Konkurrenz in mittelalterlichen Gesellschaften (400–1000): Diese Thematik steht im Mittelpunkt einer eng mit Régine Le Jan und Geneviève Bührer-Thierry (Université de Paris 1 – Panthéon-Sorbonne) verbundenen internationalen Tagungsreihe, die bereits zwei Sammelbände in der Reihe »Haut Moyen Âge« zu »Agón, La compétition, Ve–XIIe siècle« (2012)1 und »Compétition et sacré au haut Moyen Âge: entre médiation et exclusion« (2015)2 hervorgebracht hat – der Band der zweiten Tagung in der Reihe zu »Genre et compétition dans les sociétés occidentales du haut Moyen Âge (IVe–XIe siècle)« ist für Juli 2018 angekündigt.

Nach den drei genannten Tagungen bietet der vorliegende Band die von Vito Loré, Geneviève Bührer-Thierry und Régine Le Jan herausgegebenen Ergebnisse des vierten Treffens innerhalb der Tagungsreihe, das 2013 in Rom unter Beteiligung französischer und italienischer Universitäten sowie Institute stattgefunden hat. Der Sammelband vereint italienische, französische und englische Beiträge, die sich im Spannungsfeld von materiellen Ressourcen und politischer Konkurrenz im Früh- und Hochmittelalter bewegen, wobei die Beiträge mit Nord- und Zentralitalien einen Schwerpunkt ausbilden, dann aber auch West- und Nordwesteuropa untersuchen und schließlich sogar das Königreich Norwegen berühren.

Die zentrale Überlegung der Tagung, nämlich die Bedeutung materieller Ressourcen in Konkurrenzsituationen in mittelalterlichen Gesellschaften, wird in der Einleitung von Vito Loré vorgestellt und weiter ausgeführt. So führen Konkurrenzsituationen entweder dazu, materielle Ressourcen zu mobilisieren oder diese Konstellationen durch die Knappheit bzw. das Fehlen materieller Ressourcen zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang schlägt Vito Loré vor, neben den Entwicklungslinien der Konkurrenzsituation, nach dem Verhältnis zwischen der Verfügbarkeit materieller Ressourcen, Herkunft dieser Ressourcen und Formen der Konkurrenz zu fragen. Innerhalb dieser Situationen steht der Adel häufig im Mittelpunkt, wobei dieser Fokus nicht absichtlich gewählt ist, er häufig eine Frage der Überlieferungschance ist, weshalb auch andere Akteure in den Blick genommen werden. Mit Bezug auf Karl Polanyi fragt Loré gleichzeitig nach kulturgestützten Formen der Mobilisierung, Verteilung und Kontrolle von Ressourcen.

Nun würde man die Vorstellung der ersten Sektion oder des ersten Kapitels erwarten. Aus unbekannten Gründen wurden die Sektionen der Tagung nicht in die Gliederung des Sammelbands zur besseren thematischen Erschließung der Beiträge übernommen3. Dies kann eigentlich nicht mit der geringen Anzahl jener Beiträge zu tun haben, die auf der Tagung zwar vorgetragen, jedoch nicht in den Sammelband aufgenommen wurden. Zur besseren Orientierung der Leserinnen bzw. Leser werden deshalb die ursprünglichen Sektionstitel eingefügt.

Die erste Sektion trug den Titel »Héritages« (Erbe) und wird im Sammelband durch zwei Beiträge repräsentiert. Cristina La Rocca und Ignazio Tantillo analysieren auf der Basis der »Variae« von Cassiodor die Konkurrenz um das Verfügungs- und Schutzrecht über familiäre Grabbeigaben zwischen herrschaftlichen und bischöflichen Autoritäten in der Regierungszeit des Ostgotenkönigs Theoderich. Rund 200 Jahre später unter dem Langobardenkönig Liutprand beobachtet Tiziana Lazzari die hinter der Gesetzgebung stehenden Konflikte um die Erbrechte von Frauen und kann die Dynamik der königlichen Gesetzgebung zeigen, mittels welcher der König die Erbrechte stärkte bzw. verschiedene Praktiken (unter anderem die Morgengabe) in der Weise regulierte, dass er der Konzentration von Besitz entgegenwirkte. Einen Schritt weiter geht Tiziana Lazzari, indem sie nachweist, wie die königliche Politik der folgenden Jahre durch das Zusammenspiel von Aktionen des Königs und Reaktionen der betroffenen Väter und Brüder beeinflusst wurde.

