In seiner Einleitung bemerkt der Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes, Fabrice Jesné, bereits ganz zutreffend, dass man sich angesichts der ansehnlichen Menge jüngerer Veröffentlichungen zur Konsulargeschichte fragen darf, weshalb es noch einer weiteren bedarf (S. 9). Dies ist umso richtiger, als dass vorliegender Band sich ausschließlich mit der Geschichte der französischen Konsulate beschäftigt. Denn während für viele Länder, etwa für die deutschen Staaten oder auch für England oder für Russland, noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, kann Frankreichs Konsularwesen als vergleichsweise gut ergründet gelten1. Dies ist auch dem Herausgeber nicht entgangen. So wenden sich die Autoren der bislang wenig beachteten Frage nach der Rolle der Konsuln in den aufeinanderfolgenden Globalisierungsschüben zu. Doch soll die konsularische Tätigkeit nicht durch das Prisma des Imperialismus betrachtet, sondern als Mittel der globalen politischen, wirtschaftlichen, demografischen und kulturellen Präsenz Frankreichs untersucht werden (S. 10).

Neun Beiträge haben Eingang in die Veröffentlichung genommen. Sechs davon wurden bereits auf der im Herbst 2014 in Nantes abgehaltenen Tagung2, aus der vorliegende Aufsatzsammlung entstanden ist, vorgestellt. Drei weitere wurden nachträglich hinzugefügt.

Der Band ist chronologisch aufgebaut. Die ersten drei Beiträge setzen sich mit dem 18. Jahrhundert auseinander. Alle behandeln französische Posten im europäischen Ausland, was angesichts der in dieser Zeit noch immer stark auf den Kontinent – und vor allem auf den Mittelmeerraum – begrenzten Ausrichtung des französischen Konsularnetzes nicht überrascht. Sylvain Lloret beschäftigt sich mit Cadix, einem der bedeutendsten französischen Konsulate, und dessen Bedeutung für das Ausgreifen des französischen Handels auf die spanischen Überseebesitzungen (»Connecter deux mondes: le consulat de France à Cadix, interface entre l’Europe et Las Indias«, S. 21–36).

Éric Schnakenbourg betrachtet hingegen mit Sankt Petersburg ein neugegründetes Konsulat und untersucht die Bemühungen des ersten Amtsinhabers, den französischen Handel mit Russland in Gang zu bringen (»Informations et curiosité aux marges de l’Europe: Henri Lavie, premier consul de France en Russie, 1714–1722«, S. 37–54). Während Lloret das Konsulat in Cadix als »maillon essentiel d’une stratégie étatique de développement du commerce« sieht und den jeweiligen Konsuln bescheinigt, »[d’agir] localement dans une perspective globale« (S. 33), beobachtet Schnakenbourg für den Posten in Sankt Petersburg Gegenteiliges. Hier ist es der Konsul, der seinem Ministerium eine Handelsstrategie vorschlägt, ohne damit jedoch den geringsten Erfolg zu verzeichnen (S. 49). Das Konsulat dient allenfalls als Beobachtungsposten (S. 40, 45). Das Sammeln von Informationen und die Übermittlung von Nachrichten steht auch im Mittelpunkt der Arbeit der Konsuln und Vizekonsuln im Königreich Neapel und Sizilien während des Spanischen Erbfolgekriegs, die François Brizay in seinem Beitrag untersucht (»Les consuls de France dans les royaumes de Naples et de Sicile au début du XVIIIe siècle: des observateurs de la Méditerranée et de l’Europe«, S. 55–72). Während die Informantentätigkeit des Konsuls in Sankt Petersburg sich eher auf wirtschaftliche Belange beschränkt, sammeln seine Kollegen in Süditalien vor allem Neuigkeiten zu diplomatischen Entwicklungen und Truppenbewegungen.

