Obwohl sich der Pariser Hof bald nach Ausbruch des abendländischen Schismas auf Seiten Clemens’ VII. positioniert hatte, war eine Diskussion über alternative Möglichkeiten zur Beseitigung des Schismas in der französischen Hauptstadt zunächst noch möglich. Auf direkten Wunsch des Königs Karl V. verfasste der an der Pariser Universität lehrende Konrad von Gelnhausen 1379 die »Epistola brevis« und adressierte auch sein Hauptwerk aus dem Folgejahr, die »Epistola concordiae«, ausdrücklich an den französischen Herrscher. Darin setzte sich der Gelehrte vehement für ein von den Königen und weltlichen Fürsten einzuberufendes Generalkonzil ein, mit dem Ziel, die 1378 ausgebrochene Spaltung der westlichen Kirche zu überwinden. Die verfahrene Situation des Schismas verlange dies. Der Tod Karls V. ließ Konrads Vorstoß jedoch ins Leere laufen, wobei offen bleiben muss, ob sich der König in seiner politischen Entscheidung für Clemens VII. davon hätte beeinflussen lassen.

Parallel hatte sich Konrad mit seinem Traktat aber auch an den römischen König Wenzel, den ihm seit langen Jahren verbundenen pfälzischen Kurfürsten Ruprecht I. sowie weitere weltliche und geistliche Reichsfürsten gewandt, um für seinen Vorschlag zu werben. Unmittelbaren Erfolg sollte er mit seinem Vorstoß zugunsten der via concilii allerdings nicht haben. Jahre später jedoch, nach seinem Tod 1390, gewannen seine Ideen und Vorschläge erneut an Aktualität; doch erst eine Generation später – das Schisma dauerte unterdessen immer noch an – zeigte man sich für den von Konrad propagierten konziliaren Weg offen. Jetzt war man zudem bereit, bei der Lösung der noch offenen Probleme auf die von dem Gelehrten in den beiden »Epistolae« gemachten Vorschläge zurückzugreifen.

Nachdem Konrad von Gelnhausens einstiger Kollege und Mitstreiter an der Universität zu Paris, Heinrich von Langenstein, bereits vor einigen Jahren einen profunden Bearbeiter gefunden hat1, war es mithin höchste Zeit, dass jetzt auch Konrad selbst die ihm und seinem Werk angemessene Wertschätzung erfährt. Denn mit seinem klaren Plädoyer für die Einberufung eines Generalkonzils zur Überwindung der Spaltung war der Jurist und Theologe zu Beginn des abendländischen Schismas (1378) zweifellos von kaum zu überschätzender Bedeutung.

Prädestiniert für die reizvolle Aufgabe, sich mit dem Gelehrten zu befassen, ist der emeritierte Regensburger Rechtshistoriker Hans-Jürgen Becker allemal, handelt es sich bei ihm doch um einen ausgewiesenen Fachmann, wofür schon seine Habilitationsschrift2 sowie der Beitrag für die Festschrift seines akademischen Lehrers Adalbert Erler3 Zeugnis ablegen.

Der hier zu besprechende Band Beckers beginnt mit einem ausführlichen Darstellungsteil zu Konrads Leben und Werk4, bevor er im zweiten Teil des Buchs die beiden Schismaschriften »Epistola brevis« bzw. »Epistola concordiae« neu ediert, übersetzt und dadurch erst vielen Lesern zugänglich macht. Allein dies ist nicht genug zu rühmen. Ergänzt wird die Edition durch eine Reihe von Briefen und anderen Texten, die im unmittelbaren Kontext zur Entstehung und Verbreitung der beiden Schriften stehen und die ihre Einordnung und Interpretation erleichtern können.

Becker beginnt mit einer »Vita des Konrad von Gelnhausen« (S. 14–29), bevor er »die kirchenpolitische Situation in den Anfangsjahren des Großen Schismas« in groben Zügen skizziert und die wichtigsten Gutachten jener Jahre – ergänzt um knappe Druck- und Literaturhinweise – nennt (S. 29–50). Anschließend befasst er sich näher mit der »›Epistola brevis‹ von 1379«, Konrads erster kirchenpolitischen Schrift, sowie mit der »›Epistola concordiae‹ von 1380« (S. 50–83) und spricht einige der zentralen Themen dieser beiden Texte an (S. 83–117). Souverän behandelt er in kurzen Abschnitten die schwierigen Fragen der Ekklesiologie Konrads, die Lehre der epikeia und ihre Anwendung im Schisma, Konrads Vorstellung vom Konzil und zur Stellung der Kardinäle.

