Die historische Emotionsforschung hat in den vergangenen 15 Jahren immer mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen und dabei auch wiederholt die Bedeutung von Emotionen in ihrer gestalterischen und gestaltenden Funktion betont. Sie hat auch den Körper in seiner Historizität als ein zentrales Medium von Emotionen herausgestellt – als ihr Träger, Erfahrungs- und Austragungs- und Verhandlungsort. Mit dem vorliegenden Tagungsband liegt nun programmatisch eine erste, kunsthistorisch fokussierte Perspektivierung des Körpers und die an ihn gebundenen und die durch ihn generierten Emotionen vor.

Die Beiträge der europäischen und außereuropäischen Autorinnen und Autoren, die aus unterschiedlichen Wissenschaftsgenerationen und ­traditionen kommen, bündeln sich um die Frage nach Bewegung und Statik von Körperdarstellungen in der französischen Aufklärung. Die Körperrepräsentationen werden dabei als Narrative verstanden, die in ihren sozialen, kulturellen, ästhetischen, wissenschaftlichen und politischen Dimensionen beleuchtet und gedeutet werden. Die Dialektik zwischen Bewegung und Statik wird dabei exemplarisch für das sich in der französischen Aufklärung intensivierende Spannungsfeld um den Körper in seiner Subjektivität und Objektivität verstanden und befragt.

Methodisch wird diese Dialektik in der Interaktion der untersuchten Körpernarrative mit ihren zeitgenössischen »Nutzern« (Auftraggeber, Künstler, Betrachter, etc.) gelesen. Die mediale Bandbreite der in den Beiträgen diskutierten Gegenstände ist weiträumig und reicht von literarischen Narrativen (Mary Sheriff) über Gemälde und Skulpturen (Melissa Hyde, Étienne Jollet) zu »Raumnarrativen« (Mimi Hellman). Die konzeptuelle Verknüpfung von »Bewegungen und Emotionen« wird dabei auf die Lesart gestützt, körperliche Bewegungen als Ausdruck emotionaler bzw. »affektiver Aktivität« (S. 19) zu verstehen. »Bewegung und Emotionen« verspricht auch der Titel des Bandes, wobei letztere in fast allen Beiträgen ausschließlich am Rande oder nur oberflächlich thematisiert und methodisch wie begrifflich nicht präzise erfasst werden.

Im ersten Teil »Body Language. Narrativ Stasis« untersuchen die medial wie perspektivisch recht unterschiedlichen Beiträge von Dorothy Johnson und Étienne Jollet körperliche Darstellungen als (im weitesten Sinne) politische Narrationen. In den Vordergrund rücken dabei die Strategien visueller Mobilisierung der »Körper«, um Konventionen sozialer Interaktion darzustellen und zu rekonfigurieren. Johnson illustriert am Beispiel des »Écorché« von Houdon (1767) die Beziehung zwischen Kunst und Anatomie in der Skulptur. Den in dieser Zeit aufkommende Verismus in der Kunst diskutiert sie in Bezug auf seine ästhetischen wie wissenschaftlichen Implikationen. Der Beitrag ist vor allem dahingehend originell, als dass die betreffende Skulptur nicht als Plastik, sondern ausschließlich in Textquellen als buchstäbliche »Narration« existiert. Jollet seinerseits befragt an Jean-Baptiste Restout’s »Diogenes« die Darstellung körperlicher Bewegung in ihrer Poetik der politischen »Vieldeutigkeit« (S. 63), die sich im Spannungsfeld zwischen Mobilität und Immobilität manifestiert. Das Gemälde wird dabei ästhetisch als Verhandlung von Realem und Idealem sowie politisch-programmatisch als jene von Legitimität und Illegitimität gedeutet.