Es folgt die zweite Sektion »Pouvoir politique: les enjeux« (Politische Macht: die Streitgegenstände) mit vier Beiträgen. Familiären Besitz kennen wir bereits aus der ersten Sektion. Im Beitrag von Giuseppe Albertoni handelt es sich vorwiegend um Land- und Forstbesitz in den Alpen zwischen Südtirol und Slowenien, der lokalen Gemeinschaften gehörte und den sich Eliten aneignen wollten. Diese Auseinandersetzung vermag Giuseppe Albertoni anhand der sogenannten libri traditionum nachzuvollziehen. Dabei wird die dominierende Stellung von Klöstern und Bischöfen deutlich, die dadurch erklärt werden kann, dass sie sich sowohl um den Besitz bemühten als auch die Rolle von Vermittlern innerhalb der Rechtsgeschäfte übernahmen – eine Asymmetrie, die sie zu ihren Gunsten ausnutzten.

Im Zentrum des Beitrags von Matthias Hardt steht die Ausfuhr von Sklaven in muslimische und asiatische Reiche als Ressource für Einkommen und Edelmetalle slawischer Fürsten des Früh- und Hochmittelalters, die wiederrum um die Ressourcen konkurrierten bzw. sie als Mittel im Machtkampf nutzten. Adrien Bayard führt den Leser bzw. die Leserin in die soziale Konkurrenzsituation und den politischen Machtkampf zwischen den lokalen Eliten der Auvergne des 9. und 10. Jahrhunderts ein. Den Hügelsiedlungen kommen dabei wichtige Rollen in der Ausübung von Herrschaft, der Akkumulation von Ressourcen und in der Darstellung sozialen Prestiges zu. Mit der Weber’schen Kategorie der »Standen« (sic) – hier liegt ein Fehler in der Übertragung aus der französischsprachigen Edition von Webers »Wirtschaft und Gesellschaft« vor – versucht Adrien Bayard die Beobachtungen konzeptuell zu verankern. Sicherlich wäre es sehr aufschlussreich gewesen, statt auf den Standesbegriff zurückzugreifen, der erstens stark auf die »Standesehre« abhebt und zweitens eine politische Konstitution voraussetzt, die im vorliegenden Fall sicherlich nicht zu beobachten ist, zu beschreiben, welche gemeinsamen Vorstellungen und Werte den mittels der Ressourcen dargestellten »Lebensstil« des Adels zwischen 800 und 900 ausmachen, das als Set vorausgesetzt, aber nicht weiter ausgeführt wird.

Es folgt der Beitrag von Lucie Malbos, die den Machtkampf zwischen König Olaf II. von Norwegen und Knut dem Großen um das norwegische Königreich behandelt. Es mag modern anmuten, dass Olaf versuchte, mittels der durch Kooperationen mit Mittelsmännern erreichten Mobilisierung bzw. Kontrolle von Ressourcen, insbesondere des Getreides, den Machtkampf für sich zu entscheiden. Allerdings fällt in diesem Zusammenhang die Kontrolle über die soziale Ressource der Gefolgschaft weit stärker ins Gewicht, über die Knut in viel größerem Maße verfügt und den Machtkampf somit auf politischem und militärischem Feld entscheiden kann.

Die dritte Sektion. »Le pouvoir politique: les règles« (Die politische Macht: die Regeln) schließt thematisch an die vorherige in der Weise an, dass nun nach den Regeln der politischen Macht gefragt wird. Mit dem sogenannten aurum pagense behandelt Jean-François Boyer eine Form von Fiskalgeld in den merowingischen Königreichen, das nicht mit Blick auf den Handel, wie in der Forschung zu lesen sei, sondern als Mittel der Steuererhebung und -eintreibung entworfen wurde. Durch seinen Einfluss auf das Fiskalsystem konditionierte es nicht nur die Regierungsführung und Machtausübung, sondern wurde auch zum Objekt eines Wettbewerbs um seine Kontrolle nicht nur durch die Könige, sondern auch auf einer subalternen Ebene durch lokale Gruppen und Individuen.

