Der Autorin, die mit dem vorliegenden Buch an der Universität Osnabrück promovierte, geht es darum, die »langfristige[n] Veränderungen und Konstanten« (S. 4) in der Wahrnehmung Frankfurts am Main nachzuweisen, jener Stadt, die seit dem Beginn der frühen Neuzeit als Zentrum des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation galt. Die Untersuchung nimmt eine Sezierung der Deutungsmuster und semantischen Zuschreibungen vor, die in ihrer Gesamtheit vom 16. bis 18. Jahrhundert und in unterschiedlichen Mischverhältnissen das unverwechselbare Gepräge der Reichsstadt abgaben. Die analytische Stoßrichtung folgt der These, wonach die Stadt Frankfurt in der diskursiven Fortschreibung ihrer politisch-wirtschaftlichen Zentralstellung, die sie sich in Hoch- und Spätmittelalter als Wahl- und Krönungs- sowie Messestadt erworben hatte, bis zum Ende des alten Reiches über einen effektiven Bedeutungsverlust hinwegtäuschte.

Obwohl die bildenden Künste als Quellen solcher Sinnstiftungen nicht aus der Untersuchung ausgeschlossen werden, stehen in deren Zentrum doch die schriftlich fixierten »Erfahrungen und Eindrücke von der Stadt« (S. 5). Ein umfangreiches Verzeichnis der Schriftquellen (S. 436–454) lässt den enzyklopädischen Aufwand erkennen, der im Studium von Lobgedichten, Chroniken, Reiseberichten und Stadtschilderungen betrieben wurde. Dass ein solches Unterfangen indes unter dem Begriff »Stadtbild« präsentiert wird, wirkt unglücklich. Die Arbeit vollzieht damit einen eigentümlichen Bruch mit jüngsten Forschungstendenzen, die – der Autorin durchaus geläufig – hierfür auf den angelsächsischen Terminus »image« (oder »imaging«, Imagebildung; im Gegensatz zu »picture« als der visuellen Widergabe dessen, was Stadt ausmacht) zurückgreifen. Die begriffliche Abgrenzung, die die Autorin gegenüber diesem Konzept vornimmt, vermag wenig zu überzeugen: Die Frage nach der Kongruenz von Realität und Image resp. Bild (S. 14) prädisponiert die Verwendung weder des einen noch des anderen Begriffs per se. Dagegen hätte sich die Verwirrung, die aus der metaphorischen Rede von »Bild« angesichts eines seit dem iconic turn wieder enger gefassten Bildbegriffs entsteht, vermeiden lassen1.

Material und Methode bezieht die Autorin nicht aus dem fachlichen Grenzbereich zur Kunstgeschichte, sondern aus der Kontaktzone zur Literaturwissenschaft. Dorther entlehnt sie auch die Konzepte der Stereotypenforschung bzw. der Imagologie, wobei letztere von der Erforschung nationaler Fremd- und Selbstbilder in Dichtung und Prosa auf die Untersuchung einer städtischen Identität umgedeutet wird. Beide Herangehensweisen sollen in den Dienst einer historischen Diskursanalyse gestellt werden, die auf die Beantwortung der Frage zielt, »wie, warum und in welchen historischen Kontexten bestimmte Wissensformen und Bilder über Frankfurt hervorgebracht wurden« (S.16).

Geschickt vermeidet Stalljohann-Schemme angesichts eines solch ambitionierten methodischen Fundaments die Gefahr, den historisch interessierten Leser mit allzu sprachtheoretischen Überlegungen zu vergraulen. Stattdessen schließt sie an ihre Einleitung einen Tour d’Horizon der von ihr ausgewerteten Quellengattungen an, um anschließend auf wenigen Seiten die Geschichte der Stadt Frankfurt, ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Stellung seit der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt am Ende des 8. Jahrhunderts zu umreißen. Dem Missverhältnis von verdienstvoller Absicht, einen historischen Überblick zu gewähren, und dem zur Verfügung stehenden Platz ist geschuldet, dass die berührten Aspekte reichlich undifferenziert zur Sprache kommen. Soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklungen begegnen der Leserin bzw. dem Leser in lexikalischem Stakkato, ohne Vollständigkeit oder auch nur eine repräsentative Darstellung des Sachverhalts zu erreichen. Bisweilen entschlüpft die eklektische Darstellung der Kontrolle der Autorin, wenn beispielsweise im Zusammenhang des Fettmilch-Aufstands von 1614 die auf seine blutige Niederschlagung folgende Verfassungsreform einmal als später Sieg der Aufständischen gegen das Patriziat deklariert wird, wogegen der anschließende Abschnitt mit der konträren Einschätzung beginnt, dass mit dem Zusammenbruch des Aufstands »die meisten Errungenschaften hinsichtlich politischer Partizipation und sozial-wirtschaftlicher Sicherungen« wieder an die alte Elite verloren gingen (S. 85).

