Überblicksdarstellungen zu Geschichtsthemen erfreuen sich nicht nur im Fernsehen weiterhin wachsender Beliebtheit. Auch die beiden hier primär aus Sicht des Zeithistorikers zu besprechenden Bücher versuchen, eine Leserschaft jenseits der engeren Fachwelt zu erreichen. Das erste präsentiert einen Querschnitt durch die 2006 eröffnete Dauerausstellung »Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen« des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin; das zweite erschien im Zusammenhang der Sonderschau »Germany – Memories of a Nation« des British Museum von 2014/2015, die danach abgewandelt im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigt wurde.

Geschichtspolitischer Kontext der DHM-Gründung 1987 waren zum einen die durch die andauernde Zweistaatlichkeit befeuerten Identitätsdebatten, zum anderen die im »Historikerstreit« gipfelnden Auseinandersetzungen um den Stellenwert der NS-Vergangenheit. Angesichts der gewandelten Zeitumstände konnte das zunächst in West-Berlin ansässige Museumsprojekt 1990 das altehrwürdige Zeughaus Unter den Linden übernehmen, welches zuvor die DDR-Institution Museum für Deutsche Geschichte beheimatet hatte. Dort erfolgte eine vorläufige Sammlungspräsentation, deren doppelbändiger Katalog »Bilder und Zeugnisse der deutschen Geschichte« mit zusammen mehr als 800 Seiten 1997 erschien.

Konziser nimmt sich die vorliegende Publikation aus, die auf der im Jahr nach Eröffnung der Dauerausstellung erschienenen Erstausgabe beruht. Der reichbebilderte Rundgang erschließt Epochenbereiche vom Frühmittelalter um 500 bis zur Gegenwart um 1990, die wesentlich den etablierten Zäsuren der Politikgeschichte entsprechen – kommentarlos entfiel der ursprünglich einleitende Kurzabschnitt »Kelten, Germanen und Römer«. Ferner wurden kleinere Textänderungen vorgenommen, sodass nun bezüglich der Kolonialpolitik in Deutsch-Südwestafrika das Wort »Völkermord« (S. 198) zu lesen ist und ein Fackelzug zur NS-Machtübernahme als spätere Reinszenierung ausgewiesen ist (S. 238).

Zudem kann die Neuausgabe mit einer attraktiveren und repräsentativeren Covergestaltung aufwarten: Anstelle des beim Vorgängerband verwendeten, ohne zusätzliche Erläuterungen kaum aussagekräftigen Gemäldes »Abschied der Auswanderer« (Antonie Volkmar, 1860) findet sich eine Geschichtsmontage. Sie zeigt – basierend auf Anton von Werners bekanntem, im DHM ausgestellten Kolossalwerk »Eröffnung des Reichstages im Weißen Saal« (1893) – ein historisches Wimmelbild um Bismarck, Wilhelm II. und zahlreiche andere Uniformträger herum. Auszumachen sind beispielsweise eine Ritterrüstung, ein »Rosinenbomber« und ein Trabant, aber auch Porträts von Martin Luther, Friedrich dem Großen und Sophie Scholl.

Die Thematisierung der NS-Zeit umfasst ungefähr ein Fünftel der Katalogseiten und ist in dieser Größenordnung nicht zuletzt als Antwort auf kritische Stimmen zu verstehen, die vor einer musealen »Entsorgung der deutschen Geschichte« gewarnt hatten. Für die judenfeindliche Propaganda stehen Objekte wie ein antisemitisches Kinderbuch und ein sexualisiertes »Stürmer«-Plakat, für den Völkermord ein Faksimile des Protokolls der Wannsee-Konferenz und ein detailliertes Modell von Gaskammern und Krematorium in Auschwitz-Birkenau. Positiv fällt in dem Zusammenhang auf, dass übereinstimmend mit der neueren Forschung weitere Opfergruppen der nationalsozialistischen Rassenpolitik wie etwa Sinti und Roma berücksichtigt werden.

