Zu Recht ist die globale Dimension der Kriege im Zeitraum zwischen der Französischen Revolution und dem Wiener Kongress in jüngerer Zeit akzentuiert worden – als »the first ›Great War‹«. Diese im Vorwort (S. X, doch bezeichnenderweise ohne Nachweis) des zu besprechenden Werkes in Anlehnung an David A. Bell1 getroffene Aussage verdient Beachtung. Meist stehen bei dieser Serie an Großkonflikten zwischen dem revolutionären, dann napoleonischen Frankreich gegen die wechselnden Koalitionen seiner Gegner die großen Landschlachten Mitteleuropas im Vordergrund der Betrachtung. Somit erscheint das Mittelmeer als Randgebiet. Schon gemäß seiner Eigenpropaganda haftete der Ägyptenkampagne des ehrgeizigen Revolutionsgenerals Napoleon Bonaparte (1798–1799/1801) etwas Exotisches an, sodass diese, genauso wie die Kämpfe um Seewege, Inseln und Küsten aus den Gesichtskreis zu fallen drohte. Berühmt wurden die beiden großen Seeschlachten am östlichen und am westlichen Rand des Binnenmeeres: die Vernichtung der französischen Flotte in der Bucht von Abukir in der Battle of the Nile (1. August 1798) und, knapp jenseits von Gibraltar, der Sieg über den französisch-spanischen Flottenverband am Kap Trafalgar (21. Oktober 1805).
Auch marginalisiert die traditionelle Trennung von Heeres- und Marinegeschichte die kombinierten Land-See-Kampagnen; zumal es oft gerade hier Koalitionskräfte verbündeter Streitkräfte waren. Deren Wirken aber wurde den in nationalen Bahnen verlaufenden Kriegsgeschichte traditionell unterbewertet. Es gibt also Gründe genug, den »vergessenen Krieg gegen Napoleon« im Mittelmeer in einer Gesamtperspektive abzuhandeln, wie es die Studie von Gareth Glover verspricht. Zu Recht kritisiert er, dass die Eigenheiten von Land- und Seestreitkräften auf historiografisch getrennten Wegen reproduziert wurden. Dieser komplexe Stoff bietet viel Material für eine spannende Geschichte, bedürfte aber eines narrativen Fadens und einer quellenbasierten Perspektive.
Glover stützt sich auf die »journals of British soldiers who served in Malta, Corsica, Sicily, Egypt, eastern Spain, Italy and even in Montenegro and Serbia« (S. X). In 56 Kapiteln durchstreift er auf 251 Seiten die britischen militärischen Aktivitäten von 1793 bis 1815. So vermittelt die Lektüre der oft nur zwei- bis dreiseitigen Kapitel den Eindruck einer reinen Episodenerzählung. Teils schließen die Kapitel inhaltlich aneinander an, teils springt der Autor – immerhin grob chronologisch –durch den Krieg ums Mittelmeer.
Das erste Kapitel vermittelt einen gerafften Überblick über die Französische Revolution, es folgen zwei Kapitel zu den »Opening shots« 1793 um Toulon. Danach widmet sich der Autor den komplizierten Abstimmungsprozessen der Briten mit ihren Alliierten. Es folgen biographische Studien zu den – stets – britischen Protagonisten, so zu den Admiralen William Hotham und seinem Nachfolger John Jervis (1794–1796). In den Jahren 1796/1797 zogen sich die britischen Kräfte vorübergehend aus dem Mittelmeer zurück; dies ermöglichte die französische Ägyptenkampagne, die nun die große britische Flottenexpedition unter Admiral Horatio Nelson ins östliche Mittelmeer zur Folge hatte (»The Great Expedition«, S. 36–41). Gleichzeitig wurde das kurz zuvor von Frankreich besetzte Malta von britischen Kräften blockiert und eingenommen. Sodann springt der Autor von der britischen Landung in Ägypten (1801) zum einmonatigen Seegefecht vor Algeciras bei Gibraltar im Juni und Juli 1801. Diesen Ereignissen folgte der Friedenschluss von Amiens. Während dieser einjährigen Waffenruhe zeigt Glover sodann die inneren Probleme der erschöpften britischen Truppen bei gleichzeitig fortdauernden kleinen Gefechten (»Mutinity and War during Peace«, S. 91–95).
