Maria Ågren leitet seit Jahr 2010 an der Universität Uppsala ein großangelegtes Forschungsprojekt zum Thema »Gender and Work«1. Im ersten Teil (2010–2014) des in zwei Phasen unterteilten Projekts wurde erforscht, wie Männer und Frauen in Schweden zwischen 1550 und 1800 ihren Lebensunterhalt verdienten. Die zweite Projektphase (seit 2014) beschäftigt sich mit der Frage, wie sich diese Bedingungen im 18. und 19. Jahrhundert änderten. Die Resultate der ersten Projektphase liegen nun in Form des im Folgenden besprochenen Sammelbandes vor.

Zunächst muss angemerkt werden, dass der Untertitel des Sammelbandes irreführend ist, da sich die Aufsätze, dem Forschungsprojekt entsprechend, nicht mit europäischen, sondern ausschließlich mit schwedischen Beispielen und Gegebenheiten auseinandersetzen. Diese werden allerdings im einführenden und im abschließenden Kapitel in einen weiteren – vor allem englischen – historiografischen Kontext gestellt. Trotz des geografischen Fokus auf Schweden sind die Funde auch für Gender- und Arbeitshistoriker mit Forschungsschwerpunkten außerhalb Skandinaviens von großem Interesse, zeigen sie doch, dass das nach wie vor weitverbreitete historiografische Narrativ, welches eine wachsende Marginalisierung von Frauen in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Arbeitswirtschaft suggeriert, so nicht zu aufrecht zu erhalten ist.

Im Rahmen des Projekts haben die Forschenden um Maria Ågren die so genannte »verb-oriented method« (S. 3) entwickelt. Da Berufsbezeichnungen in vormodernen Textquellen höchstens einen Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten greifbar machen, konzentrieren sich die Forschenden auf Begriffe, die Tätigkeiten beschreiben (also Verben), um derart ein umfassenderes Bild der diversen wirtschaftlichen Aktivitäten von Männern und Frauen im frühneuzeitlichen Schweden erstellen zu können. Basierend auf einem Datensatz aus 16 182 »verb phrases«, (S. 14), die aus vier Kategorien von Quellen gewonnen wurden, nämlich Gerichtsakten, Rechnungsbüchern, Petitionen und Tagebüchern, entsteht so ein facettenreiches Bild frühneuzeitlicher wirtschaftlicher Aktivitäten, in welchen sowohl Frauen als auch Männern zentrale, interdependente Rollen zukamen.

Der Band ist unterteilt in sieben thematische sowie jeweils ein einleitendes und ein resümierendes Kapitel. Jonas Lindström, Rosemarie Fiebranz und Göran Rydén setzen sich im ersten Kapitel (»The Diversity of Work«) u. a. mit dem Problem der Sichtbarmachung der multiple employments (S. 34–52), die von einer Person ausgeführt wurden, auseinander. In diesem Kapitel findet sich auch ein nach Geschlecht aufgeteilter Überblick über die verschiedenen Kategorien von Arbeit, die man typischerweise im frühneuzeitlichen Schweden finden konnte (S. 30–32). Kapitel 2, »Working Together«(Dag Lindström, Rosemarie Fiebranz, Jonas Lindström, Jan Mispelaere, Göran RydénSophia ), diskutiert die analytischen Kategorien ‚Haus’ und ‚Haushalt’ und deren (historiografische) Grenzen (S. 59–60). Die Autoren argumentieren, dass man für eine bessere Erforschung von Arbeitspraktiken frühneuzeitliche Haushalte als offene und flexible Netzwerke anstelle geschlossener Einheiten behandeln solle (S. 68–74).

