Im Zentrum des Buchs, das zuerst 2015 unter dem Titel »The Ransom of the Soul« erschien, steht die lateinische Christenheit in der Zeit von etwa 250 bis 650 und die Entwicklung der Vorstellung, dass sich Himmel und Erde durch Geld verbinden lassen. Peter Brown geht es vor allem darum, die Hintergründe dieser Entwicklung aufzuzeigen und die erstaunliche Geschwindigkeit dieses Prozesses herauszuarbeiten. Grundlegend war dabei sicher der schon im 3. Jahrhundert vorhandene Gedanke des wechselseitigen Gedenkens: Die Lebenden gedachten der Toten und beteten dafür, dass diese ihrer gedachten (S. 54). Das schien nötig, da man sich die Seelen in einem Wartezustand vor dem Jüngsten Gericht vorstellte.

Allerdings schildert Brown die Anfänge dieser Vorstellungswelt zu einseitig. Die wartenden Seelen bei Tertullian könne man, so Brown, streng genommen nicht als Sünder bezeichnen, da sie nicht litten (S. 35). Doch bei Tertullian heißt es in »De Anima« cap. 58 ausdrücklich, die Seelen werden in der Unterwelt bestraft (puniri) oder belohnt, während sie auf das endgültige Urteil warten. Die Christengemeinden haben somit das Jenseits wohl kaum generell als einen Ort der Ungezwungenheit und Leichte betrachtet (S. 29).

Beeindruckend ist dann allerdings die Darstellung der Bedeutung des Almosens, dem schon früh eine vermittelnde Funktion zwischen Diesseits und Jenseits zukam. Brown beschreibt eindrücklich, wie sich die Bedeutung des Almosens durch das Anwachsen der christlichen Gemeinden veränderte, da sich im 4. Jahrhundert sowohl viele Arme als auch viele Reiche der Kirche zuwandten. Dadurch kam es zu einer Anonymisierung der Gemeinden und einer Neuausrichtung des Almosengebens. Dies beschreibt Brown vor allem am Beispiel des Augustinus. Augustinus forderte wie viele seiner Mitbischöfe eine Neuausrichtung der Spendenpraxis. Die reichen Bürger sollten nicht mehr ihre Heimatstadt und ihre Mitbürger unterstützen, sondern gezielt für die Armen spenden, um sich einen Schatz im Himmel anzulegen.

Nur regelmäßiges tägliches Gebet und tägliche Almosen konnten nach Augustinus den Menschen von seinen täglichen kleinen Sünden entsühnen. In dieser Auffassung sieht Brown wohl zu Recht einen grundsätzlichen Konfliktpunkt des Augustinus mit Pelagius, der davon ausging, dass der Mensch seinen Sünden entsagen könne. Das hätte aber das für die Versorgung der Armen notwendige Almosensystem der Kirche gefährdet. Während Brown davon ausgeht, dass die Reichen und auch die weniger Reichen in Nordafrika sich tatsächlich von Augustinus und anderen Bischöfen zum regelmäßigen Almosenspenden bewegen ließen, sieht er die Lage in Gallien aufgrund der Aussagen Salvians anders. Salvian und auch andere forderten die Reichen zu großen Spenden an die Kirche auf, verlangten Buße und drohten mit schrecklichen Strafen, was zu großen Spenden von Seiten der Begüterten und damit zu einem erheblichen Reichtum der Kirche führte.

Die Bedeutung dieser Spenden lässt sich übrigens auch am stetigen Kampf um den Nachlass der Spender in den Kanones – früh etwa im 4. Kanon der Synode von Vaison (442) – nachvollziehen, doch werden kirchenrechtliche Texte bei Brown fast komplett ausgespart. Allerdings weist Brown zu Recht darauf hin, dass zwar in vielen Texten des fränkischen Reichs die Forderung nach Buße präsent sei, man die Wirkung dieser Texte aber nicht überschätzen solle.

Anhand des Werks Gregors von Tours arbeitet Brown dann dessen Vorstellung von Sünde und Vergebung heraus, die sich deutlich von jener des Augustinus unterscheidet. Gregor hoffte nämlich sehr wohl auf die Fürsprache und Hilfe der Heiligen, während Augustinus allein auf Almosen, Gebete und das Messopfer als Hilfsmittel für das Seelenheil verwiesen hatte. Wenn Brown allerdings anschließend am Beispiel des Testaments Bischof Berthramns von Le Mans behauptet, Berthramn habe durch seine großen Spenden die Vergebung seiner Sünden »durch die Gebete der Heiligen« erreichen wollen (S. 176), so stimmt das nicht.

Dieser Gedanke ist so nicht im Testament formuliert und außerdem werden die zahlreichen weiteren Maßnahmen Berthramns wie Armenversorgung, Freilassung von Sklaven, Eintragung seines Namens in die »Libri Vitae«, Vorsorge für ein regelmäßiges Totengedenken mit Gabendarbringung und Bestattung in der Basilika der Apostel Petrus und Paulus in Le Mans ausgeblendet. Dadurch wird aber die große Breite der Maßnahmen, mit denen man für sein Seelenheil vorsorgen wollte, nicht sichtbar, denn auch bei Gregor von Tours spielen Gabendarbringung und Messopfer eine wichtige Rolle für das Seelenheil, und hier ist Gott der direkte Ansprechpartner (vgl. etwa Gregor von Tours, »Liber in gloria confessorum«, cap. 64).

Die von Brown postulierte grundsätzliche Verbindung zur Fürsprache durch die Heiligen lässt sich dabei nicht belegen (S. 177f.), auch wenn Heilige insgesamt natürlich eine sehr wichtige Rolle spielten und die Präsenz und Bedeutung der Heiligen im Diesseits für Gregor außer Frage stand. Wie sehr man sich aber letztlich auf Gott und sein Erbarmen verließ, machen die im 7. Jahrhundert entstehenden und von Brown nicht behandelten Messtexte für die Lebenden und die Toten sichtbar, in denen stets Gott angesprochen wird und in denen keine Heiligen vorkommen.

Obwohl der Rezensent nicht alle Ausführungen des Buchs nachzuvollziehen vermag, bleibt es eine spannende und lohnende Lektüre. Die Übersetzung ist insgesamt gelungen, von kleinen Versehen abgesehen, wie etwa der Übersetzung von »Lord« (dominus) als »Lehnsherr« (S. 197). Leider fehlt wie schon im englischen Original eine Bibliografie, was das Auffinden der zitierten Titel nicht gerade erleichtert.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Sebastian Scholz, Rezension von/compte rendu de: Peter Brown, Der Preis des ewigen Lebens. Das Christentum auf dem Weg ins Mittelalter. Aus dem Englischen von Tobias Gabel, Darmstadt (Verlag Philipp von Zabern) 2018, 270 S., ISBN 978-3-8053-5150-8, EUR 29,95. , in: Francia-Recensio 2018/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.3.51754