Dass das kulturelle und insbesondere schriftstellerische Leben Frankfurts an nur gerade vier Personen – und lediglich für die letzten zwei Jahrhunderte des Untersuchungszeitraums – exemplifiziert wird, macht die Schwäche einer solchen Rundschau unübersehbar. Entsprechend lässt das holzschnittartige Ergebnis die Intention der Autorin, der nachfolgenden Analyse publizistischer Frankfurt-»Bilder« einen realgeschichtlichen Spiegel vorzuhalten, ins Leere laufen. Verwunderlich genug, zumal sich Stalljohann-Schemme der Problematik ihres Vorgehens bewusst ist, warnt sie doch selbst vor der Ergebnislosigkeit einer solchen Gegenüberstellung (S. 225).

Im Hauptteil ihrer Arbeit wendet sich Stalljohann-Schemme dem Diskurs über Frankfurt und dessen Bedeutung im Reich zu. Die topischen Versatzstücke des Diskurses werden in drei Kapiteln gemäß dem Schicksal von Werden und Vergehen der von ihnen gebildeten Wahrnehmungsmuster untersucht. Dabei kommt Stalljohann-Schemme zunächst nicht umhin, das Fortbestehen der einen und das Erlöschen anderer Topoi etwas hilflos als »sonderbar widersprüchliche(n) Parallelität von Kontinuität und inhaltlicher Variation und Veränderung« anzukünden (S. 127).

Das erste Kapitel wendet sich also jenen Vorstellungen über Frankfurt zu, die in Kontinuität mit bzw. als Weiterentwicklungen von ähnlichen Denkfiguren des Spätmittelalters zu sehen sind. Dabei konstatiert sie, dass Frankfurt über Jahrhunderte eine zentrale Stellung im Reich zugeschrieben wurde, deren primordiale Komponente, die Funktion als Hauptschauplatz reichspolitischen Geschehens, allmählich hinter Wirtschaft – hier dominieren vor allem die Messen, während handwerkliche Produktion noch bis ins 18. Jahrhundert kaum Erwähnung finden – und Verkehr zurücktrat. Diese Gewichtsverschiebung, die dem Bedeutungsverlust des Reichs gegenüber den Territorialstaaten parallel laufe, drücke sich in einer zusehends marginalen Behandlung der »Erinnerungsorte«2 von Wahl- und Krönungszeremoniell, aber auch der Goldenen Bulle von 1366 innerhalb des Diskurses aus. Wo an dem Topos reichsgeschichtlicher Zentralstellung Frankfurts trotz des realen Bedeutungsverlusts des Reiches als politischem Bezugssystems festgehalten wurde, tat man es, um der enttäuschten Erwartungshaltung der Besucher mythische Überhöhung entgegenzuhalten (S. 179f.). Einem diskursiven Auseinandertreten von Selbst- und Fremdwahrnehmung der Reichsstadt, wie es hier anklingt, wird jedoch in der Untersuchung nirgends konzeptionell Rechnung getragen3. Angesichts dieser verpassten Chance wirkt das Zwischenfazit, dass ein seit dem 17. Jahrhundert zunehmend individuelles Erleben der Stadt am Main die alten Stereotype der Stadtbeschreibung nie zu ersetzen vermochte, der Diskurs über Frankfurt von einem »Aspekt der historischen Gewohnheit« (S. 228) bestimmt gewesen sei, wenig überraschend.

Im Fokus des zweiten Kapitels stehen jene Gemeinplätze über Frankfurt, denen im Lauf der Zeit kein Fortdauern bestimmt war. Dazu zählen etwa die im 15. und 16. Jahrhundert verschriftlichten und auf historische Überfiguren wie Helena oder Karl den Großen rekurrierenden Gründungsmythen. Deren Funktion für die Reputation der Stadt sei in der Aufklärung zusehends obsolet geworden; die Aufmerksamkeit der Schreibenden galt nun dem Frankfurt der Gegenwart (S. 262). Dieser Akzentverschiebung weg von der Vorstellung des mittelalterlichen, königlich privilegierten Frankfurt wird chronologisch die Thematik von Autonomie und Freiheit zugeordnet. Beide fundamentalen reichsstädtischen Merkmale seien im 18. Jahrhundert nicht länger als Ergebnis eigener Wehrbereitschaft verstanden, sondern in gleichsam sublimierter Weise als Ausfluss von diplomatischen Bemühungen und kulturellem Prestige gedacht worden. Die Erkenntnis, dass keiner der alten, »verblassten« Topoi je ganz aus dem Diskurs ausschied (S. 300), lässt die Abgrenzung gegenüber dem ersten Kapitel fragwürdig erscheinen.

