Mit der vorliegenden gewichtigen Monografie krönt Thomas Würtenberger, emeritierter Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die lange Reihe seiner juristischen Lehrbücher und Studien, die seit längerem der historischen Verfassungssymbolik zunehmende Aufmerksamkeit gewidmet haben. Dementsprechend umfasst sein neuer Band nicht die politische Freiheitssymbolik allgemein, wie der Titel suggeriert, sondern beschränkt sich auf die »Freiheits- und Verfassungssymbolik« der westlichen Welt in ihrer Bildpublizistik (S. 18 u. ö.). Für diesen immer noch weiten Bereich bietet Würtenberger eine imponierende, opulent ausgestattete Gesamtdarstellung. Sie basiert vor allem auf einer reichen Auswahl alter Münzen und Druckgrafiken vom Römischen Reich bis zur Weimarer Republik, die nicht nur jeweils genau beschrieben und gedeutet, sondern auf 570 sorgfältig lektorierten Seiten auch qualitätsvoll im Vierfarbendruck abgebildet werden. Dabei gilt der Staatssymbolik auf Münzen und Medaillen das besondere Augenmerk des Verfassers und Sammlers. Seine Auswahl und Deutung der Bildzeugnisse beruht ihrerseits auf langjähriger und so gründlicher Auswertung der umfangreichen Forschungsliteratur (an die 80 Seiten Belege), dass die einleitende Behauptung, »die Geschichte von politischen Symbolen« sei »bislang keine Erkenntnisquelle für die Geschichte der westlichen politischen Kultur« gewesen (S. 19), fraglich erscheint. Während sein interkultureller Ansatz von Vorarbeiten für das inzwischen erschienene »Lexikon der Revolutions-Ikonographie«1 profitiert, schlägt der Verfasser in sieben Hauptkapiteln einen großen historischen Bogen neuer Art. Hier können nur die Grundlinien der weit ausgreifenden Darstellung skizziert werden.

Zunächst verfolgt Würtenberger in großen Schritten, wie die Freiheits- und Verfassungssymbolik aus den Zeichen beim Ritual der Freilassung römischer Sklaven entstand, in der Renaissance rezipiert und kanonisiert wurde, im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert den Freiheitskampf der Niederlande gegen Spanien unterstützte, anlässlich der Glorious Revolution nach Britannien gelangte, ab 1770 die Unabhängigkeitsbewegung der nordamerikanischen Kolonien legitimierte und während der 1780er Jahre sowohl von den niederländischen Patrioten wie von den gegnerischen Orangisten in Anspruch genommen wurde. Pileus und Stab (vindicta), die ursprünglichen Freiheitszeichen, erlebten dabei bezeichnende Modifikationen und Bereicherungen, sei es, dass die Mütze mal zum Geusenhut, mal zum Tellenhut mutierte, sei es, dass die Allegorie der libertas sich mit den Symbolen der Waage, des Volkes (Löwe) oder des Verfassungstempels verband. Zugleich wurde die anfangs auf Münzen begrenzte Freiheitsbotschaft zunehmend von druckgrafischen Medien wie Emblembüchern, Bildflugblättern und Zeitschriften verbreitet. Im Einzelnen betreffen besondere Beobachtungen des Verfassers u. a. den Beitrag deutscher Medailleure zur Ausprägung des englischen liberty cap, die französisch-amerikanische Mittlerfunktion des Medailleurs Augustin Dupré und die Vorbildfunktion des berühmten Brutus-Denars (mit dem pileus zwischen zwei Dolchen) für Lorenzo de’ Medici in Florenz, Heinrich II. in Frankreich und eine Zinnmedaille der deutschen Märzrevolution (Abb. 4, 10–13 und 195).

Das anschließende, umfangreiche Kapitel ist ganz der Französischen Revolution gewidmet, denn Würtenberger betrachtet die »Zeit der Französischen Revolution bzw. des Unabhängigkeitskampfes der Vereinigten Staaten von Amerika als Sattelzeit einer neuen Symbolbedeutung, aufgesattelt auf alte symbolische Formen« (S. 135). Gestützt auf die reichhaltige Forschungsliteratur des bicentenaire von 1989 und der folgenden Jahrzehnte, kann der Verfasser hier exemplarisch resümieren, wie die traditionelle Freiheitssymbolik in der Revolution gleichzeitig rezipiert, politisch umfunktioniert und mit neuen Bildmotiven wie dem Freiheitsbaum, dem Vaterlandsaltar und dem Verfassungseid verschmolzen wurde. Die Freiheitsmütze in Form des bonnet rouge kleidete nun nicht allein die Sansculotten beim Tanz um den Freiheitsbaum, sondern wurde auch König Ludwig XVI. aufgenötigt. Die Allegorie der liberté betrieb einerseits kämpferisch die Zerstörung der alten Herrschaftsinsignien, andererseits verkörperte sie majestätisch Freiheit, Gleichheit und Republik in einer Gestalt. Die Menschenrechtserklärung und die Verfassungen von 1791/1793 wurden als neue »mosaische Gesetzestafeln« ebenso mit einer sakralen Aura umgeben wie der Kult des Höchsten Wesens. Diese ganze Bildpublizistik, die sich bis 1794 radikalisierte und anschließend mäßigte, war Mittel und zugleich Ergebnis einer Popularisierung neuer Freiheits- und Verfassungsprinzipien, sie aber deswegen als »populistisch« zu charakterisieren (S. 225), ist ein anachronistisches Missverständnis.