Ähnlich breiten Katalograum beansprucht die fast viermal längere Zeitspanne von 1945 bis 1990. Die Abschnitte zur Zweistaatlichkeit behandeln in einer Parallelperspektive auch die ansonsten eher unterbelichtete Gesellschafts- und Konsumgeschichte. Als Exponate besonders hervorzuheben sind für den – bundesrepublikanisch sozialisierten – Rezensenten ein bei der Schleyer-Entführung eingesetzter Kinderwagen sowie ein Sicherheitszaun der geplanten Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, der interessanterweise als Schenkung der Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgewiesen ist. Beschlossen wird der Band recht teleologisch mit dem »Weg zur Einheit Deutschlands« (S. 383), den etwa eine Druckausgabe des Staatsvertrags über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion illustrieren soll.

Im Vergleich dazu präsentiert die zweite Publikation eine britische Perspektive auf die deutsche Geschichte, die von der Gutenberg-Bibel bis zur Reichstags-Renovierung reicht und damit zumindest einige Entwicklungen der Nachwendezeit einbezieht. Verfasst hat sie der Kunsthistoriker Neil MacGregor als damaliger Direktor des British Museum, der mittlerweile zur Gründungsintendanz des Berliner Humboldt-Forums gehört. Seine ebenfalls reichbebilderten Ausführungen heben explizit auf Fragen von Identität und Erinnerung ab, überdies erlauben politische Karten vom Heiligen Römischen Reich bis zur Bundesrepublik nach 1990 eine geographische Verortung historischer Geschehnisse.

Zu Beginn beschreibt MacGregor im Blick von außen die deutsche Geschichte generell als »unvermeidlich fragmentiert, gleichermaßen bereichernd wie verwirrend« (S. 29). Der gebürtige Schotte versteht den Partikularismus durchaus als positiven Faktor, der die Durchsetzung der Reformation nach 1517 genauso ermöglicht habe wie die Blüte des Kulturlebens im 18. und 19. Jahrhundert. Eine bisher wohl nicht allzu oft historisch gewürdigte Folge des Föderalismus schildert ein Kapitel unter der Überschrift »Ein Volk, viele Würste«, das sich augenzwinkernd den trotz fortgesetzter Standardisierung bis heute regional unterschiedlichen Ess- und Trinkgewohnheiten widmet.

Bemerkenswert erscheint MacGregor außerdem der nachwirkende Einfluss der NS-Zeit darauf, »auf welch einzigartige Weise das heutige Deutschland mit seinem historischen Erbe und seinen komplexen, sich wandelnden Erinnerungen ringt« (S. 39). Zur Veranschaulichung dieser These dient ein Spaziergang zu Geschichtsorten rund um das Brandenburger Tor, der abschließend an Reichstags-Gebäude und Schlossplatz wiederaufgenommen wird. Die Kapitel zur nationalsozialistischen Herrschaft fokussieren auf die Kunstpolitik und das Konzentrationslager Buchenwald. Infolge des Mauerbaus erstrecke sich dann bis 1990 über Deutschland – anspielend auf das Werk der Schriftstellerin Christa Wolf – ein »geteilter Himmel« (S. 59).

Bilanzierend betrachtet profitieren die besprochenen Veröffentlichungen von den hervorragenden Sammlungen der jeweils beteiligten Museen – MacGregor greift darüber hinaus wiederholt auf DHM-Bestände zurück. Im deutschen Katalog ist die Politikgeschichte und die Chronologie dominanter, der Objektbezug direkter und der Textumfang knapper. Der stärker thematisch gegliederte britische Band setzt Abbildungen tendenziell illustrativ ein, kann aber mehr in die inhaltliche Tiefe gehen. Beide gehören wie »Die Deutschen und ihre Mythen« (2009) des Politologen Herfried Münkler oder »Was ist deutsch?« (2017) des Germanisten Dieter Borchmeyer zur zunehmend erfolgreichen Gattung der Überblicksdarstellungen, die gut lesbar gegen eine bisweilen postulierte Geschichtsvergessenheit antreten.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Johannes Zechner, Rezension von/compte rendu de: Hans Ottomeyer, Hans-Jörg Czech (Hg.), Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen, Darmstadt (Konrad Theiss Verlag) 2015, 384 S., 450 Abb., ISBN 978-38062-3302-5, EUR 29,95; Neil MacGregor, Deutschland. Erinnerungen einer Nation, Aus dem Englischen von Klaus Binder, München (C. H. Beck) 2015, 640 S., 335 Abb., 8 Kt., ISBN 978-3-406-71232-6, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2018/1, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45922