Beinahe 40 Jahre nach der letzten großen Zisterzienserausstellung (Aachen 1980) zeigte nun das LVR-LandesMuseum Bonn vom 29. Juni 2017 bis zum 28. Januar 2018 »Die Zisterzienser – Das Europa der Klöster« (vgl. die Ausstellungsbesprechung von Hanne Grießmann: https://mittelalter.hypotheses.org/12201, 25.05.2018). Neben einem Kinderheft und Begleitbooklet, die beide aktuell noch über die Homepage (http://www.landesmuseum-bonn.lvr.de/de/ausstellungen/die_zisterzienser/die_zisterzienser.html, 25.05.2018) kostenfrei digital verfügbar sind, erschienen ein Ausstellungskatalog und ein Aufsatzband, die es hier beide zu besprechen gilt.

Obgleich äußerlich nicht miteinander in Beziehung gesetzt und auch bei verschiedenen Verlagen erschienen, sind beide Bücher inhaltlich stark miteinander verbunden. So weisen die jeweiligen Einleitungen starke Parallelen zueinander auf und stammen auch von fast identischen Verfassern, nämlich den Herausgebern des Aufsatzbandes, die gleichzeitig die Ausstellung kuratierten und mit Lothar Altringer als viertem Kurator auch den Katalogband einleiteten. Sechs Autoren lieferten Aufsätze für beide Bände, wobei Gert Melvilles Beitrag in beiden Bänden identisch ist.

Der Aufsatzband geht auf ein Kölner Kolloquium im November 2015 zurück und ist damit erfreulich zügig nach den dort gehaltenen Vorträgen erschienen. Er umfasst nach der Einleitung 18 Beiträge, die in fünf Rubriken gegliedert sind.

Im ersten Teil »›Schulen des Herrn‹ – Erfolgsgeschichten einer Idee?« stellt Gert Melville zunächst die Frage nach dem Erfolg der Zisterzienser. Die Antwort liegt nach ihm in der Kombination von der Berufung auf die als Norm monastischen Lebens etablierte Benediktsregel und der Inanspruchnahme der Gewissensfreiheit mit der Schaffung eines innovativen Organisationssystems bei prospektiv gesetztem und ständig fortgeschriebenem Eigenrecht. Hinzu kommt ein personales Moment durch den Charismatiker Bernhard von Clairvaux, das Melville als notwendig für die Verstetigung der »transpersonale[n] Rationalität der Ordenssatzung« (S. 26) ansieht. Die Frage nach der erfolgreichen Wahrung der Identität der ersten Zisterzienser in einem mit der Zeit europaweit agierenden Orden mit Hunderten von Klöstern, der Jörg Oberste im Folgenden nachgeht, indem er etwa die Weiterentwicklung des zentralen »Verfassungstextes« bis zur Carta Caritatis posterior und Konflikte zwischen dem Abt von Cîteaux und den Primaräbten untersucht, beantwortet er schließlich mit dem Verweis auf eine flexible und effiziente Organisation und eine »aktive Erinnerungspolitik« (S. 41) an die Anfänge und die Gründerväter. Maximilian Sternberg widmet sich der Rezeption zisterziensischer Klosterbauten hauptsächlich im Bauhaus und bei Le Corbusier und entlarvt das »Bild der Zisterzienser als Vorreiter der Moderne« (S. 60) als Mythos des vergangenen Jahrhunderts, der mit der Konzentration auf das Kontemplative die vielfältigen Interaktionen mit der Welt weitgehend ausklammerte, obwohl diese für die Funktionalität der Architektur von großer Bedeutung waren.

Matthias Untermann eröffnet den zweiten Teil »Manifestationen in Architektur und Bildlichkeit« mit einem Beitrag zur forma ordinis und belegt anhand der Beispiele Maulbronn, Bronnbach und Otterberg eine gewisse Experimentierfreudigkeit mit neuen Bautypen schon bald nach einem von konventionellen Formen geprägten Baubeginn – mit dem Ziel, Raum für eine steigende Zahl von Nebenaltären zu gewinnen. Kristin Dohmen zeigt an den Beispielen Hoven, Bürvenich, Eppinghoven und Graefenthal sehr verschiedene Baukonzepte für Frauenzisterzen, wobei allen gemein ist, dass bauliche Entscheidungen mit dem Ziel der Inkorporation, aber auch unter Berücksichtigung lokaler Gebrauchserfordernisse – etwa eine Doppelfunktion als Pfarr- und Klosterkirche – sowie baulicher Voraussetzungen getroffen wurden und zu innovativen Lösungen führten.

