Seit mehr als drei Dekaden sind die Mongolen als Faktor erkannt, der die Geschichte des lateineuropäischen Mittelalters im 13. Jahrhundert beeinflusste, je mehr man sich in Europa bewusst wurde, wie wichtig es ist, die eigene Geschichte auch bereits zu einer Zeit in die Weltgeschichte einzuordnen, als diese noch nicht europäisch dominiert war. Denn die zumindest zunächst nomadisch lebenden und agierenden Mongolen bildeten wie andere Steppenvölker auch einen weichen und damit kulturverflechtenden Faktor zwischen den sesshaften Reichen und waren dadurch mehr als andere Gruppen in der Lage, weiträumig Einfluss auf zahllose Kulturgebiete zu nehmen und deren Akteure miteinander in Kontakt zu bringen.
Zugleich brachte es diese Eigenart mit sich, dass wir über die Mongolen fast nur aus Berichten der anderen etwas wissen (was maßgeblich zu ihrer langanhaltenden Wahrnehmung eher als Kulturzerstörer denn als Kulturträger durch die Forschung beitrug). Doch kann man auch die Berichte der anderen so lesen, dass die Mongolen als Akteure stärker in den Fokus treten, und Peter Jackson gehört zu den europäischen Historikern der ersten Stunde auf diesem Forschungsfeld. Wir verdanken ihm neben zahlreichen Detailstudien den 2005 vorgelegten Band »The Mongols and the West 1221–1410«, der Bilanz zog in einem immer lebendigeren Gebiet, und eine kommentierte Übersetzung des frühen Mongolenreisenden Wilhelm von Rubruck1.
Sehr viel stärker allerdings als die Lateineuropäer war der im 13. Jahrhundert große Teile der Alten Welt dominierende islamische Herrschafts- und Kulturraum von den mongolischen Einflüssen aller Art betroffen. Die meisten mongolischen Herrscher wurden seit spätestens um 1300 selbst Muslime und zahllose Vorstellungen über Asien insgesamt und die Mongolen im Speziellen, die nach Lateineuropa gelangten, sind durch den Filter muslimischer Vermittler gegangen. Aus all diesen welt- wie europahistorischen Gründen ist der hier zu besprechende Band eminent wichtig, um gerade die europäische Forschung anzuregen und auch zurechtzurücken.
Peter Jackson möchte die Auswirkungen der Kampagnen der zunächst nomadisch-heidnischen Horden auf muslimische Territorien untersuchen, soweit sie unter mongolische Herrschaft gerieten, aber auch darüber hinaus in die »islamic world«. 14 Kapitel (zählt man den nicht nummerierten Epilog mit) werden von Einleitung und Schluss umrahmt. Extrem wichtig ist gleich Kapitel 1, das die (arabisch- und persischsprachigen) Quellen in einer für das Hauptaugenmerk des Bandes hilfreichen Weise chronologisch und typologisch systematisiert, nicht zuletzt nach der Religion des Herrschers, unter dem ein Autor schrieb (um damit auch das Grundsatzproblem bei der Untersuchung nomadischer Akteure besser in den Griff zu bekommen – die fast ausschließlich sesshafte Fremdsicht der Schriftquellen).
Die folgenden Kapitel 3–6 stellen die Ereignisgeschichte grundsätzlich chronologisch, doch stets unter auf das Ziel ausgerichteten systematischen Gesichtspunkten vor, die vor allem den unterschiedlichen Zustand der mongolischen Herrschaft (Expansion, Aufbau des Imperiums, Fragmentierung und innermongolische Kriege) sowie die Folgen für die eroberte Bevölkerung – die in ihrer Entwicklung bis zum Vorabend der mongolischen Invasion Kapitel 2 einnimmt – während der Eroberung. Nach einem Blick auch die wirtschaftlichen Verbindungen in der Hochzeit der mongolischen Reichsbildung (Kap. 8) folgen drei Kapitel, die die unterschiedlichen Herrschaftsbeziehungen in der Zeit religiöser Differenz aus verschiedenen Perspektiven aufgreifen (9: Mediated Sovereignty: The Client Muslim Kingdoms; 10: Unbelieving Monarchs and Their Servants; 11: The Rule of the Infidel).
Die Kapitel 12 und 13 fokussieren dann auf die Wirkung der Eroberung auf die Eroberer, nämlich ihre Islamisierung, stets unter Berücksichtigung sowohl von realen Verhältnissen als auch dem Bild, das die Zeitgenossen wiedergaben. Dabei konzentrierten sich die zeitgenössischen muslimischen Beobachter (wie ihre lateineuropäischen Gegenstücke) vor allem auf die Bekehrung der Herrscher. Kapitel 12 versucht sich demgegenüber an den generellen Mustern der Bekehrung und ist bemüht, so viele soziale Schichten wie möglich zu erfassen, während Kapitel 13 die Khane in den Blick nimmt.
Der Epilog schließlich blickt auf die langfristigen Folgen in den Gebieten, die unter zuletzt muslimischer mongolischer Herrschaft gestanden hatten, und für die Regionen, die dank der mongolischen Reichsbildung mit dem Islam in intensive Berührung gekommen waren. Wichtig ist hier nicht zuletzt die Wirksamkeit der Maß und Form gebenden Erinnerung an die nomadisch-mongolische Herrschaft in späteren Reichsbildungen, vor allem derjenigen Timurs († 1405).
Der Band ist ausgestattet mit sieben Bildtafeln und acht Karten, die auf die Kapitel verteilt sind; ein Glossar, Stammtafeln und ein Register runden ihn ab. Die wissenschaftliche Lektüre leidet unter der Unsitte, dass die Anmerkungen statt auf der gleichen Seite ans Ende verbannt sind, wodurch der Nachvollzug wieder und wieder gestört wird. Das ändert jedoch nichts daran, dass ein großer Wurf gelungen ist, der unser Bild von der mongolischen Herrschaft in einem ihrer drei Kerngebiete (neben der zentralasiatischen Steppe und China) auf der analytischen Ebene zusammenfasst, dabei erweitert und für die Zukunft vergleichbar mit anderen Regionalstudien und nomadischen Reichsbildungen macht.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Felicitas Schmieder, Rezension von/compte rendu de: Peter Jackson, The Mongols and the Islamic World. From Conquest to Conversion, New Haven, London (Yale University Press) 2017, XXII–614 p., 10 b/w ill., 8 maps, 6 tabl., ISBN 978-0-300-12533-7, GBP 30,00., in: Francia-Recensio 2018/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.3.51765