Im folgenden Beitrag wird um das Fiskalgut im Königreich von Italien in der Regierungszeit Hugos von Arles gestritten, da letzterer es zur Ausstattung seiner Gefolgsleute nutzte. Analysiert werden die Vorgänge von Giacomo Vignodelli, der das »Politicum quod appellatur Perpendiculum« des Atto von Vercelli gleichsam als Modell zur Analyse der genutzten Instrumente zur Kontrolle des Fiskalguts und des politischen Kontexts Oberitaliens im 10. Jahrhundert nutzt, das partiell durch die Karrieren zweier fideles des Hugo von Arles bestätigt wird.

Der Beitrag von Giovanna Bianchi und Simone M. Collavini versteht sich vor allem als Aufruf, Schriftquellen und materielle Quellen besser zu integrieren. Konkret geht es um die Überprüfung des historiografischen Modells der Etablierung der Grundherrschaft (signoria rurale) in der Toskana – auf die gleichzeitige Debatte in der französischsprachigen Forschung über die sogenannte révolution féodale verweisen die Autoren explizit. So können archäologische Befunde das Modell zwar in den Grundzügen bestätigen, aber die zeitliche Entwicklung der mit der Grundherrschaft verbundenen wirtschaftlichen Transformation muss modifiziert werden. Die Befunde können zeigen, dass bereits im 11. Jahrhundert die Produktionsweisen verändert wurden, bevor sich die Grundherrschaft etablieren konnte, die dann die Regeln der Produktion und Verteilung neu definierte.

Die vierte Sektion »Églises« zu Kirchen bildet den umfänglichsten Bereich. Auf den Bedeutungswandel von Burgen geht Alessio Fiore ein. Von 900 bis in die 1060er Jahre dienten sie dem Adel zur Kontrolle und Schutz ihres Landbesitzes. Im Zuge des Investiturstreits und der ausbrechenden Konflikte auf der italienischen Halbinsel ändert sich aber die Rolle der Burgen, die von Plätzen des Schutzes (incastellamento) zu Orten der Herrschaft und der Rechtsprechung über ländliche Gebiete werden. Die adlige Bannherrschaft (seigneurie banale) bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Gebiet nicht physisch beherrscht werden muss, um auf Einnahmen aus weltlichem wie kirchlichem Gut aufgrund von Rechten Zugriff zu erhalten.

Die neue Einnahmensituation spiegelt sich im Ausbau der Burgen in Steinbauweise wider, was als äußeres Zeichen der neuen politischen und ökonomischen Rolle der Burgen gewertet werden kann, so Fiore. Im Folgenden stehen weniger die Ressourcen kirchlichen Gutes als die Institutionen selbst im Zentrum konkurrierender Ansprüche, welche die Ressourcen verwalten. Dabei handelt es sich um die Abteien Saint-Vaas in Arras und Sankt Servatius in Maastricht, deren Besitzgeschichte Horst Lößlein für die Zeit Karls III. des Einfältigen vorstellt. Im Fall von Saint-Vaast wurden die königlichen Ansprüche gegen Graf Balduin von Flandern verteidigt, der es auf den räumlich vorteilhaft verteilten Besitz der Abtei abgesehen hatte. Demgegenüber stellt Sankt Servatius von Maastricht ein Objekt dar, auf das Karl III. als Gunsterweis immer wieder zurückgriff, um Gefolgsleute anzuwerben und sie im Konkurrenzkampf mit seinen Rivalen an sich zu binden.