Von den sechs verbleibenden Aufsätzen befassen sich fünf mit außereuropäischen Posten im 19. Jahrhundert. Claire Laux (»Les consuls français dans le Pacifique durant le XIXe siècle: des agents d’un empire français dans les mers du Sud«, S. 87–103) konzentriert sich mit Honolulu auf den isoliertesten Posten des französischen Konsularnetzes. Auch hier ist, neben dem Schutz der ansässigen Missionare (S. 97) das Sammeln von Informationen die Hauptaufgabe der Amtsträger (S. 98–99). Doch definiert Laux die französischen Konsuln auch als Werkzeuge der imperialen Ambitionen Frankreichs (S. 101). Zu ähnlichen Schlüssen kommen Alain Messaoudi (»Une figure transitoire aux frontières d’un empire colonial: Léon Roches, consul de France [1845–1867]«, S. 105–119, hier vor allem 113–114) und Luc Chantre (»Des bâtisseurs d’empire? Les consuls français de Djeddah au XIXe siècle [1839–1914]«, S. 157–174, hier vor allem S. 164–166). Auf dem nordamerikanischen Kontinent standen hingegen handelspolitische Überlegungen an erster Stelle der Aufgaben der französischen Konsuln (Didier Poton, »Georges Dubail, consul général de France, et la fondation de la chambre de commerce française de Montréal [1885–1890]«, S. 121–133; Gérald Sim, »À la marge de l’impérialisme, le réseau consulaire français aux États-Unis [1815–1898]«, S. 135–155).

Zwischen den drei Aufsätzen zum 18. Jahrhundert und den fünf zum 19. Jahrhundert hat der Herausgeber den Beitrag von Géraud Poumarède (»Écrire l’histoire des consulats au XIXe siècle: une entreprise de légitimation“, S. 73-85) eingebaut. Es ist der einzige, der sich nicht mit einem Teil des französischen Konsularnetzes beschäftigt. Poumarède untersucht vielmehr anhand einiger zeitgenössischer Konsularhandbücher, wie deren Autoren versuchten, die unterprivilegierten Konsuln auf eine völkerrechtliche Stufe mit den Diplomaten zu stellen.

Auf den ersten Blick mag der Band schlüssig wirken. Bei näherem Hinsehen drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass es, außer dem gemeinschaftlichen Bezug zum französischen Konsularwesen, keine verbindende Klammer gibt, die die Aufsätze untereinander in Beziehung setzen würde. Hier stehen Beiträge, die sich diachron mit einem Posten beschäftigen (Llloret, Laux und Chantre) neben anderen, die sich einem ganzen Netz von Posten widmen (Brizay und Sim). Die verbleibenden Texte sind biografisch ausgerichtet und setzen sich auf verschiedene Weise mit der Tätigkeit einzelner Konsuln auseinander (Schnakenbourg, Messaoudi und Poton).

Die mangelnde Stringenz führt dazu, dass das Buch eine mehr oder wenige lose Sammlung von Fallstudien bleibt. Dies tut dem Erkenntniswert der allermeisten Aufsätze jedoch nur wenig Abbruch.

1 Einen Überblick über den Forschungsstand verschaffen: Jörg Ulbert, Matthias Manke, Gustaf Fryksén, Bibliographie: L’histoire de la fonction consulaire jusqu’au début de la Première Guerre mondiale, in: Cahiers de la Méditerranée 93 (2016), S. 79–336 [https://cdlm.revues.org/8496]. Siehe auch die Nachträge zu dieser Bibliographie unter: http://cmmc-nice.fr/wp-content/uploads/2017/07/Bibliographie-complément-site-CMMC-1_juillet_2017.pdf.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jörg Ulbert, Rezension von/compte rendu de: Fabrice Jesné (dir.), Les consuls, agents de la présence française dans le monde (XVIIIe–XIXe siècles), Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2017, 186 p. (enquêtes & documents, 57), ISBN 978-2-7535-5353-8, EUR 19,00., in: Francia-Recensio 2018/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48496