Der zu besprechende erste Band der Neuausgabe des bewährten »Handbuchs der bayerischen Geschichte von Max Spindler«, das in mehreren verbesserten Ausgaben Generationen von Studierenden zum vertieften Studium diente, bringt einen völlig neuen Text. Er wurde weitgehend (S. 124–416) von zwei Autoren geschrieben; dem sind die Teile »Von der Vorzeit bis zum Ende der Keltenzeit« und »Die Römerzeit« vorangestellt; der Abschnitt »Das kulturelle Leben« (S. 417–512), geschrieben von einem vierköpfigen Autorenteam, rundet den Band ab. Formal wurde auf das wissenschaftliche und auch praktische Seitenlayout des Handbuchs von Spindler mit Textteil und Fußnoten auf einer Seite nun verzichtet, und der komplette Anmerkungsapparat kompakt nach hinten gestellt (ab S. 513). Er folgt den einzelnen, fortlaufend nummerierten Paragrafen und der inhaltlichen Gliederung des Buchs.

Den zentralen Text des Handbuchs bilden die Kapitel IV–VI, die jeweils in eine Darstellung der politischen und der inneren Entwicklung unterteilt sind, methodisch sinnvoll also die Aufteilung der Kernbereiche nach dem Handbuch von Spindler fortführen. Allerdings wurde der gesamte Stoff nun thematisch auf die regierenden Dynastien fokussiert und deren »Zeitalter« – »Das Zeitalter der Agilolfinger« (Teil IV von Roman Deutinger), »Das Zeitalter der Karolinger« (Teil V von Roman Deutinger und Jürgen Dendorfer) sowie den dynastischen Wandel »Von den Liutpoldingern zu den Welfen« (Teil VI von beiden); unterteilt sind diese in zahlreiche Paragrafen und alphabetisch gezählte Unterpunkte. Es ist jedem Punkt kurz die wichtigste Literatur zur behandelten Thematik vorangestellt (auch dies wurde methodisch aus dem Handbuch von Spindler übernommen).

Der große zeitliche Rahmen von der Frühgeschichte bis zum Epochenjahr von 1180, der Absetzung Heinrichs des Löwen, ist gut und homogen erfasst. Nach dem Anmerkungsteil (S. 513–617) folgen eine knappe Zeittafel der Herrscher in Bayern von Garibald I. bis Heinrich dem Löwen und zwei Stammtafeln. Eine Bibliografie zu Hilfsmitteln, Quellenwerken und Darstellungen (S. 625–670) sowie ein gemischtes Register (S. 671–724) bilden den Abschluss des Bandes.

Die Darstellung der einzelnen Zeitalter des Entwicklungsprozesses des bayerischen Herzogtums wurde von den Autoren vornehmlich nach neuerer, ausgewählter Literatur geschrieben – diese Auswahl erscheint gelegentlich auch sehr subjektiv – wobei ein Bild der Ereignisgeschichte und weniger der Blick auf den Forschungsstand geboten wird. Probleme der Forschung werden nicht gestreift, sodass das Handbuch – wie ein Handbuch es ja vielleicht auch sein sollte – ein (eher zu) glattes Bild des geschichtlichen Hergangs vermittelt, in welchem die politischen Verflechtungen vereinfacht werden. Andererseits geben Wendungen wie »so darf man …«, »So ist es erklärlich …«, »Mag sein, dass …«, »So war er politisch schließlich völlig isoliert …« oder »Danach verstummen die Quellen« (S. 166f.) den Textpassagen den Charakter von Belanglosigkeit.

Auf Vernetzung von Entwicklungslinien wurde offenbar zugunsten der Ereignisgeschichte weniger Wert gelegt; wenn etwa bei § 22 b in Teil VI (S. 268) sich folgender Satz findet: »In den drei oder vier Jahren seit dem Tod Konrads I. hat sich das bayerische Herzogtum etabliert, überraschend schnell, wenn man bedenkt, dass es dann über viele Jahrhunderte Bestand hatte«, und dann eine »neuartige Form der Fürstenherrschaft« intendiert wird, weil sich in spätkarolingischer Zeit Veränderungen der Machtkonzentrationen herausgebildet hatten. Auf die Fortwirkung der Teilungen des Ostfrankenreiches in drei Königreiche im 10. Jahrhundert – davon eins, nämlich Bayern, mit langer Tradition des Königtums seit Ludwig dem Frommen, haben etwa Wilhelm Störmer und die Rezensentin mehrfach hingewiesen.

Andererseits sind im neuen Handbuch der bayerischen Geschichte die historischen Fakten sicher und in verständlicher Sprache zusammengestellt und vermitteln in kurzen Kapiteln eine erste Orientierung. Das Buch ist stark auf die Verfassungsgeschichte und die Geschichte der Oberschichten fokussiert. Bei den Kapiteln zur inneren Struktur fehlen die Unterschichten komplett. Im Zuge der Ministerialität wäre doch auch von den Zensualen zu sprechen gewesen und bei den Bistümern hätten deren Fernbesitz und überhaupt ihre Bedeutung bei der Kultivierung des Landes herausgearbeitet werden können. Es wird nur auf das Standardwerk von Philippe Dollinger1 und auf die deutsche Übersetzung von Franz Irsigler2 aus dem Jahr 1982 verwiesen.

Die Einstiegsliteratur zu § 20 »Politik und Herrschaft« (S. 213) führt für Konflikte der Oberschichte die Arbeit von Karl Brunner von 1979 an, nicht aber das weitergehende Buch der Rezensentin3. Im Teil VII »Kulturelles Leben« (S. 417ff.) wäre bei S. 425 zu den Freisinger Codices künftig das Werk von Katharina Bierbrauer4 zu ergänzen.

Der bibliografische Teil sollte tunlichst überarbeitet werden. Es fehlt etwa auf S. 661 bei der Auflistung einiger kirchenhistorischer Zeitschriften die für München und Freising unbedingt heranzuziehende traditionsreiche Zeitschrift »Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte«, ferner sind beim Punkt E »Elektronische Hilfsmittel« (S. 669f.) die Projektseiten der Bayerischen Landesbibliothek online (Bayerische Staatsbibliothek) oder das digitale Urkundenportal www.monasterium.net gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Die Digitalisate von Urkundenbeständen und Handschriften führen aber Historikerinnen und Historiker zu den Primärquellen, in denen sie tiefgründig zu den die genannten (auch nicht vollständig erfassten) edierten Quellen forschen können.

1 Philippe Dollinger, L’évolution des classes rurales en Bavière, depuis la fin de l’époque carolingienne jusqu’au milieu du XIIIe siècle, Paris 1949.
2 Ders., Der bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, hg. von Franz Irsigler, München 1982.
3 Adelheid Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, Aalen 1987.
4 Katharina Bierbrauer, Die vorkarolingischen und karolingischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, Text- und Tafelband, Wiesbaden 1990.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Adelheid Krah, Rezension von/compte rendu de: Das alte Bayern. Von der Vorgeschichte bis zum Hochmittelalter, begründet von Max Spindler, neu herausgegeben von Alois Schmid, München (C. H. Beck) 2017, XXII–726 S. (Handbuch der bayerischen Geschichte, 1), ISBN 978-3-406-68325-1, EUR 49,95., in: Francia-Recensio 2018/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.3.51777