundert, die für Berns Freund, den mutmaßlichen Magdeburger Domscholaster Meginfred, den Trierer Erzbischof Poppo und – im Rahmen einer »Werkausgabe« – Kaiser Heinrich III. bestimmt waren. Die Widmungsbriefe an Poppo und Meginfred sind von Marxreiter gleichfalls ediert worden.

Im ersten Teil dieser Neuerscheinung wird über den Verfasser von »De nigromantia«, die Überlieferungs- und Forschungsgeschichte, die Rezeption durch die Magdeburger Centuriatoren im 16. Jahrhundert sowie über Titel, Inhalt, Aufbau, Entstehungszeit und -hintergrund, zugrunde liegende Quellen und die Textgestalt informiert (S. 1–55). Die den zweiten Teil bildende Edition mit parallel gedruckter Übertragung ins Deutsche (S. 58–121) lässt keine großen Mängel erkennen. Allerdings fragt man sich, aus welchem Grund »Kirie eleison« nicht mit »Herr, erbarme Dich!«, sondern mit »Erbarme Dich unser!« wiedergegeben wird (S. 112f.) und warum z. B. eine sinnwidrige Übersetzung von »nam« am Satzanfang mit »Denn« (S. 58f.) niemandem aufgefallen ist.

Im dritten Teil ordnet Marxreiter in Form einer »Begleitstudie« Berns Nigromantie-Gutachten durch einen Vergleich mit den Anschauungen »früherer [kirchlicher] Magiekritiker« in ihren diskursiven Kontext ein und fragt nach eventuellen neuen »Ideen und Argumenten« des Abtes. Wenn er in diesem Zusammenhang ankündigt, methodologisch »konkret von den Thesen Berns auszugehen« (S. 123), erscheint dies nicht nur im merkelschen Sinne als alternativlos. Da wenige Zeilen später die »Sichtweise Berns« als »dezidiert mittelalterlich« charakterisiert wird, ahnt auch der auf dem Terrain der Magiekritik wenig bewanderte Leser bereits, dass es mit neuem Gedankengut Berns wohl nicht weit her war. Dem konnte auch kaum anders sein, handelt es sich bei seinen Darlegungen doch im Wesentlichen »um eine mosaikartige Zitatensammlung patristischer und frühmittelalterlicher Werke« (S. 41).

Das Corpus der für den Vergleich herangezogenen Quellen setzt sich zusammen aus sechs Schriften, »die sich explizit und hauptsächlich mit Magie aus theologisch-gelehrter Sicht befassen« (S. 124), dabei jedoch unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen. Sie stammen von Hrabanus Maurus, Agobard von Lyon, Hinkmar von Reims sowie Ælfric von Eynsham und werden auf S. 124–141 ausführlich vorgestellt, bevor es zur eigentlichen Gegenüberstellung kommt. Als Fazit (S. 162) hat sich ergeben, dass Bern in seinem Gutachten über Dämonologie und Astrologie zwar etwas mehr zu sagen wusste als die anderen »Experten«, aber – wie erwartet – »keine innovativen Ideen oder originellen Argumente« bei ihm zu finden sind, sodass denn auch »De nigromantia« »wie die meisten anderen der hier behandelten Schriften im Mittelalter so gut wie unbekannt blieb«.

Angesichts des schmalen Umfangs dieser Münchener Dissertation und in Anbetracht von drei Gutachtern fallen nicht nur mehrere Dutzend Kommafehler, sondern auch etliche weitere Schnitzer etwas unangenehm auf: »Afd« statt »AfD« (S. IX); »Vulgatem« statt »Vulgatam« (S. XIV; 54, 232; 62, 18); »Immonem« statt »Ymmonem«, »Pruniam« statt »Prumiam«, »exsilioque« statt »exilioque« und »perhibit« statt »pertulit« (S. 2, 13); »demnach« statt »nach dem« (S. 3, 14); »den« anstatt »das« Briefcorpus (S. 4, 22); »Domscholster« (S. 5, 28); Verwechslung von Geburts- und Weihejahr Erzbischof Poppos (S. 13); »divinatione« statt »divinationem« (S. 22, 108); »Bedenken an« statt »Bedenken gegen« (S. 34); »Elisabeth« statt »Elsbeth« Andre (S. 34, 150); falscher Punkt nach »dedecus« (S. 38, 169); bei den S. 38 erwähnten »Stiefeln« handelte es sich um Pontifikalstrümpfe; »Rudolf Glaber« statt »Rodulf« bzw. »Rodulfus Glaber« (S. 40; 176, 173); »Ute-Renate« statt »Uta-Renate« Blumenthal (S. 42, 184); »der« statt »die« pars (S. 48, 209); »und und« (S. 55, 237); falsches Geburtsjahr »774« Karls des Großen (S. 60, 12); »Gegenstand, das« statt »Gegenstand, der« (S. 85); Dopplung von »sich« (S. 103); »redendenden« (S. 118, 184); Kritik »in seiner« statt »in ihrer« Entwicklung (S. 123); Hintergründe, »unter denen« statt »vor denen« (S. 125); »falsis dies« statt »falsis diis« (S. 134, 40); »aute« statt »autem« (S. 157, 121).

Durchaus verzichtbar scheinen im Übrigen in einem wissenschaftlichen Werk Hinweise in den Anmerkungen wie der, dass Weihnachten am 25.12. gefeiert wird, Mittfasten und Aschermittwoch jedoch bewegliche Feiertage sind (S. 136, 48), oder: »zu Noah und der Flut vgl. Gen. 5–9« (S. 149, 90) sowie Belehrungen, wonach Sokrates, Plato und Pythagoras antike griechische Philosophen gewesen seien, mit erhärtenden Verweisen auf Lexikonartikel (S. 66, 29f.; 87, 75). Auch ist das Buch nicht frei von Redundanzen.

Aus meiner Sicht mit am spannendsten ist Marxreiters Diskussion der Frage, auf welche Ketzereien, die sich – wie Bern in seinem Brief an Erzbischof Poppo schrieb – »vor einigen Jahren« von Italien bis nach Lothringen ausgebreitet hätten, angespielt worden sein könnte. Verwiesen wird hier mit guten Gründen auf die Verbrennung angeblich häretischer Kleriker in Orléans im Jahr 1022 als Zwischenstation, auch wenn dies letztlich spekulativ bleiben muss (S. 36–41).

Beschlossen wird der Band von einer Auflistung der erwähnten Handschriften und Bibelstellen sowie der berücksichtigten Quellenabschnitte sowie einem Orts-, Sach- und Personenregister. Ein siebeneinhalbseitiges Quellen- und Literaturverzeichnis findet man hingegen am Anfang.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Gerd Mentgen, Rezension von/compte rendu de: Benedikt Marxreiter, Bern von Reichenau: De nigromantia seu divinatione daemonum contemnenda. Edition und Untersuchung, Wiesbaden (Harrassowitz Verlag) 2016, XVIII–174 S. (Monumenta Germaniae Historica. Studien und Texte, 61), ISBN 978-3-447-10747-1, EUR 35,00., in: Francia-Recensio 2018/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45562