Das Bild, mit dem Velasquez die Übergabe Bredas an die Spanier 1625 (»Las Lanzas«) verewigte, dürfte wie kaum ein anderes Kriegs- und Propagandabild des 17. Jahrhunderts ikonische Bedeutung erlangt haben – als Idealbild eines ehrenvollen Umgangs von Siegern und Besiegten anlässlich der Kapitulation und Übergabe einer belagerten Stadt. Natürlich lässt sich Paul Vo-Ha in seiner grundlegenden und materialreichen Studie von dieser Bildaussage nicht täuschen, denn um die Abgründe der frühneuzeitlichen Kriegführung weiß auch diese Studie nur zu gut. Sie sucht eine Einordnung dieser Praxis auch nicht vor dem Hintergrund von Prozessen der Humanisierung des Krieges oder zumindest kollektiver Affektkontrolle im Sinne eines Norbert Elias, sondern sieht sie eher im Kontext einer umfassenden Rationalisierung des Kriegsgeschehens.

Die Studie gründet auf einer breiten empirischen Basis von überlieferten Stadt- und Festungsübergaben. Er greift sowohl auf die zeitgenössische Historiographie der Religionskriege (de Thou, d’Aubigné) wie auch auf die Korrespondenzen der secrétaires d’Ètat à la guerre zwischen 1631 und 1710 zurück sowie auf einschlägige Memoiren und zeitgenössische Traktate. Der Anspruch, damit eine europäische Perspektive einzunehmen, wird allerdings nur bedingt eingelöst – die Vorgänge in den Niederlanden ab 1570, des Dreißigjährigen Krieges im Reich oder in den Türkenkriegen werden nur rudimentär einbezogen, es bleibt bei einer sehr französischen Perspektive. Dies gilt auch für die herangezogene Literatur, die neben der französischen Historiografie lediglich einige englischsprachige Titel berücksichtigt – die aktuelle deutsche Forschung zu Kriegsgefangenschaft, Kartellen oder kulturellen Einbettungen kriegerischen Handelns – etwa in der Schlacht (Marian Füssel) – bleibt unberücksichtigt. Auch unter diesen Cautelen aber ist Vo-Has Studie für die deutsche Forschung wichtig, denn es findet sich bislang kein Werk, das den Umgang von Siegern und Besiegten, vor allem die entsprechenden kulturellen Praktiken, für die Frühe Neuzeit in vergleichbarer Breite analysiert.

Der erste Teil des Buches widmet sich folglich den kulturellen Manifestationen ehrenvoller Übergabe und den Zeichen und Worten, mit denen Praktiken der Kapitulation in ritualisierte Formen eingebettet wurden. Zentrale Bedeutung misst die Studie dabei der Transformation von chevaleresken Elementen mittelalterlicher Kriegführung in die Normen eines frühneuzeitlichen Kriegsrechts, wie es dann bei Grotius klassisch formuliert wurde, bei. Auch wenn man diesem Normierungsnarrativ skeptisch gegenübersteht, erschwerte solche Normierung es in der Frühen Neuzeit zweifellos, zu Lasten der Besiegten zu handeln. Die kulturellen Praktiken, mit denen dies gewährleistet wurde, waren jedoch zweifellos sehr viel älter und die kriegsrechtliche Normierung fügte dem allenfalls eine weitere Legitimationsebene hinzu. Wichtiger erscheint der Umstand, dass Kriege des 16. und 17. Jahrhunderts in hohem Maße durch Belagerungen geprägt waren und dass diese Situation eher kontrollierbar war als ein Schlachtgeschehen. Sehr deutlich wird dies beim Auszug der Besiegten aus einer übergebenen Stadt, weil das Verlassen der schützenden Mauern der heikelste Moment solcher Transgression war. Das Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten schlug sich dabei in einer großen Bandbreite von Repräsentationen dar, die jeweils markierten, wieviel Ehre den Besiegten jenseits des bloßen Überlebens zugestanden wurde – ob sie beispielsweise ihre Waffen behalten durften oder ihnen zugestanden wurde, durch die Mauerbresche, die eine Übergabe militärisch notwendig machte, auszumarschieren. Auch den Zeichen und Akteuren der Kapitulation (weiße Fahnen, Trompeter, Geiseln) widmet die Studie Beachtung, sie bietet damit viel Material für aktuelle kulturgeschichtliche Zugänge zur Militärgeschichte.

Dabei aber will es die Studie nicht bewenden lassen. Der zweite Teil widmet sich den »rationalités« in Gestalt der politischen und ökonomischen Interessen, die hinter den Aushandlungsprozessen einer Kapitulation standen. So wenig eine Gegenüberstellung von »Ritualen« und »Rationalitäten« konzeptionell überzeugt – auch Rituale sind ja keineswegs irrational –, so sinnvoll ist es, gerade die ökonomischen und politischen Beweggründe für Kapitulationen und Übergaben zu thematisieren. Die von Vo-Ha hier auch explizit geäußerte Kritik an kulturgeschichtlichen Einseitigkeiten ist jedenfalls nicht ohne Berechtigung, zumal die Kriegführung der Frühen Neuzeit mehr noch als in anderen Epochen von ökonomischen Imperativen geprägt war.

