Der Konkurs, der uns heute als Synonym für Insolvenz dient, war spätestens seit dem 17. Jahrhundert »wichtigstes Institut zur Vollstreckung in das Vermögen eines zahlungsunfähigen Schuldners« (S. 11). Christian O. Schmitt legt mit seiner rechtshistorischen Dissertation eine Studie vor, die sich mit Norm und Praxis der Konkursverfahren am Reichskammergericht beschäftigt. Letzteres konnte im Konkursfall allerdings nur zweitinstanzlich wirken, weshalb der Autor entschied, um das Zusammenspiel untergerichtlicher und obergerichtlicher Verfahren beleuchten zu können, sich auf die am Reichskammergericht verhandelten Fälle aus dem Gerichtssprengel Frankfurt zu konzentrieren. Schmitt untersucht dabei insbesondere, welches Recht für die Konkursverfahren relevant war oder von den am Konkursverfahren beteiligten Personen aufgegriffen wurde.

»Säuberlich banquerott gemachet« stellt jedoch nicht nur institutionelle und rezeptionsgeschichtliche Fragen, sondern adressiert auch prozessuale Aspekte: Die Monografie stellt dar, welcher Verfahrensarten sich die Beteiligten bedienten und welche Prozessdauer in kammergerichtlichen Konkursverfahren zu erwarten war. Besonderes Augenmerk legt die Arbeit auf Prozesstaktik, Argumentation und Rolle der Prozessbeteiligten, sowohl der Funktionsträger am Reichskammergericht als auch der Parteien. Inwiefern der Autor nach eigener Maßgabe einen Beitrag zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte leisten kann, indem er fragt, ob es besonders konkursanfällige Wirtschaftszweige gab und ob Konkursfälle aus bestimmten Bereichen auffällig häufig verhandelt wurden, bleibt dabei unklar, untersucht er doch vor allem diejenigen Konkursfälle, die zweitinstanzlich am Reichskammergericht verhandelt wurden – eine Möglichkeit, die jedoch nicht von allen in Konkursfällen involvierten Personen genutzt wurde. Auch die Zielvorgabe zu analysieren, ob politische, wirtschaftliche oder militärische Ereignisse auf lokaler, Reichs-, europäischer oder gar globaler Ebene eine Rolle gespielt haben (bspw. die Gründung der Frankfurter Börse 1585, der Fettmilch-Aufstand 1612–1614, der Dreißigjährige Krieg, die Tulpenmanie 1637 oder die Südseekrise von 1720), kann anhand reichskammergerichtlicher Quellen nur bedingt untersucht werden. Die politische Funktion der Rechtsprechung am Reichskammergericht wird angenommen, jedoch nicht zwingend in den Quellen nachgewiesen, wenn der Autor erläutert, dass »das Spannungsverhältnis zwischen Kaiser und Ständen unmittelbar betroffen sein (musste), wenn eine Reichsinstitution wie das Reichskammergericht letztinstanzlich über Streitigkeiten aus den Territorien entschied und dabei stets die Möglichkeit der Aufhebung untergerichtlicher Urteile bestand« (S. 15).

Die Untersuchung der Rechtspraxis sowie die systematische Darstellung und Analyse der relevanten Normenkomplexe und Rechtsinstitute wird durch die Entstehungs- und Verlaufsgeschichte der Dogmatik ergänzt. Bevor Schmitt in seine detaillierte Fallanalyse einsteigt, die eine sehr gute Einsicht in die Aktenlage bietet, gibt uns der zweite Teil der Arbeit einen historischen Überblick über die Entstehung des Konkursrechts seit der römischen Antike. Der dritte Teil der Arbeit erklärt dann dezidiert die Verfahrensarten, Institutionen und die am Prozess beteiligten Personen und macht klar, inwiefern die gemeinrechtlichen Konkursprozesse vor den Untergerichten geführt wurden und nur durch Appellationen, Mandate und Zitationen vor das Reichskammergericht kamen.

Von den insgesamt 1634 am Reichskammergericht verzeichneten Akten aus dem Frankfurter Gerichtsprengel weisen 188 Prozesse konkursrechtliche Bezüge auf (S. 31), die im vierten Teil der Arbeit in drei Fallgruppen dargestellt wurden. Das beneficium cessionis bonorum (erste Fallgruppe), die vor dem Reichskammergericht regelmäßig als Zitation, seltener auch als Appellation gegen erstinstanzliche Verwehrungen der Rechtswohltat geltend gemacht wurde, war das wichtigste Rechtsmittel des Schuldners, um Infamie und Inhaftierung im Falle seiner Zahlungsunfähigkeit zur verhindern. Indem er sein Vermögen aufgab, seine finanziellen Verhältnisse offenlegte und unter Eid die Richtigkeit seiner Angaben sowie die Rückzahlung bei Meineidigkeit beschwor, wurde der Konkursprozess initiiert. Obwohl die Beantragung der Güterabtretung eigentlich bei den lokalen Untergerichten lag, kam es dennoch vielfach zu Güterabtretungsgesuchen vor dem Reichskammergericht, weil viele der vom Konkurs betroffenen Parteien nicht in Frankfurt ansässig waren und das Frankfurter Schöffengericht nur in Messezeiten bei Konkursfällen mit Bürgern anderer Territorien aktiv werden durfte. Ein weiterer Grund liegt Schmitt zufolge in den Bestrebungen von Seiten des Reichskammergerichts, »seine sachlichen Zuständigkeiten auszuweiten, was besonders auf die althergebrachten kaiserlichen Schutzrechte abzielte und schützenswerte Gruppen wie Witwen und Juden eine Möglichkeit einräumen sollte, ihre Streitigkeiten in erster Instanz vor das Reichskammergericht zu bringen« (S. 154).

