Der hier vorgestellte Sammelband ging aus zwei internationalen und interdisziplinären Workshops zum Titelthema 2013 in Amsterdam und 2014 in Ghent hervor und enthält Beiträge historischer, kunsthistorischer und literaturwissenschaftlicher Provenienz, die den seltenen Versuch unternehmen, ein traditionell militärhistorisches Thema aus der Perspektive der historischen Emotionsforschung zu beleuchten. Während sich die eher biografisch-werkzentrierten Kunst- und Literaturwissenschaften schon länger mit den Repräsentationen und der Symbolisierung von Emotionen wie auch von Gewalt befassen, haben sich angesichts der massiven Methodenprobleme die kultur- und alltagshistorisch interessierte Neuere Militärgeschichte, aber auch die frühneuzeitliche Gewaltforschung noch vergleichsweise wenig mit der emotionalen Dimension kriegerischer Gewalt befasst. Erstaunlich, dass sich bislang kaum jemand an die Funktion und Bedeutung der Emotionen rund um das seit der Antike beliebte historische/künstlerische Genre des Schlachtfelds herangewagt hat, obwohl doch gerade der soldatische Kampf schon immer für politische Instrumentalisierung wie auch Selbststilisierung, also das Evozieren nachgelagerter Emotionen bei Dritten herhalten musste.
Der Band gliedert sich in drei Teile, die jeweils durch kurze Kommentare gerahmt werden. Erfreulich ist die explizite Auseinandersetzung vieler Beiträge mit zentralen emotionshistorischen methodischen Konzepten. Der erste Teil nimmt Praktiken und den »emotional habitus« bestimmter »emotional communities« also von Kollektiven unter die Lupe, wie sie von den nach wie vor inspirierenden Befunden der Mediävistin Barbara Rosenwein sowie den auf Pierre Bourdieus Habitus-Konzept beruhenden Überlegungen der historischen Kulturwissenschaftlerin Monique Scheer abgeleitet wurden.
Der zweite Teil widmet sich den emotionalen Praktiken und Erfahrungen von Individuen. Neben Monique Scheer wird hier auch auf William Reddys Konzept der »emotives« eingegangen. Ian Germani führt z. B. eng an Reddys Konzept des emotionalen Ausdrucks als Sprechakt die Etablierung eines neuen patriotischen »emotional regimes« der Französischen Revolution vor. Durch ständige Wiederholung und anekdotisch inszenierte Vorbilder, sei hier erstmals in der Vormoderne der heroische Tod für den Staat als Form und Institution zunächst als Narrativ konstituiert und erst dadurch soziale und individuelle Normen langfristig modifiziert worden. So seien kulturell hegemoniale Gefühlshaltungen und -ausdrücke zelebriert und patriotische Emotionen eingeübt worden. Teil 3 befasst sich mit dem visuellen »Nacherleben« in der bildenden Kunst. Untersucht werden hier panoramaartige Schlachtengemälde, Karten und Pläne von Belagerungen, aber auch soldatische Genredarstellungen vor und nach blutigen Kämpfen.
Eine Vielzahl der Beiträge setzt sich kritisch mit einigen einflussreichen Thesen des israelischen Historikers Yuval Noah Harari auseinander, die dieser explizit an der Figur des vormodernen (adeligen) Kombattanten entwickelt hatte1. Besonders überzeugend argumentieren dabei Brian Sandberg in seiner instruktiven Analyse von Belagerungen und Erstürmungen in Schriftquellen und Linda de Boer in ihrer Untersuchung zu Augenzeugenschaft und Perspektivwechsel visueller Darstellungen von Belagerungen, insbesondere der scheinbaren Objektivierung durch die Kartographie. Übereinstimmend wird Hararis Umgang mit emotionaler Selbstreflexion, seine zentrale Unterscheidung in außenstehende Beobachter (»eye-witnesses«) und teilnehmende Kämpfer als angeblich authentischere und objektivere, weil leibhaftig durchlebte »flesh-witnesses« zurückgewiesen.
Dessen ursprüngliche These von der Entstehung eines seine Gefühle erstmals in der Renaissance bewusst reflektierenden »modern self« identifizieren bereits Erika Kuijpers und Cornelis Van der Haven in ihrem Vorwort als einen Schwachpunkt. Im Gegensatz zu Harari gäbe es auch keine an den Kern des Individuums heranführenden zugänglichen »Offenbarungserlebnisse« durch ultimatives Gewalterleben; selbst diese stellten immer nur Repräsentationen (Imaginationen) und Sprachkonventionen dar. Der Einbezug schriftlicher Selbstzeugnisse, Lebensberichte, Tagebücher, Korrespondenzen, auch in die meisten kunsthistorischen und literaturwissenschaftlichen Beiträge des Bandes, bestätigt, wie sehr die Überlieferung von Emotionen nicht nur durch die Grenzen des verbal Kommunizierbaren begrenzt wird, sondern auch durch Sehkonventionen geprägt ist. Mittelalterliches Nichtreden über Ängste, Lust und Leiden (Harari) bedeute nicht zwangsläufig das Nichtfühlen derselben, ebenso wenig zeuge die Abwesenheit ikonographischer Emotionalität von Emotionslosigkeit. Gerade die religiös geprägten Varianten der Artikulation von (Gottes-)Furcht und »teuflischer« Furchtlosigkeit, wie sie z. B. Andreas Bähr in seinem Beitrag zu kollektiven Ritualen wie Gebeten und magischen Praktiken vorstellt, demonstrierten die Andersartigkeit der Repräsentation und Verarbeitung existentieller Erfahrungen.