Kapitel 3, »Marriage and Work: Intertwined Sources of Agency and Authority« (Sofia Ling, Karin Hassan Jansson, Marie Lennersand, Christopher Pihl, Maria Ågren), beschäftigt sich mit der Frage nach Geschlechterrollen und Aufgabenverteilung. Die Verfasser zeigen, dass das «two-supporter model« die Norm (S. 81–88) und die Ehe mit der gegenseitigen Abhängigkeit von Mann und Frau die Basis der frühneuzeitlichen Gesellschaft war. Kapitel 4, »Less than Ideal? Making a Living before and outside Marriage« (Hanna Östholm, Cristina Prytz), vertieft die Themen aus Kapitel 3 und zeigt auf, dass die Ehe beiden Partnern wirtschaftliche Möglichkeiten bot, die unverheirateten Menschen beiderlei Geschlechts verwehrt waren. Kapitel 5, »Constitutive Tasks: Performance of Hierarchy and Identity« (Karin Hassan Jansson, Roemarie Fiebranz, Ann-Kathrin Östman) fragt nach »pattern of differences« (S. 128) und sameness (S. 151ff.) und argumentiert, dass unterschiedliche, bzw. gleiche Arbeitspraktiken zu einer (hierarchischen) Differenzierung oder eben Gleichheit zwischen den Geschlechtern führten.

Die letzten beiden Kapitel, »The Dark Side oft he Ubiquity of Work: Vulnerabiltiy and Destitution among the Elderly« (Erik Lindberg, Benny Jacobsson, Sofia Ling) und »Gender, Work, and the Fiscal-Military State« (Marie Lennersand, Jan Mispelaere, Christopher Pihl, Marie Ågren) diskutieren Wandlungsprozesse und ihre Auswirkungen. Im Zentrum der Betrachtung stehen hierbei die wachsende Bedeutung von Handel und sozialer Differenzierung sowie die frühneuzeitliche Staatenbildung. Letztere brachte insbesondere für Männer neue Arbeitsmöglichkeiten für die Krone mit sich. Dies änderte aber das »two-supporter model« nicht, welches auch im sich entwickelnden schwedischen Staat des späten 17. Jahrhunderts weiterhin von zentraler Bedeutung und entsprechend omnipräsent war (S. 200–201). In einem resümierenden Kapitel, evaluiert Ågren die Funde zusammenfassend und kommt zu dem Schluss, dass es kaum Arbeiten gab, die nur von Frauen oder nur von Männern ausgeübt wurden, was aber geschlechterspezifischen Unterschiede keineswegs ausschließt (S. 208–210).

Der vorliegende Band leistet einen wichtigen Beitrag zur historiografischen Re-Evaluierung der wirtschaftlichen Rollen und Aufgaben von Frauen und Männern in der europäischen Vormoderne, die sehr viel differenzierter und nuancierter waren, als vor allem in Teilen der anglophonen Historiografie der 1990er und 2000er postuliert wurde. Allerdings gilt hier anzumerken, dass viele Erkenntnisse, zu welchen Ågren et al. gelangen, für das späte Mittelalter bereits vor über dreißig Jahren von Barbara Hanawalt festgehalten wurden . Hanawalt, aber auch andere Autoren, die sich mit der wirtschaftlichen Agency städtischer Frauen des Spätmittelalters beschäftigen, wie z. B. Sharon Farmer, fehlen in der umfangreichen Bibliografie. Letztere berücksichtigt aus dem englischen Sprachraum vor allem Autoren, die von einer Marginalisierung weiblicher Arbeitskraft und Agency ausgehen, wie Judith M. Bennett und Martha C. Howell. Diese Einseitigkeit überrascht bei einem ansonsten ausgewogenen und differenziert argumentierenden Band und hinterlässt mitunter den Beigeschmack von rhetorischen Strohmann-Argumenten zum Zwecke einer glatteren, sich abgrenzenden Argumentation. Diese nur kleine Kritik nimmt »Making a Living, Making a Difference« jedoch nichts von seiner zweifellos großen Relevanz für Geschlechter- und Arbeitshistoriker Schwedens und Europas in der Frühen Neuzeit.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Annalena Müller: Maria Ågren (ed.), Making a Living, Making a Difference. Gender and Work in Early Modern European Society, New York, NY (Oxford University Press) 2017, XI–258 p., b/w. fig.& tab, ISBN 978-0-19-024062-2, USD 26,49., in: Francia-Recensio 2018/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45704