Die Geschichte Sachsens von der Eroberung durch Karl den Großen bis zur Auflösung des Großfränkischen Imperiums ist seit jeher eine bevorzugte Thematik zumal von deutschen Historikerinnen und Historikern gewesen, die darin gern die Anbahnung des von den Ottonen geformten ersten Reichs der Deutschen erblickten. In ihrer von Rosamond McKitterick betreuten Dissertation aus Cambridge möchte die Verfasserin einer anglophonen Leserschaft eine kritisch reflektierte Übersicht des aktuellen Forschungsstandes bieten. Sie beginnt mit einem Rückblick auf die sächsische Frühzeit sowie einer Erörterung der vielschichtigen Quellenlage samt den Wandlungen des Verständnisses seit dem 19. Jahrhundert (»From National to Local History«). Die eigentliche Darstellung, beginnend mit S. 39, gliedert sich in einen größeren Teil politisch-militärischen Inhalts und einen etwas kürzeren über die religiös-kulturelle Entwicklung, wobei insgesamt vier Schwerpunkte in den Vordergrund treten.

Karls Sachsenkriege (772–804) werden nicht in ihrem zeitlichen Ablauf, sondern unter systematischen Aspekten behandelt. Großen Wert legt Ingrid Rembold auf die Verflechtung der fränkisch-sächsischen Auseinandersetzung mit den Nachbarvölkern der Abodriten, Dänen und Friesen, auf die Genese eines gesamtsächsischen Bewusstseins, auf den Wandel von einem ethnischen zu einem sozialen Konflikt sowie auf die Gewaltsamkeiten beider Seiten (mit der seit Martin Lintzel vorherrschenden Relativierung des »Blutbads von Verden« 782), auf das Nebeneinander von Widerstand und Kollaboration und auf die Taufen als Ausdruck der Unterwerfung.

Breiten Raum nimmt sodann der von Kaiser Lothar I. im Zuge des Erbfolgekriegs der Söhne Ludwigs des Frommen stimulierte sächsische Stellinga-Aufstand von 841/842 ein, den Ingrid Rembold durchaus zu den Fernwirkungen der Eroberung zählt und gemäß dem von Otto Gerhard Oexle gebotenen Erklärungsmuster auf gildenartige Zusammenschlüsse unzufriedener, nicht unbedingt sozial homogener Kreise zurückführt, die eine Rückkehr zur älteren Gerichtspraxis, aber keine Abkehr vom Christentum herbeiwünschten. Dass die Bewegung nach der baldigen Konsolidierung der Machtverhältnisse im Frankenreich rasch zusammenbrach, nimmt Ingrid Rembold als Indiz dafür, dass ihre Tragweite nicht überschätzt werden sollte.

Am Aufbau kirchlicher Institutionen und Strukturen als Konsequenz der Sachsenmission interessiert die Verfasserin vor allem das Ausmaß an zentraler Planung und Steuerung gleich zu Beginn unter Karl dem Großen. Gestützt auf die jüngsten Forschungen von Theo Kölzer neigt sie zu erheblicher Skepsis, spricht sich für eine große Vielfalt der (gerade auch einheimischen) treibenden Kräfte aus und fasst das gesamte 9. Jahrhundert ins Auge für eine ganz allmähliche, wenig koordinierte Ausgestaltung der sächsischen Sakrallandschaft, deren materielle und rechtliche Fundierung noch lange zu wünschen übrig ließ und eben deshalb zu manchen Urkundenfälschungen herausforderte.

Das letzte Kapitel gilt dann dem so entstandenen sächsischen Christentum, dem nicht bloß bescheinigt wird, das zuvor virulente Heidentum bemerkenswert rasch verdrängt, sondern auch spezifische eigene Erscheinungsformen hervorgebracht zu haben. Dazu zählt Ingrid Rembold den Rückgriff auf die altsächsische Volkssprache (in Taufliturgie und Bibeldichtung, zumal im »Heliand«, den sie für Fulda in Anspruch nehmen möchte), die Schaffung kirchlicher Zentren ohne vorgegebene Städte und die auffällige Dominanz weiblicher gegenüber männlichen geistlichen Gemeinschaften, wofür geltend gemacht wird, dass adlige Frauen nach sächsischem Recht frei über ihr Erbteil verfügen konnten.

Das Buch fußt auf profunder Kenntnis von Quellen und Literatur und ist sorgfältig gearbeitet, gerade auch im Umgang mit den reichlich herangezogenen deutschsprachigen Beiträgen. Es reizt den Rezensenten nirgends zum Widerspruch, wartet aber auch nicht mit allzu überraschenden Einsichten auf. Als umsichtige Synthese zu einem komplexen Thema sollte es auch hierzulande Beachtung finden.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Rudolf Schieffer, Rezension von/compte rendu de: Ingrid Rembold, Conquest and Christianization. Saxony and the Carolingian World, 772–888, Cambridge (Cambridge University Press) 2018, XVII–277 p. (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought. Fourth Series, 108), ISBN 978-1-107-19621-6, GBP 75,00. , in: Francia-Recensio 2018/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48326