Im zweiten Komplex »The Mobile Body. Social Identity and Visual Dynamics« untersuchen die Autorinnen die Bewegungen im und um ein Kunstwerk. Sie legen die Annahme zu Grunde, dass die Bewegung des Dargestellten und die des Betrachters erst im Zusammenspiel eine ästhetisch bedeutungsvolle Erfahrung generieren. Mimi Hellmann untersucht in ihrem Aufsatz die Dynamiken einer ästhetischen Raumerfahrung und fokussiert auf das (lokal und temporal spezifische) Zusammentreffen von figurativer Dekoration und der Gemeinschaft seiner Betrachter und Betrachterinnen im Pariser Hôtel de Soubise zwischen 1700 und der Französischen Revolution. Die Raumerfahrungen werden dabei als Ausbildungs- bzw. Verstetigungsprozesse sozialer Identitäten und Beziehungen einer Familie von princes étrangers lesbar, wobei das Emotionale in diesem Prozess der Identitätsstiftung leider konzeptuell nicht berücksichtigt wird.

Der Beitrag von Hyde beschäftigt sich mit der Bewegung der französischen Königin Marie Antoinette in Adolf Ulrik Wertmüllers Porträt »The Queen, Monsieur le Dauphin, and Madame, Daughter of the King, Promenading in the English Garden of the Petit Trianon.« Die Beobachtungen der Bewegungen, Gesten, An- und Abwesenheiten auf den Portraits sind prägnant und originell, werden jedoch auch nicht in ihrer emotionalen Wirkungsmacht thematisiert, wobei gerade für die Französische Revolution interessante emotionsgeschichtlich inspirierte Lesarten der problematischen Emblematik um die letzte Königin des Ancien Régime vorliegen1.

Erst im letzten Abschnitt »Body Temporality: Aesthetics of Walking« werden die Bewegungen expliziter im Zusammenhang mit Emotionen untersucht. Sherriff illustriert an einer weiträumig angelegten Kontextualisierung (Gesellschaftsspiele, Landkarten, Drucke) von Antoine Watteaus Gemälde »Le Pèlerinage à l’île de Cythères«, wie in den dargestellten Bewegungen die sich verschärfende Ambiguität um den Begriff »Liebe« lesbar wird. Die vielseitigen und -deutigen Variationen der dargestellten Bewegungen (welche in ein imaginäres Feld um Libertinage, Komödie und erotisches Lustspiel eingebettet sind) korrespondieren so mit der Ambiguität der Affekte selbst.

Im letzten Beitrag diskutiert Lajer-Burcharth am Beispiel der Zeichnungen Saint-Aubins die sich vornehmlich im Paris des 18. Jahrhunderts entwickelnde und verstetigende Praxis des urbanen Spaziergangs und befragt seine Natur, Funktion und Bedeutung für die »sich aufklärende« Stadt als soziale Figuration. Aus emotionsgeschichtlicher Perspektive sind hier besonders die Beobachtungen zur Position und Präsenz des Künstlers in seinen Zeichnungen interessant, da sie Aufschluss über wahrgenommene Inklusions- und Exklusionslogiken und deren sich zunehmend stärker individualisierenden Verhandlungsformen geben.

Der vorliegende Tagungsband bietet u. a. dank seiner originellen Untersuchungsgegenstände, deren Verschiedenartigkeit und ausgefallene Perspektivierung einen wertvollen Beitrag zur Aufklärungsforschung und der Körpergeschichte interessante Ansatzpunkte, neu über die Praxis und Bedeutung von dargestellten und darstellbaren Bewegungen nachzudenken. Und auch der historischen Emotionsforschung bieten die Beiträge spannende Perspektiven und Inspirationen, wobei sie Emotionen – beispielsweise als konstitutives Element von Kreation und Kognition – nur marginal problematisieren.

1 Zum Beispiel Lynn Hunt, The Many Bodies of Marie Antoinette: Political Pornography and the Problem of the Feminine in the French Revolution, in: Gary Kates, The French Revolution. Recent Debates and New Controversies, London, New York 1997, S. 279–301.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Monett Reißig, Rezension von/compte rendu de: Susanna Caviglia (ed.), Body Narratives. Motion and Emotion in the French Enlightenment, Turnhout (Brepols) 2017, 291 p., 33 col., 95 b/w ill. (The Body in Art, 1), ISBN 978-2-503-57474-5, EUR 90,00., in: Francia-Recensio 2018/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48453