Gegenstand der Studie des spanischen Historikers Emilio Grandío Seoane sind die Aktivitäten des britischen Geheimdiensts in Spanien während des Zweiten Weltkriegs. Obwohl Spanien trotz seiner Sympathien für die Sache der Achsenmächte nie offiziell an deren Seite in den Krieg eintrat und daher auch nicht unmittelbar von den militärischen Auseinandersetzungen betroffen war, erwies es sich von großer strategischer Bedeutung. So wurde Spanien zum Tummelplatz für die Geheimdienste der Achsenmächte und ihrer Gegner, die jeweils versuchten, die spanische Außenpolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Gerade der Arbeit des britischen Geheimdiensts, und dies ist das zentrale Ergebnis der Untersuchung, misst der Autor die entscheidende Rolle dafür zu, dass sich das Franco-Regime schließlich den Alliierten zuwandte, ohne aber selbst in den Krieg einzutreten. Damit sicherte Francisco Franco zugleich sein eigenes politisches Überleben ab. Für seine Studie griff Seoane auf die Aufzeichnungen des damaligen britischen Botschafters, Sir Samuel Hoare, auf die Bestände diplomatischer Archive in Großbritannien und den USA sowie auf diejenigen spanischer Archive zurück.

Der Verfasser beginnt mit einem Überblick zur britischen Spanienpolitik vor dem Zweiten Weltkrieg. Im Zentrum steht hier die Haltung gegenüber den Putschisten unter Franco und der Spanischen Republik während des Bürgerkriegs. Die britische Regierung verfolgte genauso wie die französische Regierung eine Politik der Nichtintervention, welche die Niederlage der Republikaner entscheidend förderte und es den Diktaturen Adolf Hitlers und Benito Mussolinis ermöglichte, ihren Einflussbereich im westlichen Mittelmeer auszudehnen. Obwohl demokratisch legitimiert, war die spanische Volksfrontregierung von der konservativen britischen Regierung als möglicher Wegbereiter des Sowjetkommunismus in Spanien eingeschätzt worden. Diese Haltung ist aber auch im Kontext der britischen Appeasement-Politik gegenüber Hitler zu sehen, der ebendiese im März 1939 mit dem Einmarsch in die Rest-Tschechei schließlich ad absurdum führte.

Im Kapitel »British Intelligence in Spain at the Outset of the Second World War« wird deutlich, wie die Briten nach der Niederlage Frankreichs im Sommer 1940 begannen, ihre Aktivitäten durch die Etablierung neuer Netzwerke in Spanien auszubauen. Ziel sollte es sein, Spanien als möglichen Partner Hitlers aus dem Konflikt herauszuhalten und zu einer wohlwollenden Neutralität gegenüber den Alliierten zu bringen, verbunden mit einer drastischen Einschränkung des deutschen Einflusses. Die geheimdienstlichen Aktivitäten in Spanien dominierte aufgrund seiner Nähe zunächst Frankreich. Dessen Ausfall erforderte dann von den Briten eine Neujustierung ihrer dortigen Position.

Das Kapitel »The Threat of German Invasion: Organizing the Resistance (Spring of 1941)« befasst sich mit der Gefahr einer deutschen Invasion. Denn eine solche stellte nicht nur eine unmittelbare Bedrohung für Gibraltar dar, sondern auch für die militärisch-ökonomischen Interessen der Briten im Nordwesten des Landes. Da die spanische Armee einer gewaltsamen deutschen Invasion nicht viel entgegenzusetzen hatte, dachten die Briten für diesen Fall unter Einbeziehung der spanischen Opposition an die Organisation von Sabotageakten, um den Vormarsch abzubremsen. Im Fall der Billigung eines deutschen Einmarsches durch Franco spielte in den diesbezüglichen Diskussionen auch ein Putsch verbunden mit der Wiederherstellung der Monarchie eine Rolle, war doch Francos Stellung als primus inter pares im spanischen Militär nicht unangefochten.

