Die «Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg« betitelte, 426 Seiten starke Druckfassung der Dissertation von Johannes Staudenmaier an der Universität Bamberg wurde in den von Michael Stolleis und Karl Härter herausgegebenen »Studien zu Policey und Policeywissenschaft« veröffentlicht. Diese Reihe begleitet das große Erschließungsprojekt des »Repertoriums der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit« am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte (MPIER). Letzteres hatte der (rechts-)historischen Erforschung des entstehenden frühneuzeitlichen Gesetzes- und Verwaltungsstaates – welcher geleitet von der Leitkategorie der »guten Policey«,also der idealtypischen guten Ordnung der Gemeinschaft, Normen ausbildete und implementierte – wesentliche und wichtige Impulse gegeben.

Nun wäre man geneigt, anzunehmen, dass Bamberg innerhalb dieses Projekts erschlossen worden wäre, und die vorliegenden Daten hier umfassend ausgewertet werden, doch geht man damit fehl. Bamberg war im Repertorium nicht enthalten. Der Autor hatte sich vielmehr parallel zum Projekt des MPIER mit dem Hochstift Bamberg einen mittleren geistlichen Reichsstand als Untersuchungsgegenstand gewählt und stieß damit zugleich in einen in der bisherigen Forschung wenig untersuchten Bereich vor. Die geistlichen Reichsstände galten – im Vergleich zu den größeren weltlichen Territorien – im Modernisierungsprozess des entstehenden frühneuzeitlichen Staates allgemein als rückständig. Ergänzend zum Hochstift als Territorialstaat wurde noch vergleichend die Gesetzgebung der Residenzstadt Bamberg herangezogen, um mögliche Interdependenzen und Unterschiede hinsichtlich territorialer und städtischer Policeygesetzgebung sichtbar zu machen.

Staudenmaier referiert einleitend den Forschungsstand zur guten Policey, der Implementation von Policeynormen sowie deren Einfluss und Wechselwirkung auf die Herrschaftspraxis. Methodisch nimmt er sich Anleihen am praxeologischen Konzept der Historischen Implementationsforschung, wie sie Achim Landwehr erarbeitet hat, aber auch an der neueren »Kulturgeschichte des Politischen«, der Untersuchung »symbolischer Hervorbringungen« in der kommunikativen Praxis zwischen Obrigkeit und Untertan. In dieses kommunikative Geschehen verortet er auch Michel Foucaults Modell von Machtbeziehungen. Der Autor geht somit der Fragestellung nach, wie und in welchem kommunikativen Umfeld in einem kleineren geistlichen Staat Normgebung und Normanwendung gestaltet werden, welche Machtbeziehungen dabei auftreten und inwiefern diese in die allgemeine Policeyforschung eingebettet werden können (S. 30f.).

Nach einer Einführung in die historischen Grundlagen der Region wendet sich Staudenmaier im dritten Kapitel im Detail der Policeygesetzgebung des Hochstifts und der Stadt Bamberg zu. Sein zeitlicher Rahmen erstreckt sich vom 15. Jahrhundert bis 1628 – in diesem Jahr war die umfangreichste Policeyordnung Bambergs erlassen worden. Besonderes Augenmerk verdient die Tatsache, dass die Quellengrundlage mangels Zusammenstellung der Policeygesetze in zeitgenössischen Sammlungen archivisch aus den zentralen Archivkörpern, aber auch aus Sachakten des Staatsarchivs Bamberg sowie des Stadtarchivs Bamberg erschlossen werden musste. Der Druck der Normen begann vereinzelt ab Beginn und verstärkte sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts. Erst im 17. Jahrhundert wurde die Mehrheit der Gesetze gedruckt (S. 90).