Eindrucksvoll ist die Vielfalt der genutzten Quellen und Forschungsperspektiven: Cornelius van der Haven untersucht militärtheoretische Schriften und feierliche Ansprachen, aber auch Gebete sowie Drill-Handbücher. Er macht als Erziehungsziel das durch den militär-technischen Wandel gegenüber dem Einzelkrieger/Landsknecht in den Vordergrund gerückte Prinzip der »tranquilitas« aus, die körperliche und emotionale Selbstkontrolle. Diese spielt auch in anderen Beiträgen, wie Mary Favrets Kommentar, als Teil des »social bonding« einer physisch synchron agierenden Formation und als idealisiertes Selbstkonzept eine zentrale Rolle.
Bettina Noack betrachtet exemplarisch die Schriften des berühmten Chirurgen Ambroise Paré bezüglich seiner Kriegserfahrungen als Feldchirurg sowie das Handbuch zur Wundbehandlung des niederländischen Theoretikers van Beverwijck. Ihre Identifizierung eines pauschal unterstellten soldatischen Mitgefühls gegenüber sinnlosem Leiden sterbender Kameraden überzeugt jedoch weniger als ihre Herausarbeitung der Nuancen der antiken Humoralpathologie, der zeitgenössischen Emotionstheorie, für die Einschätzung der Heilungschancen von Verletzten. Das analytische Potential von Humor als »coping strategy« in Bild und Text greift allein Johann Verberckmoes in seinem knappen Kommentar auf. Es wird sonst leider nur im Zusammenhang mit politischen Cartoons als Kriegskritik von Philip Shaw erwähnt, dem es disziplinäre Grenzen überschreitend gelingt, britische Schlachtenmalerei (Valenciennes 1793) und politische Instrumentalisierung in ihrer Genese, Rezeption und Wirkungsmacht als politischen Prozess vorzustellen.
Marian Füssel betrachtet neben Selbstzeugnissen und gesungenen Gebeten (Chorälen) als einziger die materielle Kultur jenseits der Bilder (bebilderte und betextete Tabaksdosen und Siegesschleifen). Valerie Mainz zeigt am Beispiel der beginnenden Napoleonischen Kriege den Wandel vom historischen, meist antikisierenden Schlachtengemälde zum scheinbar real-dokumentarischen Manifest auf und kann anhand von ergänzenden Schriftquellen nachweisen, wie sehr um 1800 der zentralen Zielgruppe der neuen militärischen Eliten das emotionale Verständnis und die Sehweise für alte Darstellungsformen verlorenging.
Verschiedene Beiträge rekurrieren auf das sich im Laufe der Frühen Neuzeit entscheidend erweiternde Quellenspektrum durch medialen Wandel, das neue Manifestationen von Emotionalität ermöglichte. Insbesondere populäre Drucke aber auch eine zunehmend national oder gruppenspezifische Memorialkultur veränderten das Spektrum der emotionalen Repräsentationen. Gerade für die »frühe Frühe Neuzeit« dominieren Quellen der Eliten. Erst mit einer zunehmenden Alphabetisierung, Briefkultur und dem vermehrten Druck von Lebensberichten, gerät die Perspektive einfacher Soldaten nach 1700 in und um die Schlachtfelder herum stärker ins Blickfeld.
Zu Recht bemängelt jedoch Dorothee Sturkenboom in ihrem Schlusskommentar zwei zentrale »blind spots«: zum einen die Nichtthematisierung von Männlichkeitskonzepten, so als seien diese transhistorisch für »military emotions« vorauszusetzen und erübrigten eine geschlechterhistorische Perspektive, zumal auch rund um das Schlachtfeld die frühneuzeitlichen Kriege keine frauenfreien Zonen gewesen seien. Dabei fehle der Begriff einer »heroischen Ehre« als Kern der soldatischen Identität in keinem Beitrag (Bei Ilya Berkovich steht er sogar im Zentrum.).
Zum anderen weist Sturkenboom auf die komplette Lehrstelle »destruktiver« Emotionen in allen Beiträgen hin. Rachegelüste, Lust am Töten und Quälen, jener Rausch, den Harari als »combat flow« bezeichnet, »the way in which battles transform men into killers by evoking emotions that in another context would be considered abject« (S. 281) fehlten völlig. In der Tat zirkulieren alle Beiträge dann doch recht konventionell und wenig überraschend entweder um das Bezwingen der Angst vor dem eigenen Tod und Verletzung und/oder um empathische Emotionen wie Kameradschaft und Loyalität gegenüber Führung oder seit dem 18. Jahrhundert dem »Vaterland«.
Wenn auch der Bezug der Kommentare zu den Beiträgen nicht immer überzeugend ausfällt und auch die Qualität wie der Umfang der einzelnen Aufsätze variieren, liefert der Band dennoch exemplarische Einblicke in ein vielversprechendes Forschungsfeld. Als englischsprachige Publikation trägt er außerdem zur Sichtbarkeit der international weniger rezipierten deutsch- und niederländisch/flämischen Frühneuzeitforschung bei. Bedauerlicherweise wurden wohl aus Kostengründen, die in vielen Beiträgen analysierten, im Original teils farbigen und oft großformartigen Bildquellen nur sehr klein und teilweise in schlechtem Schwarz-Weiß integriert. Hier wäre ein separater farbiger Bildteil hilfreich und adäquat gewesen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Maren Lorenz, Rezension von/compte rendu de: Erika Kuijpers, Cornelis van der Haven (ed.), Battlefield Emotions 1500–1800. Practices, Experience, Imagination, Basingstoke, Hampshire (Palgrave Macmillan) 2016, XIV–303 p., 2 b/w, 19 col. ill. (Palgrave Studies in the History of Emotions), ISBN 978-1-137-56489-4, USD 109,00., in: Francia-Recensio 2018/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48499