In »Franco’s Most Complicated Year, 1943« geht es schließlich um das langsame Umschwenken des Regimes auf die Linie der Alliierten. Dazu führten insbesondere die massive Erhöhung des diplomatischen Drucks und der innere Druck von Seiten der Generalität. Zugleich erhöhten die Alliierten ihre Militärpräsenz vor der galicischen Küste. Entscheidend für das allmähliche Umschwenken erwies sich im Sommer 1943 ein Treffen zwischen Franco und dem britischen Botschafter Hoare, bei dem die zu wohlwollende Behandlung der Vertreter der Achsenmächte, Spaniens Nichtkriegsführung, die als ein außerordentlich unfreundlicher Akt betrachtet wurde, und der Einsatz der Blauen Division an der Ostfront thematisiert wurden. Resultate dieses Treffens waren das Versprechen des Abzugs der Blauen Division, keine Anerkennung von Mussolinis neuem Marionettenregime in Salò und kein Protest gegen die Besetzung der portugiesischen Azoren durch die Alliierten. Zudem kehrte man im Oktober 1943 offiziell zur Neutralität zurück.

Das Kapitel »Franco and the Allies Face to Face« behandelt die Aktivitäten des großen, in Nordspanien tätigen Sanmiguel-Netzwerks und dessen Aushebung. Das ist besonders interessant, da dieses gerade in einer Region tätig war, die von den Alliierten immer wieder für eine Anlandung in Betracht gezogen worden war und deutschen U-Booten zur Betankung und Reparatur diente.

Mit dem Kapitel »Spain Changes Sides, 1944–1945« folgt schließlich die fast völlige Abwendung Francos von Deutschland. Die spanische Weigerung, den Wolframverkauf an das Deutsche Reich einzustellen, brachte zunächst im Januar 1944 das Fass für die amerikanische Regierung endgültig zum Überlaufen. Sie verhängte einen Ölboykott gegen Spanien, der das Regime aus Furcht vor inneren Unruhen schließlich zu einem noch schnelleren Einlenken zwang. Ende April 1944 erzielten Briten und Spanier schließlich eine Übereinkunft u. a. über die Begrenzung des Wolframverkaufs an Deutschland, die Kontrolle des diesbezüglichen Schmuggels, die Ausweisung deutscher Spione und den endgültigen Abzug spanischer Kämpfer von der Ostfront. Im Gegenzug wurden die Erdöllieferungen nach Spanien unverzüglich wieder aufgenommen.

Da nach der Invasion in der Normandie Spanien aus dem strategischen Blickfeld der Alliierten verschwand, reduzierten die Briten ihre dortigen Aktivitäten. Trotzdem stand Spanien am Ende des Weltkriegs und darüber hinaus aufgrund seiner undurchsichtigen Schaukelpolitik international isoliert und geächtet da. Damit verbunden ergab sich auch eine erhebliche Unsicherheit über Spaniens zukünftige Position, hing es doch in Europa nunmehr wie ein Relikt vergangener Zeiten zwischen freiheitlicher Demokratie auf der einen und Sowjetkommunismus auf der anderen Seite fest.

Insgesamt handelt es sich um eine sehr gut recherchierte, erkenntnisreiche und anregend geschriebene Untersuchung. Der Autor schafft es, den Leserinnen und Lesern einen interessanten Einblick in die Untiefen der internationalen Diplomatie während des Zweiten Weltkriegs und die umfassenden Spionagetätigkeiten zuvorderst Großbritanniens, aber auch des Deutschen Reichs in Spanien zu geben. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang gerade der Exkurs zum Sanmiguel-Netzwerk, zeigt er doch einmal pars pro toto, wie Spionage eigentlich in der damaligen Zeit betrieben wurde und welche Risiken sich für Personen auftaten, die als Informanten vor Ort Nachrichten sammelten, auf denen dann die weiteren Schritte auf der politisch-diplomatischen Bühne fußten. Auch in dieser Studie wird einmal mehr gezeigt, dass es Franco nicht etwa durch ein ihm früher zugeschriebenes, äußerst geschicktes Taktieren gelang, Spanien aus dem Krieg herauszuhalten, sondern dass vielmehr sein im Einzelnen widersprüchliches Lavieren zwischen den Kriegsparteien und der für seine Art der Herrschaftsausübung so charakteristische Attentismus ausschlaggebend waren.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ronald Richter: Emilio Grandío Seoane, A Balancing Act. British Intelligence in Spain During the Second World War, Brighton (Sussex Academic Press) 2017, XIV–182 p., 11 ill. (Sussex Studies in Spanish History), ISBN 978-1-84-519-884-8, GBP 65,00., in: Francia-Recensio 2018/1, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45920