Mit Buchilluminationen für Zisterzienserinnen und ihren Funktionen für lectio divina und Liturgie beschäftigt sich Nigel Palmer, mit der Bildpolitik der Zisterzienser, Widersprüchen und Missverständnissen Jens Rüffer, wobei Letzterer auf Lücken in den normativen Vorgaben hinsichtlich Grabmalen, Reliquiaren und Wandmalerei aufmerksam macht. Tobias Schöneweis dekonstruiert in seinem Aufsatz zur Architektur zisterziensischer Wirtschaftsbauten unter anderem die »›Schmiede‹ von Fontenay« (S. 160) und schlägt stattdessen eine Deutung des betreffenden Gebäudes der Burgunder Abtei als Brau- und Backhaus vor.

Den »Erscheinungsformen in Schrift und Liturgie« widmet sich im dritten Teil zunächst Fabian Kolb und er beschäftigt sich dabei unter anderem mit der Kodifizierung von Musik über Notation(en), mit den (vermeintlichen) Quellen zisterziensischer Hymnen und Antiphonen sowie mit »musiktheoretische[r] Rationalisierung und Systematisierung« (S. 180) im Zuge des Ordensideals der Einheitlichkeit. Beate Braun-Niehr untersucht detailliert den »Codex Gisle«, ein Graduale aus Rulle, in Hinblick auf seine Konformität mit der geforderten uniformitas der Bücher für den Gottesdienst, die sie grundsätzlich positiv bescheidet. Susanne Wittekind untersucht die Ausgestaltung von Freiheiten in Legendaren, die sich den Zisterziensern auf Grund von – nach Ansicht der Verfasserin – gezielt unterlassenen Regelungen in den normativen Texten eröffneten. Dabei vergleicht sie zisterziensische Legendare auch mit solchen anderer Reformkreise oder Klosterverbände und stellt dabei eine Anpassungsfähigkeit der Zisterzienser an regionale, aktuelle oder Reform-Kontexte heraus.

Im mit »Monastisches Wirtschaftshandeln« überschriebenen vierten Teil stellt zunächst Guido Gassmann die vielfältigen Aufgaben von Konversen dar, die dafür zum Teil über einen nicht zu unterschätzenden Bildungsgrad und Spezialwissen verfügen mussten. Christian Hillen untersucht die Wirtschaftsgeschichte des Klosters Marienstatt, wozu auch eine überraschende Betätigung als Kreditgeber gehörte. Magdalena Maria Rückert zeichnet die wirtschaftliche Entwicklung des Männerklosters Schöntal an der Jagst nach und stellt dabei unter anderem die erfolgreiche, längerfristige Intervention und Kontrolle der Mutterabtei nach einer finanziellen Krise dar, die in Verbindung mit der systematischen Vermehrung von Einnahmequellen zur wirtschaftlichen Stabilisierung führte. Julia Bruch zeigt durch den Vergleich Schöntals mit dem Frauenkloster Niederschönenfeld eine große Ähnlichkeit der jeweils gemischten Wirtschaftssysteme beider Klöster und verweist auf ihre Untersuchung weiterer Männer- und Frauenzisterzen, die diesen Befund bestätigten. Sie beobachtete zwar auch, dass Konversen in Frauenklöstern einen größeren Aktionsspielraum hatten, unterstreicht jedoch die Gehorsamspflicht der Konversen gegenüber den Äbtissinnen.

Im letzten Teil »Orden und Herrschaft« widmet sich zuerst Markus Thome dem Zusammenhang von Begräbnispolitik und Kirchenbau im Spätmittelalter, wo er bei der Anpassung der Zisterzienserarchitektur an das verstärkte Bedürfnis nach Herrschermemoria das Bestreben der Mönche aufzeigt, dennoch eine gewisse forma ordinis zu wahren. Im Anschluss stellen Georg Mölich und Joachim Oepen erste Ergebnisse des (noch nicht abgeschlossenen) »Nordrheinischen Klosterbuchs« vor und Jiři Kuthan untersucht königliche Klöster verschiedener Orden unter Karl IV., wobei er Verbindungen des Baustils mit kaisernahen Prestigebauten der Zeit – etwa der Nürnberger Frauenkirche und dem Prager Veitsdom – aufzeigt.

Kurzporträts der Autorinnen und Autoren, Bildnachweise und ein Orts- und Handschriftenregister runden den reich bebilderten, gebundenen und sogar mit einem Lesebändchen versehenen Band ab.