Die europäische Bedeutung der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik erweist sich auch darin, dass sie, wie das folgende Kapitel skizziert, mit der Mainzer Republik nicht nur in den deutschen Kulturraum Eingang fand, sondern auch auf die Batavische und die Helvetische Republik sowie auf die »Schwesterrepubliken« des italienischen triennio übertragen wurde. Obgleich dieser Symboltransfer jeweils unter französischer Besatzung stattfand und die revolutionären Freiheitszeichen anschließend auch in Frankreich selbst unterdrückt wurden, verbreitete sich so doch eine normative politische Bildsprache, die spätere Verfassungsbewegungen reaktivieren und reaktualisieren konnten.

Dies für die folgende Epoche der Restauration und des Vormärz herauszuarbeiten, gelingt dem Verfasser im Folgenden freilich nur teilweise, weil er sich im Falle Frankreichs auf die monarchistisch ausgerichtete Bildpropaganda für die Charte constitutionnelle konzentriert, darüber aber den republikanisch orientierten Kampf der neuen Satirejournale für die in der revidierten Charte garantierte Pressefreiheit vernachlässigt. Auch was die deutschen Fürstenstaaten betrifft, findet die offiziöse Bildproduktion zu den landständischen Verfassungen mehr Beachtung als die versteckten Freiheitsbotschaften von der Zensur verfolgter Karikaturisten. So war die 1819 publizierte Radierung »Der Zeitgeist« von Johann Michael Voltz (Abb. 182) keine »konservativ-reaktionäre« Warnung vor radikalen Einflüssen aus Frankreich (S. 299), sondern ein verkappter Freiheitsappell an Deutschland nach den Karlsbader Beschlüssen, denn als fanatischer »Revolutionär« figuriert hier der Burschenschaftler Karl Ludwig Sand, der den Dichter August von Kotzebue als angeblichen Verräter ermordet hatte. Voltz bestätigte diese Deutung, indem er das Blatt mit einem Pendant, dem »Anti-Zeitgeist« in Gestalt eines aristokratischen Esels, kontrastierte, was der Verfasser nicht erwähnt. Dass sich gleichzeitig während des Vormärz in der schweizerischen Bildpublizistik und derjenigen des frühen Risorgimento ebenfalls eine Freiheits- und Verfassungssymbolik entwickelte, kommt nicht in den Blick.

Die gesteigerten politischen Forderungen und die enorme Publizität dieser Symbolik in der Revolution von 1848/1849 werden wiederum nur für Frankreich und Deutschland abgehandelt. Während wenige bekannte Bildbeispiele die Kontroversen des französischen Republikanismus illustrieren, werden für Deutschland Michels zögerliche politische Metamorphosen, die Parlamentskritik sowie, die erstickten Ansätze zu einer konstitutionellen Monarchie sowie die Unvereinbarkeit von Freiheit und Reaktion ausführlich dargestellt.

Diese bilateral vergleichende Betrachtung führt der Verfasser dann für die Jahrzehnte nach 1870 fort, nicht ohne etwas vorschnell zu behaupten, dass es zwischenzeitlich »in der Bildpublizistik beider Länder […] eine auf politische Reformen dringende Freiheits- und Verfassungssymbolik« nicht gegeben habe (S. 413). Jedenfalls: Dem durch die Pariser Kommune angeheizten Bilderstreit zwischen den Verfechtern einer »roten« und der bürgerlichen Republik stand auf deutscher Seite eine nationale Symbolik gegenüber, die weniger den Reichstag als vielmehr den Kaiser, Bismarck und das Militär feierte. Und so endet der historische Parcours mit dem nüchternen Befund, dass nach 1919 weder die Medaillen eines Karl Goetz und Heinrich Waderé noch die Ehrenpreis-Medaillen zu den Verfassungstagen eine positive Vermittlung der Weimarer Verfassung bewirken konnten.

