Beide Bände (in Quart) fußen auf Studientagen des Jahres 2014, als man allenthalben des 1200. Todestages Karls des Großen gedachte, und tragen aus regionalem Blickwinkel zu der umfangreichen Jubiläumsliteratur bei.

Der belgische Band aus Namur konzentriert sich mit sieben Beiträgen auf das mittlere Maastal, das im 8. Jahrhundert vor dem Aufstieg Aachens als die Stammlandschaft der Pippiniden von zentraler Bedeutung für den karolingischen Herrschaftsaufbau gewesen ist. Nach einer Einführung von Florence Close stellt zunächst Josiane Barbier allgemein die bis auf Fundamentreste verschwundenen merowingischen Pfalzanlagen des 6.–8. Jahrhunderts im heutigen Frankreich vor (mit Widerspruch gegen Carlrichard Brühls These von einem topografischen Fortbestand der städtischen Amtsgebäude seit der Römerzeit).

Dreimal geht es danach um Herstal als den Schauplatz, an dem Karl im März 779 sein erstes (auch als solches bezeichnetes) Kapitular promulgiert hat (MGH Capit. 1, Nr. 20), dem Hubert Mordek, Deutsches Archiv 61 (2005), S. 1–52 (mit Edition), ein kürzeres »zweites Kapitular von Herstal« zur Seite gestellt hat. Alain Dierkens sieht die pastoralen Intentionen beider Texte in der Kontinuität zu den bonifatianischen Reformsynoden von 743/744 und nimmt überzeugend konkrete Anregungen weniger durch das Mahnschreiben des Iren Cathwulf von etwa 775 (MGH Epp. 4, S. 501–505) als durch einen Brief König Pippins an Lul von Mainz von 765 (MGH Epp. sel. 1, S. 254) an. Daran anknüpfend widmen sich Jean-Pierre Devroey der Hungersnot von 778/779 als aktuellem Hintergrund der Herstaler Verfügungen und Julien Maquet einer vergleichenden Analyse des Kapitulars und des Cathwulf-Schreibens (mit Faksimile S. 70–73).

Auf diese für die allgemeine Geschichte beachtenswerten Erörterungen folgen im regionalen Rahmen drei archäologische Fundberichte über Plätze maasaufwärts von Lüttich, an denen in letzter Zeit ertragreich ausgegraben worden ist. Sie betreffen die heutige Stadt Huy an der Maas, in deren Kerngebiet markante Siedlungsspuren aus karolingischer Zeit zutage getreten sind, ferner eine unweit von Huy gelegene, um 1000 aufgegebene ländliche Ansiedlung auf römischer Grundlage (Villers-le-Bouillet), die vorsichtig als Grundherrschaft angesprochen wird, und schließlich einen Hügel namens Thier d’Olne (bei Engis), der einen frühmittelalterlichen Adelssitz zum Vorschein gebracht hat. Von Jupille, das auf dem Titelblatt neben Herstal figuriert, ist nur gelegentlich in Fußnoten die Rede.

Lockerer gefügt und ohne ausdrücklichen Herausgeber präsentiert sich der Sammelband aus Metz, der sich in elf Beiträgen hauptsächlich mit der späteren Erinnerung an Karl den Großen auseinandersetzt. Begründet wird diese Akzentsetzung in der »Introduction« von Michèle Gaillard mit der Feststellung, dass Karl zwar mehrfach im nahe gelegenen Diedenhofen/Thionville geweilt hat, aber nie in Metz nachzuweisen sei. Das trifft erstens nicht so ganz zu, denn die Reichsannalen erwähnen zumindest einmal, nämlich 805, eine Reise von Diedenhofen über Metz in die Vogesen (MGH SS rer. Germ. 6, S. 120), und sollte zweitens nicht überschätzt werden, denn immerhin ließ Karl seine Gemahlin Hildegard und drei seiner Kinder in Metz bestatten. Die noch weiter reichende Behauptung: »L’association entre les Carolingiens et Metz est donc surtout l’œuvre, réfléchie ou non, des empereurs et rois qui lui succédèrent et gardèrent le contrôle de la ville« (S. 7), verrät Unkenntnis der Dissertation von Otto Gerhard Oexle1, auf die tatsächlich nirgends in dem Band Bezug genommen wird.