Den Wettbewerb um die Ressourcen von Kirchen und Abteien in der Toskana untersucht Marco Stoffella, wobei er vier Phasen unterscheidet: Ausweitung des Besitzes zwischen dem 8. und der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, erhöhter Wettbewerb um den Besitz der Institutionen, zunehmender Rückgang in den ersten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts, der sich im 10. und bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts fortsetzt. Akteure des Wettbewerbs waren vor allem die Mitglieder des mittleren und höheren Adels, die sich um die Zuschreibung von kirchlichen Einkünften und Zehntzahlungen bemühten.

Auf welche Weise diese Besitzübertragung möglich war, vermag Marco Stoffella zu veranschaulichen, indem er nachweisen kann, dass häufig ein Bischof einen Pfarrer als Platzhalter einsetzte, der sogleich den Besitz der übertragenden Pfarrei ganz oder in Teilen an einen vom Bischof ausgewählten Adligen zu überschreiben hatte. Diesem institutionellen Besitzverlust stehen gleichzeitig einzelne Ausgleichprozesse in Form von Renten oder gräflichen Stiftungen an geistliche Institutionen entgegen, die sich im 11. Jahrhundert fortsetzen.

Einem spezifischen Mittel des Besitzerwerbs im kirchlichen Kontext hat Émilie Kurdziel ihren Beitrag gewidmet. Auf der Überlieferungsbasis von vier Domkapiteln im nördlichen Italien kann sie zeigen, dass gefälschte Urkunden im 11. und 12. Jahrhundert nicht nur im Zuge der Kirchenreform und der politischen Veränderungen der Zeit, sondern auch im Kontext des Wettbewerbs zwischen kirchlichen Akteuren – dessen Existenz jedoch durch andere Quellen als die Urkunden selbst erschlossen werden muss – verstärkt genutzt wurden, um nicht nur einen Beweis des legalen Anspruchs zu führen, sondern auch den Gegner in der weiteren Auseinandersetzung unter Druck zu setzen. Wurden die Fälschungen nicht rechtzeitig erkannt und konnten Rechtsansprüche darauf aufgebaut werden, spielte die Zeit eher zugunsten der Fälscher, da sich die Bestätigungen ihrer gefälschten Texte im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts akkumulierten und sie ihnen in der Sache damit Recht gaben. Von der normativen Ebene der Urkunden führt Thomas Kohl im letzten Beitrag der Sektion in die »narrativen Figuren« ein, welche die um Landbesitz und Rechte im Anjou des 11. Jahrhunderts konkurrierenden Klöster nutzten. Hier unterscheidet Kohl zwischen den Figuren des Vertragsarguments, des Lehnsarguments, des Arguments des Kirchengutes und des Arguments der bischöflichen Kontrolle, die genutzt wurden, um geistliche oder weltliche Entscheidungsträger vom jeweiligen Rechtsanspruch zu überzeugen. Ihre Übernahme in die urkundlichen narrationes ist vor diesem Hintergrund sicherlich kein Zufall. Äußert sich die Auseinandersetzung um Ressourcen durch konkurrierende Narrative, sichern neugefundene Narrative jenen Zustand ab, der durch eine Einigung in dem Streit gefunden wurde.

Die letzten beiden Beiträge des Sammelbandes standen während der Tagung unter der Überschrift »Échanges« (Austausch/Handel). Christopher Loveluck als Spezialist für die Archäologie von Häfen und Küstenlandschaften des Frühmittelalters kann zeigen, dass nicht nur der in den meisten vorherigen Beiträgen vertretene Adel, sondern auch die Landbevölkerung durch den frühmittelalterlichen Seehandel, bspw. mit Salz, große Mengen an beweglichen Besitz und Wertgegenstände akkumulieren konnte, welche die Basis für eine eigene Dynamik des ökonomischen und sozialen Wettbewerbs innerhalb der Landbevölkerung darstellte. Ähnliches lässt sich für die Schicht der Händler in den größeren Küstenemporia beobachten, die sich erst ab der Mitte des 10. Jahrhunderts von der materiellen Kultur beweglicher Wertgegenstände abwandte, um in einen Wettbewerb mit den unteren Rängen des landbesitzenden Adels einzutreten, mit denen sich die Händler ab dem 11. Jahrhundert eine aktive Konkurrenz leisteten.

