Dass die Medien im allgemeinen und die Presse im besonderen für die Außenpolitik Konrad Adenauers von erheblicher Bedeutung waren, ist dank wegweisender Studien von Arnulf Baring, Frank Andreas Buchwald und Horst O. Walker hinlänglich bekannt. Als zentrales Organ diente dem ersten Kanzler der zweiten deutschen Demokratie das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, das sich im Laufe der Jahre von einem kleinen Büro zu einer schlagkräftigen Institution offizieller Medienpolitik mauserte. Bisher unbekannte Einsichten in die Arbeit des Bundespresseamts vermittelt die Fallstudie von Ariane d’Angelo über die auswärtige Pressearbeit der Bundesregierung gegenüber Frankreich im Zeitraum von 1958 bis 1969, d. h. während der Ära de Gaulle.
Nach der über Gebühr ausführlichen Darlegung ihres methodischen Rüstzeugs erörtert die Verfasserin in einem zweiten, ebenfalls weit ausholenden Hauptteil die Grundlagen der politischen Öffentlichkeitsarbeit Westdeutschlands in den 1950er-Jahren und deren Institutionalisierung im Kontext der Zweiten Berlin-Krise. Erst der dritte Abschnitt widmet sich dann dem eigentlichen Gegenstand, »l’entreprise de communication politique ouest-allemande dans la France de l’ère gaullienne« (S. 181).
Seit seinem Amtsantritt im September 1949 bediente sich Adenauer aufgrund der durch das Besatzungsstatut eingeschränkten außenpolitischen Handlungsspielräume der Presse, um mit gezielten Interviews oder regelmäßigen »Teegesprächen« mit Journalisten für seine Politik im Ausland zu werben. Da ihm dafür in den ersten Jahren der organisatorische Apparat eines Außenministeriums fehlte, schuf er im Oktober 1949 ein kleines Büro mit einem »statut juridique remarquablement flou« (S. 111), das einerseits die internationale Presse beobachten und andererseits das Bild der Bundesrepublik möglichst günstig zeichnen sollte. Die Aufgabe des dem Kanzleramt unterstellten Büros war nicht einfach, ging es doch darum, »à corriger activement l’image de l’Allemagne sans éveiller le souvenir de la propagande de Goebbels« (S. 14).
Obwohl das Bundespresseamt mit seinen fünf Abteilungen die »structure typique de la bureaucratie ministérielle« aufwies (S. 115), blieben Teile seiner Arbeit, so auch die im Juni 1950 geschaffene Auslandsabteilung, bis Ende der 1950er-Jahre »occulte« (S. 116). Erst vor dem Hintergrund der Zweiten Berlin-Krise und der nun notwendig erscheinenden »campagne pour Berlin« (S. 147) stellte der Bundestag die auswärtige Öffentlichkeitsarbeit Ende 1959 mit der Genehmigung eines Haushaltstitels für die »Politische Öffentlichkeitsarbeit im Ausland« auf ein völlig neues Fundament. D’Angelo zufolge setzte das Parlament damit »une véritable borne de départ« (S. 161) für die Institutionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit im Ausland unter dem Dach des Bundespresseamts. Zunächst sowohl dem Auswärtigen Amt und dem Bundespresseamt zugewiesen, wurde der Titel 315 ab dem Haushaltsjahr 1961, dem Jahr des Mauerbaus in Berlin, vollständig Letzterem zur Verfügung gestellt. Adenauer gewann damit, so die Autorin, nicht nur ein mächtiges Werkzeug zur Konterkarierung der Pressearbeit des Auswärtigen Amts, sondern auch »un domaine réservé, placé sous l’autorité directe du chancelier« (S. 161).
Wie die Autorin in ihrer nun beginnenden Fallstudie über die westdeutsche Pressepolitik gegenüber Frankreich verdeutlicht, zielte der Kanzler vornehmlich darauf, »de faire entendre l’objectif ouest-allemand de réunification« (S. 179). Als Hebel dienten ihm dazu einerseits die deutsch-französischen Konsultationen auf der Regierungsebene und andererseits die Deutsche Botschaft in Paris, die für das Presseamt als zentraler »appareil de communication« auf französischem Boden fungierte, und zwar sowohl als »stéthoscope« wie auch als »porte-voix« gegenüber den französischen Medien (S. 191). D’Angelo zufolge wurde die »discrète promotion du point de vue ouest-allemand« (S. 243) nicht zuletzt durch Enthüllungen über die Gewalttaten der Nationalsozialisten beeinträchtigt, die seit Anfang der 1960er-Jahre der Vertrauensbildung entschieden zuwiderliefen.
Wie die Autorin in ihrer Schlussbetrachtung hervorhebt, weist die westdeutsche Öffentlichkeitsarbeit in Frankreich in dem von ihr durchmessenen Zeitraum »un nombre frappant de continuités« zur Weimarer Republik auf (S. 317). Dazu zählt sie die Unterstellung des Bundespresseamts unter Kanzler Adenauer ebenso wie institutionelle und personelle Kontinuitäten zur Vereinigten Presseabteilung der Reichsregierung (S. 318). Als bemerkenswerteste Kontinuitätslinie bezeichnet d’Angelo »la dimension compensatoire revêtue par la communication à l’étranger« (S. 321): Wie schon nach 1918/19 diente die Öffentlichkeitsarbeit auch nach 1945/49 insbesondere der Verhinderung der internationalen Isolierung Deutschlands als Folge der militärischen Niederlage.
Im Bewusstsein der Tatsache, dass die öffentliche Meinung einen »facteur central de la politique internationale« (S. 321) spielte, hoffte die Bundesregierung mit ihrer Pressepolitik, Vertrauen im Ausland zu verschaffen und außenpolitischen Spielraum zu gewinnen. Indem sie sich verbal von der Propaganda des NS-Systems distanzierte, gelang es der Bundesrepublik, sich als »maillon du camp des démocraties occidentales« zu profilieren (S. 322). Aufs engste verbunden war damit eine »véritable démarche politique« (S. 322): die Durchsetzung der eigenen Sicht auf die Lösung der deutschen Frage mit den Kernelementen Alleinvertretungsanspruch, Hallstein-Doktrin und Nicht-Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Hauptziel der Bonner Regierung. Indes, die Erfolge der bundesdeutschen Pressepolitik auf französischem Terrain hielten sich durchaus in Grenzen.
Wenngleich Ariane d’Angelo keine systematische Analyse des Faktors Öffentlichkeitsarbeit im Kontext der deutsch-französischen Beziehungen vorlegt, liefert sie mit ihrer profunden, auf einem breiten Archivstudium fußenden Arbeit einen wichtigen Baustein zu der bisher noch nicht existierenden Geschichte des Bundespresseamts.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Ulrich Lappenküper, Rezension von/compte rendu de: Ariane d’Angelo, Promouvoir la RFA à l’étranger: 1958–1969. L’exemple de la France, Villeneuve-d’Ascq (Presses universitaires du Septentrion) 2018, 367 p., 13 n/b ill. (Mondes germaniques), ISBN 978-2-7574-1923-6, EUR 27,00. , in: Francia-Recensio 2018/2, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48471