Der Autor fängt hinten an: Die Reste der geschlagenen französischen Armee gingen 1871 in schweizerische Internierung, vor allem deren Freischärler, die von den preußisch-deutschen Truppen später (und noch im Ersten Weltkrieg) immer wieder verteufelten francs-tireurs. Des Cognets fragt, wie es sein könne, dass in den Alpen ein bretonischer Kapitänleutnant mit einer zerlumpten Infanterietruppe den Schutz der neutralen Schweiz suchen musste. Woher kamen die francs-tireurs, woher ihre Führer, und was wissen wir über ihre Aufstellung, Ausrüstung und Kampfweise?

Die sich abzeichnende französische Niederlage ließ 1870 Männer aus vielen Schichten zu den Waffen greifen: Bürger mit Geld, die sich ihre (Phantasie-)Uniform selbst bezahlen konnten, und gescheiterte Existenzen, denen man zumindest irgendwie ein paar Sohlen für die Schuhe spendieren musste – das Kriegsministerium in Paris zögerte durchaus, die Verbände zu autorisieren, und stellte von Anfang an klar, dass man zwar für Waffen und Munition aufkommen werde, aber nicht für Uniform oder Verpflegung. Es sind schon echte Amateursoldaten, die sich hier zusammenfanden. Der lieutenant de vaisseau Alfred Domalain aus Rennes wusste die entsprechenden Mittel zu beschaffen, den nationalen Esprit zu entfachen und konnte – als regulärer Offizier – auch statusmäßig als Vorgesetzter wirken; das ändert nichts daran, dass er vom Landkrieg wenig Ahnung hatte.

Von Nordwestfrankreich aus ging es zunächst nach Paris, mit der Eisenbahn. Der Bahntransport jedenfalls klappte. Rechtzeitig bevor die Hauptstadt eingeschlossen wurde, wurde die Truppe ins Elsass verlegt, wo sich andere Freikorps anschlossen. Weiter ging es in den Großraum Besançon, wo die Légion brétonne Teil der Armée des Vosges unter Giuseppe Garibaldi werden sollte. Das aber warf Probleme auf: Die Freiwilligen aus der Bretagne waren gut katholisch und eher royalistisch gesonnen, sie hatten sogar zwei Militärgeistliche dabei. Unter den anderen Freikorps aber gab es solche, die sich beispielsweise »Égalité« nannten, und Kämpfer, die sich später rühmen würden, auf Seiten der Kommune in Paris gekämpft und dabei alle Mönche eines Klosters einzeln erschossen zu haben. Das ging nicht gut zusammen, und das Prinzip der Offizierswahl ebenso wie das der ideologisch begründeten Freiwilligkeit erwiesen sich als problematisch für die militärische Disziplin

Inzwischen war es Winter geworden, und im Jura gerieten die Freiwilligen in eine bittere Kälte. Ihre im August zusammengestellte Ausrüstung und Bekleidung halfen nur noch wenig.

Die Legion und die anderen Freikorps wurden Teil der Armée de l’Est unter Charles-Denis Bourbaki und nahmen an dem verzweifelten Versuch teil, das belagerte Belfort zu entsetzen. Der in Paris und Versailles ausgehandelte Waffenstillstand schloss das Jura und das Tal des Doubs ausdrücklich aus, worüber Ministerpräsident Jules Favre die Armée de l’Est aber viel zu spät informierte. Dieser blieb – wie anfangs geschildert – keine andere Option mehr als der Weg in die Schweizer Internierung.

Damit ist das Buch nicht zu Ende: des Cognets widmet sich in zwei weiteren Kapiteln dem Schicksal seiner Protagonisten während ihrer Zeit in der Schweiz und schließlich nach ihrer Rückkehr nach Frankreich. Ihm ist ein Buch gelungen, das quellennah militärgeschichtliche, sozialgeschichtliche und mentalitätsgeschichtliche Ansätze vereint und zudem noch flüssig erzählt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Winfried Heinemann, Rezension von/compte rendu de: Charles des Cognets, Les francs-tireurs de l’Armée oubliée, Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2017, 276 p. (Hors collection), ISBN 978-2-7535-5254-8, EUR 22,00. , in: Francia-Recensio 2018/2, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48470