Schließlich widmet sich Alessia Rovellie der Rolle des Geldes in politischen Konkurrenzsituationen des Frühmittelalters. Dabei bietet sie in einem großen chronologischen und geografischen Bogen einen Überblick über die Münzprägungen auf der italienischen Halbinsel. Geleitet wird sie von der Frage, welche Faktoren die Quantitäten und Qualitäten der Prägung sowie ihre epigrafische und ikonografische Ausgestaltung beeinflusst haben. Anhand ausgewählter Kontexte von Tributzahlungen, militärischen Ausgaben sowie politischer und wirtschaftlicher Konkurrenz weist sie auf die hohe Funktionalität von Geld als materiellem und kommunikativem Medium in Situationen von Konkurrenz und coopétition hin4.

Die Zusammenfassung des Bandes wurde von Laurent Feller, Spezialist für die mittelalterliche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, verfasst. Darin weist Feller auf den anthropologischen Ansatz der Beiträge hin, die (trotz einer der Wirtschaftsgeschichte nahestehenden Wortwahl der Herausgeber) den Begriff »Ressourcen« nicht in einer ökonomischen Lesart stricto sensu gebraucht haben. Es geht gerade nicht um Handel, Arbeit oder ökonomische Werte. Die behandelten Ressourcen sind zunächst materieller, dann aber auch symbolischer, religiöser und politischer Art. Sichtbar werden sie, weil sie zu Macht und Herrschaft beitragen. Vor diesem Hintergrund erscheint es Feller bedauerlich, dass die Rolle des Krieges in Prozessen des Erwerbs, der Erhebung und der Kontrolle von Ressourcen nicht stärker hervorgehoben bzw. untersucht wurde.

Nach diesen einführenden Bemerkungen nimmt Feller eine Einordnung der Beiträge in vier Themenbereiche vor, die er wie folgt benennt: »1. L’inscription des transactions, la mémoire, l’histoire« (Gedächtnis und Geschichte); »2. Biens symboliques et biens sacrés« (Symbolische und heilige Güter); »3. Échange marchand, échange non marchand et coopétition« (Marktförmiger und nichtmarktförmiger Austausch sowie Coopetition); »4. Monnaies et moyens de paiement« (Geld und Zahlungsmittel); »5. Compétions pour le territoire et transformations sociales« (Konkurrenz um Land und soziale Transformationen). In diesen neuen Anordnungen erhalten die Ergebnisse der Beiträge nicht nur eine neue konzeptuelle Ausrichtung, sondern werden mit Blick auf bestehende Forschungsdebatten synchronisiert, sodass die Ergebnisse die Debatten erneut zu befeuern vermögen, so z. B. la mutation féodale, incastellamento. Schließlich weist Feller auf das heuristische Potenzial des von den Herausgebern vorgestellten Konzepts des »Wettbewerbs« (compétition) hin, das zum einen den Blick auf seine Formen in mittelalterlichen Gesellschaften und die im Zentrum stehenden Objekte öffnet und zum anderen die Frage nach seinen Antonymen (Kooperation) oder alternativen Lösungen (coopétition) stellt (S. 348).

Abschließend bleibt zu sagen, dass man den Sammelband mit großem Gewinn liest. Das mag vor allem daran liegen, dass mit dem Konzept »Konkurrenz« nach Gewinnern und Verlierern in Auseinandersetzungen um Ressourcen gefragt wird, um die es doch eigentlich kaum Konkurrenz und vor allem nicht in dieser Form geben dürfte. Würde man doch nach hergebrachter Sicht denken, dass normative Ordnungen, wie das »Lehnswesen« oder herschliche Gunst, den Großteil der Erwerbs- und Tauschtransaktionen bestimmen sollten. Dieses Bild wurde erst in jüngerer Zeit von der Forschung revidiert, die auf ganz unterschiedliche Transaktionsarten und ihre flexible Handhabung durch die Zeitgenossen des Früh- und Hochmittelalters hinwies5.