Der wiederaufgeflammte Krieg erhielt im Oktober 1805 mit Trafalgar eine Wende. Danach widmet sich Glover der komplizierten Allianz Großbritanniens mit dem Königreich Sizilien und der Landungsoperation der Koalitionstruppen in Kalabrien, die am 4. Juli 1806 zur Schlacht bei Maida führte. Mit kurzen biografischen Skizzen streift der Autor die britischen Befehlshaber General Henry Fox und seinen Nachfolger Henry Moore. Eindrücklich zeigt Glover deren Konkurrenz zur den selbstbewussten Marineoffizieren, die umgekehrt das methodisch-zögerlich erscheinende Vorgehen ihrer Heereskameraden bekrittelten. In ebenfalls schwieriger Abstimmung, nun mit der russischen Flotte, endete ein britischer Blockadeversuch der Dardanellen im Februar 1807 im Misserfolg.
Danach springt der Autor zwischen den britischen Operationen in Ägypten (1807), vor den Küsten und auf dem Festland Italiens sowie Spaniens (1808–1813). Interessant sind die bisher wenig thematisierten kleineren Gefechte in der Adria – vor Venedig genauso wie vor den dalmatinischen Inseln sowie vor den Festungsstädten Ragusa/Dubrovnik und Cattaro/Kotor (1810 und 1813). Darauf folgen die Ereignisse in Italien bis zur ersten Abdankung Napoleons sowie eine kurze Schilderung des abgesetzten Kaisers der Franzosen auf Elba (1814/1815). Glover beendet sein Werk zum Krieg ums Mittelmeer mit den Operationen der jungen US-amerikanischen Marine gegen die »Barbareskenstaaten« Algier, Tunis und Tripoli (1815/1816). Das alles erzählt er konventionell, personenbezogen und durchweg aus britischer Perspektive.
Wer ein Lesebuch mit allerlei Episoden von britischen Soldaten und Seeleuten der napoleonischen Zeit sucht, wird möglicherweise nicht enttäuscht werden. Als Beitrag zur Forschung ist das Buch von Gareth Glover jedoch völlig untauglich. Gelegentliche Schwächen in der geographischen Verortung könnten noch nachgesehen werden: so wenn beim »island-hopping campaign off the Serbian coast« (S. XI) Dalmatien, also die damaligen zum Französischen Empire geschlagenen Illyrischen Provinzen im heutigen Kroatien gemeint sind. Doch fehlen jegliche Quellenverweise. Die Anmerkungen im Buch dienen lediglich der Erörterung biografischer oder schiffstechnischer Details. Das kaum dreiseitige Literaturverzeichnis enthält nur englischsprachige Werke, darunter aber nicht einmal die Standardwerke zum Peninsular War oder die große Geschichte des Mittelmeeres von David Abulafia2. Vor allem hätte die Vielzahl der mediterranen Akteure angemessen berücksichtigt werden müssen, vor allem das Osmanische Reich mit seinen autonomen Gebieten Ägypten, Syrien und den Regentschaften in Algier und Tunis. All diese Aspekte fehlen entweder ganz oder erscheinen als Randprobleme des britischen Kampfes gegen Frankreich.
Die von Glover an anderer Stelle zusammengetragenen Quellen wären es durchaus wert, angemessen präsentiert zu werden3. Die hervorblitzenden Egodokumente gehören zu den wenigen Stärken des Buches. Freilich bedürfte es zu deren Auswertung eines Mindestmaßes an Quellenkritik; und ihrer Einordnung in den historischen –zugegebenermaßen komplexen – Gesamtkontext. Beim vorliegenden Buch ist davon leider nicht zu sprechen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Martin Rink, Rezension von/compte rendu de: Gareth Glover, The Forgotten War Against Napoleon. Conflict in the Mediterranean, 1793–1815, Barnsley, South Yorkshire (Pen + Sword Books) 2017, XVIII–265 p., 16 pl., 33 maps, ISBN 978-1-47383-395-1, USD 50,00. , in: Francia-Recensio 2018/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48494