Auch wenn der historische Nachweis für die Kompetenzausweitungsbestrebungen von Seiten des Reichskammergerichts ausbleibt, macht die Analyse deutlich, dass die Rechtswohltat der Güterabtretung in 70% der Fälle in der Tat von Juden beantragt wurde. Damit qualifiziert Schmitt Christoph Christian Dabelows Einschätzung aus dem Jahre 1801, mit der er feststellte, dass es im 18. Jahrhundert kaum noch zu Güterabtretungen gekommen sei. Schmitt bestätigt Dabelows These zwar für christliche Kläger – in der Tat wurden alle noch im 18. Jahrhundert verhandelten Fälle im 17. Jahrhundert begonnen – jedoch hält er auch fest, dass sich Abtretungsgesuche von Frankfurter Juden vor allem im 18. Jahrhundert konzentrieren (S. 155). Dies führt der Autor auf die sinkende Bedeutung von Haftstrafen nach Insolvenz zurück, eine bedenkenswerte Vermutung, die jedoch nicht weiter ausgeführt wird. Schmitt vermutet hier dennoch überzeugend: »Wenn christliche Schuldner somit meist auf die cessio bonorum verzichteten, musste nach dem Gesagten für Frankfurter Juden etwas anderes gelten. Viel spricht dafür, dass gegen Juden weiterhin Gefängnisstrafen verhängt wurden und jüdische Antragsstelle auch im 18. Jahrhundert auf die Wohltat der Güterabtretung angewiesen waren« (S. 156).

Das ius separationis (zweite Fallgruppe) war römischrechtlich hergeleitet und ursprünglich dazu eingerichtet, die Hinterbliebenen nach dem Tod des Erblassers vor dem Zugriff von Erbschaftsgläubigern zu schützen. Bereits unter Justinian wurde dieses Recht auf den Konkursfall ausgeweitet, weil der Konkurs in seinen Auswirkungen dem Todesfall gleichgesetzt wurde. Das Güterabsonderungsrecht konnte von der Ehefrau jedoch nur dann in Anspruch genommen werden, wenn zwischen den Eheleuten eine Errungenschaftsgemeinschaft bestand und die beiden außerdem keinen gemeinsamen Handel betrieben hatten. Die Frage, wann ein gemeinsamer Handel anzunehmen war, war jedoch schwer zu klären, weshalb umstrittene Fälle vor dem Reichskammergericht zweitinstanzlich verhandelt wurden. Auch hier zeigt sich ein hoher Anteil jüdischer Appellanten: Erstinstanzlich wurde vom Frankfurter Schöffengericht nämlich durch Observanz der Praxis angenommen, dass jüdische Ehefrauen immer als Handelsfrauen anzusehen waren. Antijüdische Argumentationsmuster wurden dabei mit der Strenge des Rechts (rigor leges) begründet.

Durch dezidierte Einzelfallanalyse wurden die Urteile der Frankfurter Unterinstanzen in Appellationsverfahren vor dem Reichskammergericht korrigiert, das sich in Schmitts Lesart »stärker von sachlichen als von personenbezogenen Argumenten leiten ließ« (S. 213). Die Bedeutung der Einzelfallanalysen des höchsten Anrufungsgerichts wird auch in prioritätsrechtlichen Fragen (dritte Fallgruppe) deutlich, besonders deshalb, weil kein »systematisch abgeschlossenes Modell, in das einzelne Prioritätsrechte eindeutig hätten eingeordnet werden können«, existierte (S. 290).

Schmitts Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur rechtlichen Institutionenanalyse des Alten Reiches, in der er sehr lesenswert Rezeptionsgeschichte und Norm mit der Praxis und Funktion der Unterinstanzen und der Zweitinstanz des Reichskammergerichts abgleicht. Für Historiker und Historikerinnen, die sich mit frühneuzeitlichen Konkursverfahren beschäftigen, bietet die Dissertation eine Systematik an, die den historischen Blick auf die Quellen in jedem Fall juristisch schärft.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Christine Zabel, Rezension von/compte rendu de: Christian O. Schmitt, Säuberlich banquerott gemachet. Konkursverfahren aus Frankfurt am Main vor dem Reichskammergericht, Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2016, 386 S., 6 Abb. (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 66), ISBN 978-3-412-50325-3, EUR 55,00., in: Francia-Recensio 2018/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45731