Deutlich arbeitet er heraus, dass ein Sieg zu möglichst geringen Kosten bzw. mit möglichst geringen Menschenverlusten auch dem Kalkül der Belagerer entsprach. Es wurde allenfalls durch politische Interventionen außer Kraft gesetzt, beispielsweise, wenn der Kriegsherr eine Verteidigung des festen Platzes bis zum Letzten verlangte und aus seiner Sicht vorzeitige Kapitulationen scharf sanktionierte. Dies kennzeichnete nicht zuletzt die französische Kriegführung unter Ludwig XIII. und Ludwig XIV.: Die zeitweilige Verschärfung der Kriegführung und unter Ludwig XIV. auch bewusste Brutalisierung sorgte jedenfalls dafür, dass eine »culture de la reddition honorable« in der Frühen Neuzeit kein Selbstläufer war und immer wieder konterkariert wurde.

Bezeichnenderweise nahm man auf französischer Seite im Spanischen Erbfolgekrieg von solchen Zuspitzungen auch wieder Abstand, als man selbst in die Defensive geriet. Gerade am Beispiel der Kriegsgefangenschaft wird die ökonomische Dimension des Umgangs von Siegern und Verlierern deutlich. Weil sich Kriegsgefangenschaft ökonomisch selten rentierte, wurde sie in größerem Maße erst im 18. Jahrhundert massenhaft praktiziert. Zugleich aber wurde die Praxis des Austauschs von Kriegsgefangenen in immer größerem Umfang rationalisiert und ökonomisiert, wenn dies mittels formalisierter »Kartelle« gehandhabt wurde, bei denen schon der Name »Kartell« anzeigt, dass es um Preisabsprachen über den Wert von Gefangenen ging. Ökonomisches Kalkül war keine Gegenwelt zur Kultur einer ehrenvollen Übergabe, sondern legte einen vergleichsweise schonenden Umgang mit Unterlegenen nahe, solange sie einen Wert besaßen.

Wenn es um die Tragweite eines solch geregelten Umgangs mit den Unterlegenen geht, stellt sich jedoch die Frage nach der Generalisierbarkeit solcher Beobachtungen, und deshalb ist es zielführend, dass der dritte Abschnitt sich den Grenzen und bewussten Verweigerungen von Kapitulationen und Übergaben widmet. Die Beispiele für Massaker an Unterlegenen – auch nach deren Kapitulation – sind jedenfalls im Untersuchungszeitraum zahlreich, und Vo-Ha vermag, einige der dafür verantwortlichen situativen Kontexte plausibel zu analysieren: Intendierter Terror als Signal an die Gegenseite, praktiziert etwa vom Herzog von Alba in den Niederlanden, konfessionelle Bürgerkriege als Ausnahmekriege, Kriege an Kulturgrenzen wie mit dem osmanischen Reich, in denen die Bereitschaft zum Aushandeln von Niederlagen begrenzt waren.

Ob damit die generelle Absage an den frühneuzeitlichen »guerre en dentelles« – so Vo-Has abschließende These – wirklich ausreichend begründet werden kann, erscheint allerdings fraglich, denn die Zeitgenossen (und auch Vo-Ha selbst) verwiesen auf den Ausnahmecharakter spezifischer situativer Kontexte. Umso mehr erscheint angesichts der Fragilität der Relation zwischen Siegern und Besiegten bemerkenswert, in welchem Maße Übergabesituationen entschärft werden konnten und an coutumes, Kriegsbrauch, auch Kriegsrecht mit einiger Aussicht auf Erfolg appelliert werden konnte. Dafür bietet diese Arbeit viel Material, das insgesamt auch klug ausgewertet ist.

Eine generelle Aussage über Entwicklungen in der Kriegführung der Frühen Neuzeit hin zu mehr Rationalisierung oder Einhegung der Kriegsgewalt aber leistet sie nicht, dazu sind die oft eindrucksvollen Beispiele dann doch zu sehr im Stil des ausgeschütteten Zettelkastens präsentiert. Es wäre für die Forschung im Übrigen auch nicht wünschenswert, wenn mit dieser Arbeit zum Thema »Sieger und Besiegte in der Frühen Neuzeit« schon Abschließendes gesagt wäre. Als Zusammenschau von Beispielen und Analyseperspektiven trägt sie aber zu einer Militärgeschichte der Frühen Neuzeit Erhebliches bei und sollte auch in der deutschen Forschung entsprechend rezipiert werden.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Carl Horst, Rezension von/compte rendu de: Paul Vo-Ha, Rendre les armes. Le sort des vaincus XVIe–XVIIe siècles. Préface de Nicolas Le Roux. Postface d’Hervé Drévillon, Seyssel (Champ Vallon) 2017, 432 p. (Époques), ISBN 979-10-267-0496-6, EUR 28,00., in: Francia-Recensio 2018/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48538