Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit? Der Titel mag bei einem Gesamtumfang von nur 128 Seiten auf den ersten Blick etwas verwundern, die eigentliche Thematik des Büchleins ist jedoch deutlich enger gefasst, was bereits bei Lektüre des Klappentextes deutlich wird. Der Autor fragt »nach den Gründen für den Aufstieg Europas und beschreibt die Entstehung und die Integration der Weltwirtschaft in der Frühen Neuzeit«. Die Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts wird lediglich in Form kurzer Ausblicke thematisiert.

Sieht man einmal von dem etwas zu voluminös geratenen Titel ab – bei der Wahl mögen verkaufsstrategische Gründe eine Rolle gespielt haben – legt Christian Kleinschmidt eine gut geschriebene Darstellung auf dem Stand der aktuellen Forschung vor, die auch Studierende, die nicht unbedingt die Wirtschaftsgeschichte zu ihrem Studienschwerpunkt erhoben haben, in eine komplexe Thematik einzuführen versteht.

Sehr gelungen ist der, das Interesse des Lesers weckende Einstieg. Am Beispiel des Handelsproduktes Pfeffer exemplifiziert der Autor zunächst diejenigen Prozesse, die sich für die Entwicklung während der Frühen Neuzeit als entscheidend herausstellen sollten.

Dabei geht es ihm primär »um das Zusammenwachsen unterschiedlicher Wirtschaftsräume zu einer Weltwirtschaft, um Mechanismen der Verflechtung, der Integration und Interaktion, wobei auch nach Expansion und Durchdringung sowie nach Dominanz und Abhängigkeit gefragt wird«.

Um den einer spezifischen historischen Konstellation zu verdankenden Aufstieg Europas und die von diesem Kontinent ausgehende Entstehung und Integration einer frühneuzeitlichen Weltwirtschaft zu erfassen, werden fünf zentrale Faktoren(-bündel) in den Blick genommen: (1) die Bevölkerungsentwicklung, insbesondere die (Zwangs-) Migrationen zwischen großen Wirtschaftsräumen (2) Ideen, Weltanschauungen und kulturelle Einrichtungen, die den Handel und wirtschaftlichen Austausch förderten oder hemmten; (3) der Austausch von Wissen und Technologie mit Blick auf Wirtschaftskontakte und Transporttechnologie; (4) die Rolle von Politik und Gewalt; (5) die Rolle von Institutionen für Handel, Recht und Märkte:

(1) In den (Zwangs-) Migrationsbewegungen von Arbeitskräften, Siedlern und Kaufleuten sieht Kleinschmidt eine wichtige Ursache für wirtschaftliche Dynamik auf Arbeitsmärkten sowie für Ideen- und Technologieaustausch. Der Handel mit Sklaven aus Afrika begründete die europäische Plantagenwirtschaft auf dem amerikanischen Kontinent als Teil des so genannten »atlantischen Dreiecks«, europäische Siedler ließen sich in den Kolonien nieder; Reisen, Stützpunkte und Netzwerke von Kaufleuten wirkten als Katalysatoren für den Wirtschafts- und Technologieaustausch.

(2) Das europäische Expansionsstreben »gepaart mit europäischer Neu-Gier« war geprägt durch hohe Risikobereitschaft und – so Kleinschmidt – zugleich Ausdruck einer »Kultur der Offenheit« und führte im Zeitalter der Aufklärung in Europa zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit dem ›Eigenen‹ und dem ›Fremden‹, was zu einer zunehmenden europäischen Dominanz beitrug.

(3/4) Die weltwirtschaftliche Integration sieht Kleinschmidt weiterhin befördert durch eine spezifisch europäische Kombination aus »Geist und Gewalt«, d. h. Innovationen, technisches Wissen sowie Techniktransfers waren gekoppelt mit einem hohen Maß an Aggressivität und Gewaltanwendung.

(5) Unterstützend auf den Prozess einer beginnenden weltwirtschaftlichen Integration wirkten außerdem institutionelle Innovationen. Die Staatsbildung im Europa der Frühen Neuzeit mit der damit verbundenen Handelspolitik des Merkantilismus in ihren verschiedenen Ausprägungen führte beispielsweise zur Bildung von Handelskompanien, die aus privatwirtschaftlicher Initiative staatlich abgesicherten Interkontinentalhandel betrieben.

Ein zusammenfassendes Fazit, ein Verzeichnis der wichtigsten Literatur sowie ein Orts- und Sachregister runden die Darstellung ab. Eine Grafik zum atlantischen Dreieckshandel sowie eine Weltkarte, auf der die globalen Silberströme zwischen 1650 und 1750 dargestellt sind (jeweils auf den Innenseiten des Umschlags), werden durch weitere Grafiken im Text ergänzt und visualisieren zentrale Fakten.

Kleinschmidts Befunden zur beginnenden globalen Wirtschaftsintegration der Frühen Neuzeit ist grundsätzlich zuzustimmen. Er räumt ausdrücklich ein, dass es hierbei noch nicht um »Globalisierung im Sinne einer internationalen Integration von Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkten, vorangetrieben durch neue Technologien auf dem Gebiet der Kommunikation, der Information und des Transportwesens mit dem Effekt weltweiter Konvergenzprozesse« gehandelt hat, sondern möchte die von ihm thematisierte Entstehungsphase der Weltwirtschaft im Sinne einer »Proto-Globalisierung« verstanden wissen. In diesem Kontext stellt sich dann allerdings die Frage, ob der Begriff »Weltwirtschaft« nicht – wie bereits von der älteren Forschung postuliert – der Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts vorbehalten bleiben sollte, obwohl, wie Kleinschmidt richtigerweise anführt, bereits in der Frühen Neuzeit durch Märkte integrierte arbeitsteilige Strukturen vorhanden waren, wenngleich in sehr begrenztem Umfang.

Dies soll allerdings den hohen Wert des Bändchens nicht schmälern, dem eine weite Verbreitung zu wünschen ist, da es vorzüglich geeignet ist, bei Studierenden der Geschichtswissenschaft Interesse für wirtschaftshistorische Fragestellungen zu wecken und zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik anzuregen

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Cornelius Neutsch: Christian Kleinschmidt, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit. Die Weltwirtschaft 1500–1850, München (C. H. Beck) 2017, 128 S., zahlr. Abb. (C. H. Beck Wissen, 2869), ISBN 978-3-406-70800-8, EUR 8,95., in: Francia-Recensio 2018/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45721