Etwas besser steht es da mit dem letzten Kapitel, das – wiederum mit klarer Intensivierung zum 18. Jahrhundert hin – die Etablierung neuer Stereotype verzeichnet. Als solches wird die graduelle Ästhetisierung des urbanen Gefüges angesprochen. Die Entdeckung der Schönheit des architektonischen Stadtraumes trat an die Stelle der funktionalen Wahrnehmung und Wertschätzung Frankfurts, und dies offenbar trotz der festgestellten Armut an künstlerisch wertvoller Bausubstanz einer Stadt, die diesbezüglich nicht mit den Residenzstädten des Reiches mithalten konnte. In gleicher Weise dem Kompensationsbedürfnis angesichts eines evidenten Mangels entsprang der Versuch, Frankfurt in dieser Zeit als Gelehrtenstadt zu positionieren. Dem stellt die Autorin das Bild einer Gesellschaft gegenüber, in der soziales Ansehen aus kaufmännischem Erfolg und – allenfalls – aus den damit finanzierbaren karitativen Aufwendungen folgte, symbolisches Kapital aus geistiger Arbeit hingegen kaum Beachtung fand (S. 343).

In ihrem Fazit streicht Stalljohann-Schemme drei Erkenntnisse besonders hervor: die Langlebigkeit einzelner Topoi, die seit der Etablierung der Stadtlobgedichte im Spätmittelalter den Frankfurt-Diskurs bestimmten und bis zum Ende des Untersuchungszeitraums als literarische Statements Autorität bewahrten; die angebliche Indifferenz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung Frankfurts, insbesondere in den Stadtlobgedichten, die von Fremden verfasst »möglichst die Perspektive der Stadt wiedergeben« (S. 426) sollten; und schließlich der allmähliche Verzicht auf reichspolitische Bezüge bei gleichzeitiger Hinwendung zur Gegenwart der Schreibenden.

Insgesamt bleibt bei allem Respekt vor der reichlich quellengestützten und aufwändigen Untersuchung der Eindruck bestehen, dass der Arbeit ein konsequenterer methodischer Zugriff und eine schärfere Fragestellung gut getan hätten. Wenn die Autorin im Schlusswort (!) offenbart, die Auswahl der analysierten Bestandteile des Diskurses nicht aufgrund ihrer – wie auch immer zu denkenden – Verzahnung mit und Motivierung aus der Stadtgeschichte, sondern aufgrund einer quantitativen Auswertung des Quellenbestands getroffen zu haben (S. 423), ist die Leserin bzw. der Leser perplex: Von einer statistischen Aufbereitung des Textfundus hat er/sie bis hierhin nichts erfahren.

1 Vgl. etwa die Definition von »Stadtbild« Michael Schmitts im Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München 2002, Sp. 7–11. Besonders offen liegt diese begriffliche Ambivalenz dort zutage, wo es um das architektonische Gefüge Frankfurts (Kapitel 2.7) geht und mit »Stadtbild« für einmal der visuelle Eindruck in Holz und Stein errichteter Realien gemeint ist.
2 Begriff und Konzept werden von der Autorin freilich nirgends in Anschlag gebracht; auch die einschlägige Publikation von Étienne François und Hagen Schulze, Deutsche Erinnerungsorte, 3 Bde. (Bd. 1 ; Bd. 2 ; Bd. 3 ), München 2001, zuletzt 2009 in der Beck’schen Reihe neu aufgelegt, wird im Literaturverzeichnis nicht aufgeführt.
3 Im Schlusswort (!) taucht der Hinweis auf, dass eine solche Unterscheidung Bestandteil eines früheren Arbeitskonzepts war, das sich aufgrund des omnipräsenten Rückgriffs auf ältere Texte jedoch als unergiebig erwiesen habe (S. 426).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Thomas Manetsch, Rezension von/compte rendu de: Marina Stalljohann-Schemme, Stadt und Stadtbild in der Frühen Neuzeit. Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum im publizistischen Diskurs, Berlin, Boston, MA (De Gruyter) 2017, X–493 S. (Bibliothek Altes Reich, 21), ISBN 978-3-11-050145-2, EUR 89,95., in: Francia-Recensio 2018/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45732