Ökologische Aspekte waren zentral für die Geschichte des Imperialismus, wurden offenbar jedoch als so selbstverständlich angesehen, dass sie, argumentiert Corey Ross, in der Imperien-Historiografie lange keine angemessene Würdigung erfuhren. Dem in Birmingham lehrenden Historiker ist es in seiner in enger Tuchfühlung mit der aktuellen Forschung geschriebenen Darstellung nun darum zu tun, den europäischen Imperialismus in Asien und Afrika vornehmlich als sozio-ökologisches Unterfangen zu deuten, welches seit dem 19. Jahrhundert die globale Biosphäre nachhaltig transformiert hat. Mit breitem thematischem und geografischem Zugriff zeichnet er souverän und kenntnisreich die vielfältigen Verflechtungen von Umwelt- und Imperienhistorie nach. Er zeigt, wie die Verheißung von Ressourcen, aber auch die Bedrohung durch Krankheiten die Geografie der europäischen Expansion entscheidend prägten.
Zugleich hatte Europas wachsende imperiale Macht beträchtliche ökologische Implikationen. Getragen von fossilen Energien, konsumierten die Ökonomien der Industriemächte seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts Ressourcen und produzierten Güter in bislang ungekanntem Ausmaß. Als in diesem Zusammenhang die Nachfrage nach Rohstoffen beträchtlich anstieg, banden neue Transport- und Kommunikationstechnologien Produzenten, Konsumenten und Ökosysteme immer enger und über immer größere Distanzen zusammen. Der daraus resultierende Hunger nach Land und anderen Ressourcen formte nicht nur die Kolonialperiode, sondern, so eine zentrale These der Studie, wirkt bis heute nach.
Das Buch ist in drei substanzielle Abschnitte gegliedert. Der erste Teil umfasst sechs Fallstudien, die verschiedenen cash crops (Baumwolle, Kakao und Gummi) und im weitesten Sinne Bergbauerzeugnissen (Zinn, Kupfer und Öl) gewidmet sind. Zu diesen Gütern liegt jeweils bereits eine umfassende Forschungsliteratur vor. Ross gelingt es jedoch, durch seinen komparativen Ansatz neue interessante Perspektiven zu generieren. Am Beispiel von Gummi zeigt er etwa, dass die ökologischen Eigenschaften dieses Produkts zwar die Art und Weise des Anbaus prägten, verschiedene Formen des Pflanzens aber nur vor dem Hintergrund lokal spezifischer sozioökonomischer und politischer Faktoren erklärt werden können. Gummi wurde in einigen Fällen auf großen Plantagen produziert, häufig jedoch in die saisonal geprägte kleinbäuerliche Produktion integriert, deren Methoden sich nicht selten als effizienter erwiesen als die »wissenschaftlichen« Verfahrensweisen der Europäer.
Der zweite Teil der Darstellung diskutiert an den Beispielen Wildtiere, Forst- und Landwirtschaft Fragen von Naturschutz und Umweltmanagement in der Zwischenkriegszeit. Dem Autor geht es hier weniger um den bereits gut erforschten Aspekt der Erarbeitung, Umsetzung und Infragestellung kolonialer Naturschutzmaßnahmen und Entwicklungspläne. Er richtet sein Augenmerk vor allem auf die Einbeziehung lokalen Wissens in diese Prozesse und die daraus resultierende zumindest partielle oder temporäre Akzeptanz europäischer Vorgehensweisen durch Kleinbauern und Jäger. Insgesamt entwirft Ross ein sehr nuanciertes Bild imperialer Hegemonie und Expertise und zeigt, wie Ideen im Bereich des Naturschutzes beständig debattiert und an lokale ökologische Bedingungen angepasst wurden.
Ein dritter großer Abschnitt des Werks befasst sich schließlich mit der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg und mit dem Aufstieg des »Entwicklungsstaates« sowie den langfristigen Auswirkungen imperialer Herrschaft. In diesem Zusammenhang sieht Ross die Dekolonisation weniger als Bruch, sondern betont die imperialen Ursprünge der ökologischen Modernisierungsdiskurse im späten 20. Jahrhundert.
Ross steht es fern, die negativen ökologischen Konsequenzen des Imperialismus kleinzuschreiben. Auf globaler Ebene, unterstreicht er, habe die Ausbeutung von Ressourcen in den Kolonien zugunsten der Metropolen tropische Ökosysteme erodieren lassen, einheimische Bevölkerungen um ihren Reichtum betrogen und lokale Ökonomien langfristig geschädigt. Zugleich unterstreicht seine Studie materialreich die Mehrdimensionalität dieses Prozesses. Obgleich europäische Pflanzer, Minenunternehmer, Konzessionäre und Verwalter zu einem Gutteil für Transformationen der Umwelt Verantwortung trugen und Konsumenten im Westen den Löwenanteil der Früchte dieser Eingriffe genossen, boten sich vornehmlich für lokale Eliten neue Möglichkeiten.
Das sozio-ökologische Projekt des Imperialismus, argumentiert Ross, war in vielerlei Hinsicht eine Art Franchise-Unternehmen, das die aktive Beteiligung der kolonialen Untertanen benötigte und zuweilen gar einforderte. Die Geschichten der Kakaoproduzenten in der Goldküste (Ghana), der Gummi produzierenden Kleinbauern auf Sumatra oder der chinesischen Minenunternehmer in der Diaspora sind einige gut erforschte Beispiele für die Handlungsmacht der Kolonisierten.
Zu guter Letzt verweist der Autor zu Recht auf die Vielfalt der europäischen ökologischen Interventionen in den Kolonien, die nicht allein die Plünderung tropischer Ökosysteme umfasste, sondern ebenso Anstrengungen, den Schaden zu begrenzen oder gar rückgängig zu machen. Naturschutz war gleichsam die Kehrseite der Ausbeutung von Rohstoffen. Im Verlauf der Kolonialperiode führte die wachsende Sorge über die unverantwortliche Verschwendung natürlicher Ressourcen zu einem System von Regularien zum Schutz der Umwelt. Entsprechende Maßnahmen waren nicht immer effektiv, griffen häufig in lokale Landnutzungspraktiken ein und blockierten den Zugang Einheimischer zu Ressourcen. Sie halfen Ross zufolge insgesamt aber, einige der schlimmsten Auswüchse ökonomischer Ausbeutung einzudämmen.
»Ecology and Power in the Age of Empire« bietet insgesamt eine vorzügliche, differenzierte Synthese eines höchst relevanten globalgeschichtlichen Themenfelds. Sie wird für viele Jahre als eine zentrale Referenz sowohl im Feld der Umweltgeschichte als auch im Bereich der Empiregeschichte dienen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Andreas Eckert, Rezension von/compte rendu de: Corey Ross, Ecology and Power in the Age of Empire. Europe and the Transformation of the Tropical World, Oxford (Oxford University Press) 2017, X–477 p., ISBN 978-0-19-959041-4, GBP 45,00., in: Francia-Recensio 2018/1, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.1.45922