Diese Untersuchung von Andrew Orr ist an der Graduate School der amerikanischen Universität Notre Dame entstanden. Sie analysiert die Beschäftigung von Frauen als Zivilangestellte bei der französischen Armee während des Ersten Weltkriegs und insbesondere der Zwischenkriegszeit. Methodisch beabsichtigt der Autor, die bisher nach seiner Einschätzung immer noch praktizierte Abgrenzung zwischen der Welt des Militärs und der Zivilgesellschaft zu überwinden. Dieser Ansatz einer Synthese der Frauenforschung mit der Militär- und Sozialgeschichte ist jedoch nicht neu, sondern in der europäischen Militärgeschichtsschreibung bereits gängige Praxis 1.
Angesichts der hohen Verluste auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs kam die französische Armee nicht umhin, Frauen in der Etappe einzusetzen, um Soldaten für die Front freizustellen. Obwohl der französische Generalstab um die Moral und Kampfkraft der Truppe fürchtete, entschloss man sich 1916, Frauen als Zivilangestellte bei der Armee zu beschäftigen. Hierfür gab es zum einen soziale Gründe, um Kriegswitwen und ihre Familien durch eine geregelte Erwerbstätigkeit materiell abzusichern. Zum anderen sah die Generalität Frauen als unpolitisch an, weshalb sie – anders als Soldaten – nicht anfällig für politische Agitation seien. Die internen Debatten zwischen den Generälen und dem Kriegsministerium zur Beschäftigung von Frauen zeichnet der Autor genau nach. Die Leserinnen und Leser erfahren jedoch kaum etwas darüber, ob Frauen auch an Schlüsselstellen der Militärverwaltung wie etwa in den Stäben oder der Nachrichtenübermittlung eingesetzt wurden.
Unmittelbar nach Kriegsende kam es zu einer Entlassungswelle von Frauen. Da sich die französische Armee jedoch angesichts der bevorstehenden Demobilisierung mit einer Fülle von Verwaltungs- und Versorgungsfragen konfrontiert sah, wurden viele Frauen als Sekretärinnen und Buchhalterinnen wieder eingestellt. Orr beziffert die Zahl der weiblichen Angestellten in den zwanziger Jahren auf 7.500. Obwohl der Frauenanteil an der Gesamtzahl der Armeeangehörigen gering gewesen sein dürfte, lehnten viele hohe Militärs die Beschäftigung von Frauen weiterhin ab, weil man um Männlichkeitsideale und Kampfkraft der Armee fürchtete.
Besonders heftig flammte diese Diskussion während der Militärgesetzgebung der Regierung Poincaré zwischen 1927 und 1928 auf. Um den Wehrdienst auf ein Jahr verkürzen zu können und die Armee vor einer befürchteten Unterwandung durch kommunistische Agitatoren zu schützen, willigte der Conseil supérieur de la guerre unter Führung Petains ein, Frauen dauerhaft als Zivilangestellte bei der Armee zu beschäftigen. Allerdings bleibt der Autor stichhaltige Belege schuldig, wonach der Einsatz von Frauen bei der französischen Armee tatsächlich ein Bollwerk gegen den Kommunismus bildete.
Angesichts der bedrohlichen politischen Lage Europas in den späten dreißiger Jahren, erweiterte die Volksfrontregierung im Juli 1938 die Bestimmungen zum Einsatz von Frauen im Kriegsfall (Loi Paul-Boncour). Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg begann, konnten sich Frauen freiwillig zum Dienst als Kraftfahrerinnen und Krankenschwestern beim Sanitätsdienst der französischen Armee melden. Sie vergrößerten somit den Frauenanteil, weil die weiblichen Zivilangestellten ihre Positionen selbst unter der Vichy-Regierung behielten, die die Erwerbstätigkeit von Frauen ansonsten strikt ablehnte. Abschließend schildert der Autor summarisch den Einsatz von Frauen bei den Streitkräften des Freien Frankreich unter Führung de Gaulles.
Andrew Orr kommt zu dem Ergebnis, dass sich die bei der französischen Armee beschäftigten Frauen in der Zwischenkriegszeit mit dieser identifizierten und Teil der military community der französischen Armee wurden. Allerdings diskutiert er nicht, ob Frauen überhaupt eine Identifikation mit der französischen Armee und ihren Idealen anstrebten. Das Beispiel von Madame Hélias, die das 9. Bataillon der chasseurs alpins als Angestellte bei dessen Auslandseinsatz im Saarland begleiten wollte, obwohl Frauen dies verboten war, überzeugt kaum. Denn für diese Entscheidung von Frau Hélias könnten auch rein wirtschaftliche oder persönliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein.
Obwohl die Arbeit gut annotiert ist, entsteht beim Lesepublikum der Eindruck, dass die Quellenauswahl eher zufällig erfolgte. So lässt sich kaum nachvollziehen, warum der Autor nicht wenigstens einige der im Buch erwähnten Frauen selbst durch Ego-Dokumente zu Wort kommen lässt, sondern sie nur über die Akten des französischen Militärs sprechen lässt. Außerdem werden die Positionen französischer Feministinnen wie etwa Cécile Brunschvicg oder Marguerite Durand zur Frage des Fraueneinsatzes bei der französischen Armee nicht thematisiert.
Die in Frankreich während des Ersten Weltkriegs eingesetzten Rot-Kreuz-Schwestern wurden in diese Arbeit nicht einbezogen. Dabei wäre es interessant zu analysieren, ob sich diese nicht in einem weit größeren Umfang als Teil der military community verstanden, weil sie – anders als die weiblichen Zivilbeschäftigten in der Etappe – in Frontnähe eingesetzt wurden und so die Härte der Kämpfe hautnah miterlebten.
So präsentiert Andrew Orr ein unausgewogenes Ergebnis in seiner Untersuchung, die viele Aspekte und Quellen unbeachtet lässt. Überflüssige Wiederholungen und eine zu detailreiche Auswertung der Aussagen der Generäle Ruffey, Picquet, Pétain und Desmaillard müssen diesen Mangel kompensieren, ohne dass ein Mehrwert entsteht. Was der Autor an Erkenntnissen zum Einsatz von Frauen bei der französischen Armee zwischen 1914 und 1940 vorlegt, hätte auch gut in einen Aufsatz gepasst.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Corinna von List, Rezension von/compte rendu de: Andrew Orr, Women and the French Army during the World Wars, 1914–1940, Bloomington, IN (Indiana University Press) 2017, XXVI–192 p., ISBN 978-0-253-02678-1, USD 30,00. , in: Francia-Recensio 2018/2, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48521