Das internationale Forschungsprogramm »Les élites au haut Moyen Âge«, mit dem der vorliegende Sammelband personell verbunden ist, hat für diese neue Sichtweise entscheidende Grundlagen gelegt. Die Beiträge des Bandes haben es wiederrum geschafft, die durch Konkurrenz in Gang gekommenen Prozesse in verschiedenen Kontexten zu identifizieren und sehr unterschiedliche Praktiken (Erbschaft, Schenkung, Leihe, Fälschung, Erwerb, Vermittlung, Tausch) in ihren Dynamiken zu beschreiben. Diese Situationen allein auf das Konzept der Konkurrenz zu verengen, wurde durch die Übernahme der drei Modi von Konkurrenz, Kooperation und coopétition vermieden.

Gleichzeitig kommen diese Auseinandersetzungen nicht ohne kooperative Strukturen aus, in die die Akteure eingebunden sind – Familie, Kirche, Hof. Das Verhältnis zwischen den die Konkurrenzsituationen umgebenen Strukturen und den Konventionen, welche die Situationen absichern, aber auch befeuern, erscheint wesentlich, um die Handlungsmodi nicht als immer vorhanden, sondern als historisches Phänomen zu erfassen. Gerade Macht, Prestige und Respekt, die vielen Beiträgen zugrunde liegen, sind ja nur in sozialen Beziehungen realisierbar und bedürfen einer kontinuierlichen Beziehungsarbeit, welche die ebenfalls deutlich hervortretende kontinuierliche Suche nach und die ständigen Auseinandersetzungen um Ressourcen erklären kann.

Kann aber der schon von Weber festgestellte Drang der sozialen Eliten nach Gütern, insbesondere Luxusgütern, als »eminentes Machinstrument zur Behauptung der Herrenstellung« schnell zum sozialen und ökonomischen »Amoklauf« werden6, so ist mit Feller darauf hinzuweisen, dass die Konkurrenz nur in den seltensten Fällen die vollständige Vernichtung des Gegners in Konkurrenzsituationen zur Folge hatte, da diese durch Spielregeln abgesichert waren (S. 346).

Mit dem der französischen Forschung inhärenten weiten Blickwinkel auf Besitz nicht nur als Ausdruck eines Rechtssystems, sondern als Indikator für sozialen Wandel hat der Sammelband ein dynamisches und komplexes Bild von Erwerb- und Besitzverhältnissen des Früh- und Hochmittelalters gezeichnet, das sehr gut in das aktuelle Bild der Forschung passt und die Sicht unterstützt, wonach die im 12. Jahrhundert entstehenden Ordnungsvorstellungen eine Möglichkeit boten, die komplexen Besitzverhältnisse der Zeit zu systematisieren7.

2 Philippe Depreux, François Bougard, Régine Le Jan (Hg.), Compétition et sacré au haut Moyen Âge. Entre médiation et exclusion, Turnhout 2015 (Haut Moyen Âge, 21).
4 Zu diesem Konzept wurde 2015 die fünfte Veranstaltung innerhalb des zuvor genannten Tagungszyklus organisiert. Siehe das Programm online unter:https://lamop.univ-paris1.fr/fileadmin/lamop/colloque_2015/rivaliser_cooperer_mars_2015.pdfhttps://lamop.univ-paris1.fr/fileadmin/lamop/colloque_2015/rivaliser_cooperer_mars_2015.pdf(05.02.2018).
6 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. rev. Aufl., Tübingen 1972, S. 651.
7 Siehe den Überblick bei Patzold, Das Lehnswesen (wie Anm. 5), S. 91–94.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Nils Bock, Rezension von/compte rendu de: Vito Loré, Geneviève Bührer-Thierry, Régine Le Jan (dir.), Acquérir, prélever, contrôler. Les ressources en compétition (400–1100), Turnhout (Brepols) 2017, 366 p., 2 ill. en n/b, 1 ill. en coul. (Haut Moyen Âge, 25), ISBN 978-2-503-56959-8, EUR 75,00., in: Francia-Recensio 2018/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48317