Entfernt sich diese schrittweise Konzentration auf den »deutschen Sonderweg« von dem überzeugenden internationalen Ansatz zu Beginn des Werkes, so kommt ein Sonderkapitel über den »atlantischen Diskurs« der Freiheits- und Verfassungssymbolik auf die englisch-amerikanischen Bildbeziehungen zurück (S. 365–412). Hier erst finden sich die expressiven Blätter eines James Gillray, die mit französischen Freiheitssymbolen gegenrevolutionär argumentierten, zugleich aber – gemeinsam mit französischen Medailleuren – ikonische Schemata lieferten für den nordamerikanischen Freiheitskampf: vom liberty cap über den liberty tree bis zum temple of liberty. Noch George T. Morgans liberty-head-Dollar von 1879 zitierte den klassischen Kopf der république, veränderte ihre phrygische Mütze aber so, dass man sie kaum als Aufforderung zur Sklavenbefreiung verstehen konnte (S. 393–395). Schließlich schmückten sich im 19. Jahrhundert auch die Münzen und Medaillen der neuen mittel- und südamerikanischen Staaten gerne mit den traditionellen Freiheitssymbolen.

Insgesamt hinterlässt der voluminöse Band einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits besticht er durch seinen komparatistischen, historisch weit gespannten Ansatz, seine genauen, kenntnisreiche Bildbeschreibungen und seine opulente Ausstattung. Andererseits erhebt er einen hohen Anspruch, den er nicht ganz einlösen kann. Wie schon das Umschlagbild – ein linksrheinischer Volkstanz um den Freiheitsbaum von 1792/93 ‒ suggeriert, versteht Würtenberger sein Buch als »Beitrag zur Mentalitätsgeschichte der westlichen politischen Kultur« (S. 15). Mittels der »Verbindung von Mentalitäts- und Symbolgeschichte« (S. 33) will er letztlich die »mentalen Voraussetzungen der Europäischen Union, als eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts« herausarbeiten (S. 32).

Doch seine Behauptung, die von ihm untersuchte Freiheits- und Verfassungssymbolik habe »von unten, also aus der Bevölkerung heraus«, den politischen Willen des »Volkes« zum Ausdruck gebracht (S. 465), weckt erhebliche Zweifel. War bekanntlich schon die allgemeine politische Druckgrafik des 16. bis 19. Jahrhunderts nur sehr bedingt eine Äußerung der »Volkskultur«, so gilt das weit mehr für die von Würtenberger ausgewählten Bildzeugnisse zur Verfassungssymbolik, erst recht für die mit Vorliebe herangezogenen Münzen und Medaillen. Sie propagierten überwiegend eine offiziöse, staatlich orientierte Symbolik »von oben«, die oft deklaratorisch blieb, besonders krass bei den autoritären Regimes von Argentinien, Kolumbien, Peru etc. (S. 404–412). Dagegen bleibt die volksnähere Freiheitssymbolik der agitatorischen Bildpublizistik, die Missstände anprangerte und gesellschaftliche Reformen einforderte, auch da »eher am Rande« (S. 38), wo sie Verfassungsfragen einbezog. So wird der »Internationalisierung der Freiheitssymbolik in der Arbeiterbewegung« nur ein weitgehend auf den Künstler Walter Crane beschränkter Exkurs eingeräumt (S. 429–438).

Bedauerlich und nicht ganz nebensächlich ist schließlich auch, dass Würtenberger bei der Flugblattgrafik die dokumentarische Sorgfalt etwas locker handhabt. Oft scheint er die Bilder nicht im Original, sondern nur aus der Sekundärliteratur bzw. aus dem Internet zu kennen. Grafische Techniken und Formate, Drucker, Verleger und Erscheinungsorte – für die Einordnung und Beurteilung der Blätter durchaus wichtige Daten – werden weder im Text noch in den Bildunterschriften berücksichtigt; sie wären, wenn nicht auf den Blättern selbst, so doch in den bekannten gedruckten Katalogen insbesondere der Bibliothèque nationale de France und des British Museum leicht zu finden gewesen. Hinzu kommt eine technisch versierte, aber teils verfälschende Bildbearbeitung: Nicht nur, dass die Abbildung so mancher kolorierten Radierung oder Lithografie farbprächtiger ist als das Original, auch und vor allem die meisten Münzen und Medaillen werden je nachdem kupfern, silbern, golden oder rot eingefärbt. Solche Effekthascherei, verbunden mit den zahlreichen rot gedruckten Kapitelüberschriften ist dem wissenschaftlichen Anliegen des Werkes eigentlich nicht angemessen.

1 Rolf Reichardt (Hg.), unter Mitarbeit von Wolfgang Cilleßen, Jasmin Hähn, Moritz F. Jäger, Martin Miersch, Fabian Stein, Lexikon der Revolutions-Ikonographie in der europäischen Druckgraphik (1789–1889), 3 Teilbände, Münster 2017.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Rolf Reichardt, Rezension von/compte rendu de: Thomas Würtenberger, Symbole der Freiheit. Zu den Wurzeln westlicher politischer Kultur, Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2017, 576 S., 330 Abb., ISBN 978-3-412-50753-4, EUR 60,00., in: Francia-Recensio 2018/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45738