Dem großformatigen, ebenfalls gebundenen Katalog, dessen durchgehend ansprechende Gestaltung hervorzuheben ist, sind ein Grußwort, das aus aktuellem Anlass das gemeinsame kulturelle Erbe Europas über Nationen und Ländergrenzen hinweg betont, ein Vorwort und eine kurze Einleitung vorangestellt.

Es folgt ein mit »Essays« überschriebener Teil von neun Aufsätzen, die sich Grundsatzfragen des zisterziensischen Kloster- und Ordenslebens widmen. An dieser Stelle soll nur auf zwei Beiträge eingegangen werden. Markus Thome beschäftigt sich unter dem Titel »Einheit und Einfachheit« mit Raumkonzepten und Architektur. Er stellt heraus, dass die starken Parallelen bei zahlreichen zisterziensischen Klosteranlagen nicht von Idealplänen oder Bauvorschriften herrühren, sondern normierten Handlungsabläufen im einheitlichen Klosteralltag des Ordens geschuldet sind. Unter dem Aspekt der Funktion und Bedeutung für den klösterlichen Tagesablauf durchschreitet Thomes Text dann die einzelnen Teile eines Zisterzienserklosters. Ausführungen zu den mit dem Klosterbau verbundenen Akteuren und Netzwerken sowie zu den Entscheidungsprozessen über konkrete Baumaßnahmen schließen den Beitrag ab. Nigel Palmer betrachtet mittelalterliche Handschriften des Ordens unter dem Titel »Vorreiter der Schriftlichkeit«. Dabei stellt er zunächst das Panorama an Manuskripten, die Aufbewahrung und Verwendung der Handschriften und die notwendige Spezialisierung von Schreibern auf unterschiedliche Codices dar. Nach der Vorstellung von Bibelhandschriften, Manuskripten mit Werken der Kirchenväter und liturgischen Codices thematisiert Palmer die Beteiligung von Frauen an der Handschriftenproduktion, wobei er den hohen Grad an Bildung und Lateinkenntnissen der schreibenden Zisterzienserinnen unterstreicht. Den Abschluss bildet ein Hinweis auf die erst langsam in den Fokus der Forschung geratenden Orationalien, also kleinen, für den Privatgebrauch hergestellten Gebetbüchern, aus Medingen. Ob aber ausgerechnet Medingen, das nicht in den Orden inkorporiert war, als »wichtiges Beispiel« für ein »Zisterzienserinnenkloster« dienen kann, in dem sich die Nonnen unter anderem »in ihren privaten Andachten […] und durch ihre handwerklichen Tätigkeiten als Schreiberinnen auch um das Heil der christlichen Gemeinschaft außerhalb der Klostermauern kümmerten« (S. 98), sei dahingestellt.

Unter der Rubrik »Aus der aktuellen Forschung« folgen vier Beiträge zu einzelnen Ausstellungsobjekten oder Klöstern, aus denen Exponate für die Ausstellung stammten. Während Ulrike Bergmann, Katharina Liebetrau und Doris Oltrogge die Ergebnisse einer kunsttechnologischen Untersuchung der »Marienstatter Tafeln« vorstellen und ihr ursprüngliches Aussehen nicht zuletzt mit Hilfe einer Infrarotaufnahme rekonstruieren, präsentiert Sabine Lepsky Grabungsergebnisse von der Altenberger Klosteranlage, anhand derer sie die Baugeschichte der Abtei schildern kann.

Reinhard Karrenbrock spürt der mittelalterlichen Ausstattung der Kamper Abteikirche nach, deren Teile sich vielfach in anderen Kirchen erhalten haben. Teil der Ausführungen ist die überzeugende Argumentation, dass das seit Ende des 15. Jahrhunderts in der (ehemaligen) Kartäuserkirche in Weddern bei Dülmen befindliche Chorgestühl aus Kamp stammen dürfte. Abschließend widmet sich Rudolf Bergmann vier Grangien des Klosters Hardehausen und geht im Detail auf Rozedehusen ein, wo in archäologischen Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, dass die Grangie nicht nur ein Agrarbetrieb war, sondern auch über Anlagen zur Eisenverarbeitung verfügte.

Der sich anschließende Katalog besteht aus elf unterschiedlich umfangreichen Teilen, die jeweils nach einer zweiseitigen Einführung in einen Themenbereich die diesem zugeordneten Objekte vorstellen – wobei die Einführungen nur ansatzweise die jeweils folgenden Exponate verknüpfen. Mit Literaturangaben darf man hier zwar großzügiger sein, doch wenigstens wörtliche Zitate hätten eindeutig belegt werden müssen (z. B. auf S. 269f. und 295f.). Die Unterteilung auf Basis des Weges durch ein Kloster, »der erst den inneren Mikrokosmos der mittelalterlichen Lebenswelt der Mönche und Nonnen, dann den Makrokosmos außerhalb des Klosters« (S. 11) erschließen soll, wirkt in Hinblick auf die zugeordneten Objekte mitunter konstruiert: Deutlichstes Beispiel dafür ist die Unterteilung in »Konversen« und »Wirtschaft«, zumal zum ersten Teil auch nur exakt ein Objekt zählt. Zu fast allen Exponaten liegen Abbildungen vor, um die sich grafisch gelungen die Beschreibungstexte fügen.