Weiter folgen einige Überlegungen zu einer möglichen dritten Schrift Konrads (S. 117–119), was von Becker allerdings abschlägig beschieden wird. Im Anschluss kommentiert er die ergänzenden »Begleitbriefe zur ›Epistola brevis‹ und zur ›Epistola concordiae‹ vom Mai 1380« (S. 119–135), bevor er zum Schluss auf die »Nachwirkung der ›Epistola concordiae‹« (S. 135–148) zu sprechen kommt. Becker verfolgt darin die Spuren, die Konrads Werk bei Heinrich von Langenstein, dann aber vor allem in den seit 1394 wieder einsetzenden Diskussionen um den konziliaren Weg gespielt hat und die schließlich über d’Ailly und Gerson bis nach Pisa und Konstanz reichten.

Bevor der eigentliche Editionsteil einsetzt, macht Becker noch ein paar Bemerkungen zur Überlieferung der »Epistola concordiae« und erklärt die Grundsätze seiner Textedition sowie deren Übersetzung (S. 148–150). Die Edition selbst umfasst insgesamt zehn Stücke, darunter die beiden »Epistolae«, verschiedene Briefe an unterschiedliche Empfänger sowie eine Predigt Konrads (S. 151–349). Ein der »Epistola concordiae« angehängter Appell an Karl V., damit sich dieser für das Generalkonzil einsetzen möge, zwei der an verschiedene Reichsfürsten gerichtete Schreiben sowie Teile einer Predigt, die Konrad am 30. August 1380 in Worms gehalten hatte – dort besaß er die Pfründe des Dompropstes – werden von Becker erstmals editiert.

Abgeschlossen wird der Band durch ein Quellen- und ein Literaturverzeichnis sowie ein umfangreiches Orts-, Personen- und Sachregister.

So verdienstvoll das Buch insgesamt also ist, so ärgerlich ist der schlampige, mitunter fahrlässige Umgang mit Sprachrichtigkeit und formaler Gestaltung (etwa dem Einsatz von Kapitälchen). Negativ sticht dabei das Quellen- und Literaturverzeichnis hervor, in dem sich Druckfehler häufen und mancher Titel entstellt wiedergegeben wird. Auch lässt sich kein durchgängiges Prinzip erkennen, wie einzelne Werke zitiert werden (Vornamenkürzungen, Zitation von Sammelbänden etc.). Zum Teil fehlen unverzichtbare Angaben (vgl. bspw. Koch-Wille, Regesten) oder Arbeiten werden den falschen Autoren zugewiesen (Girgensohn, Die Universitäten und das Basel Konzil, statt richtig: Miethke). Auch kommt es zu überflüssigen Dopplungen (Miethke, Die scholastischen Theologen). Dem Rezensenten will auch nicht immer ganz einleuchten, warum einzelne Titel in das eine oder aber in das andere Verzeichnis aufgenommen wurden. Insgesamt hätte man dem Buch eine größere formale Sorgfalt gewünscht.

1 Georg Kreuzer, Heinrich von Langenstein. Studien zur Biographie und zu den Schismatraktaten unter besonderer Berücksichtigung der »Epistola pacis« und »Epistola concilii pacis«, Paderborn u. a. 1987.
2 Hans-Jürgen Becker, Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Köln, Wien 1988 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht,17).
3 Ders., Simone da Borsano. Ein Kanonist am Vorabend des Großen Schisma, in: ders. (Hg.), Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte. Festschrift für Adalbert Erler zum 70. Geburtstag, unter Mitwirkung von Adolf Fink, Aalen 1976, S. 179–196.
4 Vgl. dazu auch ders., Konrad von Gelnhausen und das Große Abendländische Schisma: der Professor des Kanonischen Rechts als Wegbereiter der via concilii zur Behebung der Kirchenspaltung, in: Gelnhäuser Geschichtsblätter (2014/2015), S. 5–53.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Frenken Anskar, Rezension von/compte rendu de: Hans-Jürgen Becker, Konrad von Gelnhausen. Die kirchenpolitischen Schriften, Paderborn (Ferdinand Schöningh) 2018, 404 S. (Konziliengeschichte. Reihe B. Untersuchungen, 17), ISBN 978-3-506-78866-5, EUR 99,00., in: Francia-Recensio 2018/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.3.51747