Nach einer ersten Intervention von Pierre-Édouard Wagner, der in großen Zügen die Entwicklung des Karlsbildes in Frankreich und Deutschland und dann die historischen Schicksale der Metzer Abtei St. Arnulf sowie der Kathedrale St. Stephan skizziert, wirft Michèle Gaillard die Frage auf, ob urkundliche Quellen eine spezifische Erinnerung an Karl und die Karolinger im lothringischen Mittelalter erkennen lassen. Das wird letztlich verneint, nachdem die Verfasserin dargetan hat, dass die späteren Karolinger zwischen 840 und 987 zwar immer wieder, aber insgesamt selten lotharingische Kirchen mit Privilegien bedacht, sich dabei aber kaum je auf Karl den Großen, sondern eher noch auf den heiligen Arnulf oder Ludwig den Frommen bezogen hätten und dass bei der Zusammenstellung der Chartulare im 12./13. Jahrhundert, zumal von Gorze und Saint-Mihiel, die Karolinger keine sonderliche Beachtung gefunden hätten. Von einem »constat décevant« (S. 35) spricht auch François Héber-Suffrin im Hinblick auf karolingerzeitliche Kirchenbauten in Metz. Karl und seine Familie, befindet er, hätten keinen Eifer gezeigt, um der Stadt ihren früheren Rang als Kapitale Austrasiens zu erhalten. Immerhin zieht er den »Liber de episcopis Mettensibus« des Paulus Diaconus heran, dem in einem solchen Band doch eigentlich ein eigener Beitrag gebührt hätte. Von der Schatzkammer des Klosters St. Arnulf handelt Anne Adrian, zunächst gemäß den überlieferten Inventaren, dann anhand der erhaltenen bzw. wiederentdeckten Einzelstücke, von denen natürlich keines wirklich auf den großen Karl zurückgeht. Dass auch die (von André Duchesne 1626 so benannten) »Annales Mettenses« nach herrschender Meinung nicht in Metz, sondern um 805 am ehesten in Saint-Denis oder Chelles entstanden sind, unterstreicht Sophia Mösch, die in Alkuin den Vermittler bestimmter Formulierungen aus Augustins »De civitate dei« sieht und den hofnahen Charakter der Quelle bekräftigt.

Nach einigen Bemerkungen von Anne Wagner über Karl den Großen in hagiografischer Literatur wenden sich die restlichen Beiträge der Rezeption des Kaisers in jüngerer Zeit zu. Dabei geht es zunächst um die aus Metz stammende enzyklopädische Dichtung »Image du monde« (Erstfassung in französischer Sprache von 1246), die Karl als Förderer der Wissenschaft rühmt, sodann um sein Erscheinungsbild in repräsentativen Bildwerken und Statuen des 14.–16. Jahrhunderts und schließlich um seine argumentative Rolle bei der »francisation« der Abtei St. Arnulf zwischen 1552 und 1648. Die Zeit der Zugehörigkeit zum Deutschen Kaiserreich nach 1871 ist doppelt vertreten: durch eine interessante Darstellung der konkurrierenden Konzepte für eine monumentale Präsenz Karls des Großen in Metz, die wesentlich von der aus dem Domschatz stammenden berühmten Reiterstatuette (heute im Louvre) angeregt waren, sowie durch einen Bericht über die von Kaiser Wilhelm II. geförderten Ausgrabungen auf dem Areal der einstigen Abtei St. Arnulf in den Jahren 1905/1906.

Die abschließenden »Conclusions« von Mireille Chazan sind als Einstieg in die Lektüre des Bandes zu empfehlen, denn sie rücken die einzelnen Beiträge in einen weiten historischen Kontext und erwähnen manches, was man vorher gar nicht erfahren hatte.

1 Otto Gerhard Oexle, Die Karolinger und die Stadt des heiligen Arnulf, in: Frühmittelalterliche Studien 1 (1967), S. 250–364.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Rudolf Schieffer, Rezension von/compte rendu de: Florence Close, Alain Dierkens, Alexis Wilkin (dir.), Les Carolingiens dans le bassin mosan autour des palais de Herstal et de Jupille. Actes de la journée d’étude tenue à Herstal le 24 février 2014, Namur (Institut du patrimoine wallon) 2017, 192 p., nombr. ill. (Les Dossiers de l’IPW, 27), ISBN 978-2-87522-198-8, EUR 25,00; Société d’histoire et d’archéologie de Lorraine, Charlemagne, les Carolingiens et Metz. Représentation, recomposition et instrumentalisation du passé du Moyen Âge au XXe siècle. Actes de la journée d’études 8 novembre 2014, Nancy (Presses universitaires de Nancy – Éditions universitaires de Lorraine) 2018, 154 p., VIII p. de pl. (Archéologie, Espaces, Patrimoines), ISBN 978-2-8143-0324-9, EUR 18,00. , in: Francia-Recensio 2018/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.3.51757