Am Schluss des Katalogs folgen Kurzporträts der Abteien, aus deren ehemaligem oder aktuellem Besitz die Ausstellungsobjekte stammten, durch Christoph Keller, denen sich eine Karte der Klöster anschließt (S. 328). Vier Anhänge beschließen den Band. Während das Literaturverzeichnis, eine Liste der Leihgeber und ein Bildnachweis zum Katalogstandard gehören, ist das Glossar ein begrüßenswerter Bonus.

Die beiden reich ausgestatteten und vergleichsweise günstig zu erwerbenden Bände sind zu empfehlen. Sie vereinen aktuelle Forschungen zum Zisterzienserorden, die zu einem guten Teil Ergebnisse aus kürzlich abgeschlossenen oder veröffentlichten Dissertationen zusammenfassen und Erkenntnisse aus praxisnahen Lehrveranstaltungen sowie von kunsthistorischen, archäologischen und bauforscherischen Arbeiten jüngerer Zeit publik machen. Der Katalogband verewigt überdies die Abbildungen und Beschreibungen der Objekte aus der nun vergangenen Bonner Zisterzienserausstellung.

Wenige Monita gilt es dennoch zu benennen. Der Untertitel »Das Europa der Klöster« ist, in Hinblick auf die Objekte, etwas hochgegriffen, allenfalls von einem »Mitteleuropa der Klöster« könnte man sprechen: Die Karte zur Visualisierung der Herkunft der Leihgaben zeigt einen starken Schwerpunkt im heutigen Deutschland und östlichen Frankreich – Irland, Süditalien sowie große Teile der Iberischen Halbinsel sind nicht einmal abgebildet und von der Insel Großbritannien stammt kein einziges Objekt.

Die Frage der Inkorporation von Frauenklöstern ist nicht hinreichend problematisiert worden, im Falle des Kurzporträts von Wienhausen (Katalog S. 326) wird gar eine formelle Aufnahme des Klosters in den Orden behauptet, obwohl der als Literatur angegebene Artikel im Niedersächsischen Klosterbuch dies klar verneint. Überraschend sind ferner Ungenauigkeiten in der Terminologie: So ist zweimal von einem »Armutsgelübde« (Aufsatzband S. 135f.) die Rede, obgleich Armut in der Profess lediglich implizit als Teil des zweiten monastischen Gelübdes, der conversatio morum, keinesfalls aber explizit versprochen wird.

Ebenso falsch ist die Bezeichnung des Reformkreises von Hirsau als »Orden« (Aufsatzband S. 242) und die Definition für »Primarabteien« im Glossar des Katalogs (S. 334), da er auf Cîteaux ausgedehnt wird, während in der Forschung grundsätzlich nur die vier ersten Gründungen von Cîteaux – La Ferté, Pontigny, Clairvaux und Morimond – als Primarabteien und ihre Oberen als Primaräbte bezeichnet werden.

Doch dies sind Marginalia, die den positiven Gesamteindruck nicht nachhaltig trüben. Es bleibt zu hoffen, dass die Ausstellung und ihre Publikationen eine ähnliche Nachwirkung wie seinerzeit die Aachener Zisterzienserschau entfalten und über lange Zeit zu neuen, kritischen und grundlegenden Arbeiten zur Geschichte des Ordens anregen werden.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Björn Gebert, Rezension von/compte rendu de: Georg Mölich, Norbert Nußbaum, Harald Wolter-von dem Knesebeck (Hg.), Die Zisterzienser im Mittelalter, Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2017, 393 S., 135 Abb., ISBN 978-3-412-50718-3, EUR 50,00; LVR-LandesMuseum Bonn (Hg.), Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster. Begleitbuch zur Ausstellung »Die Zisterzienser – Das Europa der Klöster«. LVR-LandesMuseum Bonn 29. Juni 2017 bis 28. Januar 2018, Stuttgart (Konrad Theiss Verlag) 2017, 368 S., 380 Abb., ISBN 978-3-8062-3492-3, EUR 29,95., in: Francia-Recensio 2018/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48319