Ziel der Quellenerschließung war eine möglichst umfassende Erfassung der Policeygesetzgebung, wobei sich Staudenmaier sinnvollerweise eng an die bereits in der Forschung gut angenommenen Erschließungskategorien des vorhin genannten Policeyrepertoriums (Kategorien, Materien, Sachindex) anlehnte, diese aber noch da und dort für seine Aspekte ergänzte. Damit war eine Vergleichbarkeit mit Daten aus dem Repertoriumsprojekt gesichert. Gleichzeitig adaptierte Staudenmaier aber die Datenbank auch für seine Forschungszwecke, als er gewisse Beschränkungen der Aufnahmekategorien im Repertorium auflöste. So nahm er nicht nur die städtischen Policeygesetze Bambergs, sondern auch Erneuerungen und Wiederholungen von Gesetzen erneut auf. Im MPIER-Repertorium waren diese aus arbeitsökonomischen Gründen ausgenommen gewesen, Erneuerungen fanden sich allein in Fußnoten. Diese Vorgangsweise ermöglichte es Staudenmaier, »ein umfassenderes Bild der Bamberger Policeygesetzgebung« zu gewinnen (S. 78).

Die städtische Policeygesetzgebung beginnt mit 1418 und ist inhaltlich vor allem der Handwerkspolicey, die von der Stadt übernommen wird, und den wirtschaftlichen Regelungen geschuldet. Bis 1628 lassen sich 187 Gesetze mit 280 Materien nachweisen, 1460 bis 1499 gibt es einen stetigen Anstieg, danach einen permanenten Abfall (S. 95–101). Die landesherrliche Gesetzgebung ist mit 1254 Gesetzen mit 1781 Materien weit umfangreicher, beginnt 1413, bleibt für das 15. Jahrhundert aber relativ singulär. Sie ist deutlich schwächer als die städtische Policeygesetzgebung, widmet sich aber auch vom territorialen Einzugsbereich her größtenteils der Stadt Bamberg. Erst ab 1510 beginnt sich das Blatt zu wenden und die landesherrliche Gesetzgebung beginnt zu dominieren (S. 101–114), übersteigt die stagnierende städtische Gesetzgebung und greift auch deutlich über die Residenzstadt auf das ganze Hochstift hinaus. Reformation, Bauernkrieg sowie Versorgungskrisen haben das Ankurbeln der landesherrlichen Policeygesetzgebung im Sinne eines konservierenden »Krisenbewältigungsinstrument(s)« begünstigt.

Einflüsse der Reichspoliceyordnungen sowie der Gesetzgebungen der Reichskreise wie auch benachbarter Reichsstände sind nachweisbar (S. 91ff.). Interessant ist auch der Vergleich mit den Territorien der im Repertorium enthaltenen geistlichen Kurfürstentümer Mainz und Trier sowie mit dem Herzogtum Bayern (S. 108ff.), wo sich die anfänglichen hypothetischen Annahmen nicht bestätigen. Man vermutete, dass sich die Intensität der Gesetzgebung in den geistlichen Territorien stark ähneln werde, und das weltliche »frühabsolutistische« Bayern diese weit übertreffen werde. Doch das Gegenteil war der Fall: Bamberg übertrifft seine etwas größeren geistlichen Brüder deutlich und verfügt auch über eine höhere Normanzahl als Bayern. Ob diese deutlichen Unterschiede allein durch andere Eintragungspraktiken im MPIER-Repertorium zu erklären sind, ist fraglich. Möglicherweise hat die bambergische Praxis, mit oft wiederholten kleineren Mandaten und Reskripten vorzugehen, anstatt mit großen Policeyordnungen, die einen langwierigeren Gesetzgebungsprozess aufwiesen, damit zu tun. Die Herrschaftsintensivierung dürfte sich aber vorerst nicht planvoll, sondern nach und nach als Folge einer Missstandsbekämpfung entwickelt haben.

Das vierte und fünfte Kapitel geht den Normgebungs- und Implementationsprozessen in Hochstift und Stadt Bamberg nach. Zuerst richtet sich der Blick auf die landesherrliche Zentralverwaltung und deren Einfluss auf die Gesetzgebung. Die Bedeutung des Hofrats wird dabei extensiv herausgearbeitet, die Einwirkungsmöglichkeiten von Hofkammer, geistlichem Rat und Domkapitel erörtert und der Ausdifferenzierung der Malefizgerichtsbarkeit, soweit das von den Quellen her möglich war, nachgezeichnet. Hierauf wendet sich Staudenmaier der lokalen Verwaltung der Stadt und insbesondere der Stellung des städtischen Rats im Rahmen der Policeygesetzgebung zu und untersucht die Beziehungsmuster der im Rat vereinten städtischen Führungsgruppen.

Die Einflussmöglichkeit des Stadtrats auf die landesherrliche Gesetzgebung war über die unterschiedlichsten Kommunikationswege (direkte Vorsprachen, Weiterleitung von Supplikationen, Gravamina usw.) durchaus gegeben. Hinsichtlich der Normumsetzung werden Aufgabenbereiche und Verwaltungspraxis der diversen städtischen Amtsträger ausführlich dargestellt. Insgesamt erweist sich, dass eine Umsetzung der Policeygesetzgebung nur über die lokalen Amtsträger möglich war. Der Bischof war als Landesherr auf deren Mitwirkung – in Bamberg hauptsächlich auf den Stadtrat – angewiesen. Hier zeigte sich im Untersuchungszeitraum anfangs durchaus ein Gleichklang der Interessen, allein in späterer Zeit kam es bei der Religonspolicey sowie bei der Hexenverfolgung, die dem Hofrat Möglichkeiten bot, politische Gegner im städtischen Rat auszuschalten, zu divergierenden Ansichten.

Abschließend wird im sechsten Kapitel an fünf ausgewählten Beispielen die bei der Implementation der Policeygesetzgebung ablaufenden Kommunikationsprozesse und die daran beteiligten Personen und Gruppen im Detail geschildert. Das erste Beispiel präsentiert einen zirkulären Implementationsprozess um die Aushandlung der Hafner-Handwerksordnung von 1582 (S. 270ff.). Die Feuerordnung von 1615 erweist sich dagegen als schönes Beispiel einer konsensualen Gesetzgebung (S. 283ff.). Im langwierigen Entstehungsprozess der Policeyordnung von 1618 zeigt sich zuerst eine starke Einbeziehung des Domkapitels und der Landstände in den Entstehungsprozess, schließlich deren Exklusion durch den handelnden Hofrat, um die Policeyordnung zu einem Ende führen zu können (S. 293).

Die »gute Policey« als Legitimationsgrundlage und Rechtsfertigungsstrategie für die versuchte Machtausweitung des (vom Landesherrn bestimmten) Oberschultheißen im Stadtregiment schildert das vierte Beispiel (S. 305ff.). Zuletzt exemplifiziert der Autor an gegenreformatorischen Maßnahmen die legalen Formen des Widerstands der Bevölkerung gegen religionspoliceyliche Maßnahmen (S. 315ff.). Staudenmaier kommt zum Schluss, dass »sich die Gute Policey weder einseitig als obrigkeitliches Disziplinierungsinstrument charakterisieren« lässt, noch »war sie ausschließlich auf die Initiativen und Wünsche der Untertanen zurückzuführen« (S. 327). An der Gesetzgebung wie an der Umsetzung »partizipierten verschiedene Gruppen, die aus unterschiedlichen Einzelakteuren mit vielfältigen Interessen bestanden« (S. 335).

Johannes Staudenmaiers »Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg« ist eine hervorragende, sauber aus den Quellen gearbeitete und methodisch in den aktuellen Forschungsdiskurs gestellte Arbeit. Die gelungene Herrschaftsverdichtung des Bamberger Bischofs wird dabei nicht eindimensional, sondern äußerst vielschichtig erläutert. Gute Policey erweist sich als ein »Prozess und das Ergebnis vielschichtiger Interaktionen und Kommunikationen verschiedenster individueller und kollektiver Akteure« (S. 343). Von »Rückständigkeit« des geistlichen frühmodernen Staats kann am Bamberger Beispiel nicht gesprochen werden. Die Studie ist jedenfalls eine wichtige Bereicherung auf dem Feld der Erforschung der »guten Policey«.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Josef Pauser, Rezension von/compte rendu de: Johannes Staudenmaier, Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg. Normgebung, Herrschaftspraxis und Machtbeziehungen vor dem Dreißigjährigen Krieg, Frankfurt a. M. (Vittorio Klostermann) 2012, X–426 S. (Studien zu Policey und Policeywissenschaft), ISBN 978-3-465-04143-6, EUR 59,00., in: Francia-Recensio 2018/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45733