Schon 1947 erklärte kein Geringerer als der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay, er könne sich »kein größeres undemokratisches Verhalten vorstellen, als die Kommunistische Partei an sich abzuschaffen«. Und vier Jahre später stellte auch sein »Nachfolger«, der Hohe Kommissar John J. McCloy, fest: »Generell stellt die KPD eine zu vernachlässigende Sicherheitsbedrohung dar« (S. 115 f.). Warum die Kommunistische Partei Deutschlands, zusammen mit der rechtsextremen Sozialistischen Reichspartei (SRP) dennoch verboten wurde, kann man in diesem auf scharfe Urteile keineswegs verzichtenden Buch nachlesen.
Josef Foschepoth, der bis vor einigen Jahren an der Universität Freiburg Zeitgeschichte lehrte, ist mittlerweile ja eine Art Spezialist für die Schattenseiten der bundesrepublikanischen »Erfolgsgeschichte«. 2012 erschien sein Buch über das »überwachte Deutschland«, das die Überwachung des Post- und Telefonverkehrs in der Bundesrepublik zum Thema hatte.1 Sein neues Buch greift die Problematik von einer anderen Seite her erneut auf. Diesmal lauten Foschepoths zentrale Fragen: »War der KPD-Prozess verfassungswidrig?«, »Wie war es in der jungen Bundesrepublik um die Achtung und Einhaltung der grundlegenden Prinzipien und Normen der Rechtsstaatlichkeit bestellt«, kurzum: »Wie rechtsstaatlich war die Bundesrepublik in der Zeit des Kalten Bürgerkriegs in Deutschland?« (S. 9). Für verfassungsrechtlich »unanfechtbar« (S. 13) wie etwa Heinrich August Winkler hält Foschepoth das Verbotsurteil vom 17. August 1956 jedenfalls nicht – und er kann gute Gründe dafür anführen.
Gestützt vor allem auf unveröffentlichte Akten aus dem Bundesarchiv Koblenz – darunter Bestände der Bundesministerien des Innern und der Justiz, des Bundeskanzleramtes und des Bundesverfassungsgerichtes –, aus verschiedenen Hauptstaatsarchiven, aus den Parteiarchiven von CDU, SPD und FDP sowie auf die Bestände der SED und der KPD im Bundesarchiv Berlin fasst der Autor zunächst die Entwicklung der KPD von der revolutionären Milieupartei der Weimarer Republik zur von der SED »bis in Kleinste gesteuerten kommunistischen Kaderpartei« (S. 13) zusammen.
Danach widmet er der Wiedereinführung der politischen Strafjustiz ein eigenes Kapitel. Mit dem (Ersten) Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951 sei, so Foschepoth, der Bundesrepublik »der Kampf gegen den Kommunismus gleichsam als unerfüllter nationaler Auftrag in die Wiege gelegt« worden (S. 85). Die Verbotsdebatte, die nicht zuletzt eine Antwort auf die Frage finden musste, warum eine Partei, von der nach Ansicht der Besatzungsmächte, vieler Innenminister und auch der Verfassungsschutzämter der Bundesländer »keine Bedrohung« für Staat und Gesellschaft ausgehe (S. 132), unbedingt verboten werden sollte, ist Gegenstand des vierten Kapitels. Anschließend behandelt der Autor das organisatorische Gerangel um Zuständigkeiten beim Bundesverfassungsgericht und die »braune« Vergangenheit des ersten Präsidenten des Gerichts, Hermann Höpker Aschoff.
Die für die These des Buches zentralen Fragen nach der Verletzung verfassungs- und verfahrensrechtlicher Bestimmungen sind Thema der Kapitel sieben und acht. Foschepoth kann überzeugend nachweisen, dass die Bundesregierung Druck auf die Karlsruher Richter ausübte und wiederholt in das Verfahren gegen die KPD eingriff. Die letzten Teile des Buches befassen sich mit der unterschiedlichen Behandlung, die NS-Täter und Kommunisten in der »amnestiefreudigen« (S. 279) Bundesrepublik erfuhren, und dem Streit über die Aufrechterhaltung des KPD-Verbots, der schließlich mit der Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) als »legaler Fortsetzung der illegalen KPD« (S. 350) endete.
Zum Schluss bettet der Autor seine Untersuchungsergebnisse in das Theorem vom Kalten Bürgerkrieg ein, der in Deutschland ein »gesellschaftlich tief gründender, staatlich gesteuerter Konflikt« gewesen sei – im Westen vom Antikommunismus befeuert, im Osten vom Antiimperialismus (S. 356). In diesem »antikommunistisch und antiimperialistisch aufgeladenen und radikalisierten Kampf« sei es letztlich »um die Macht in einem vereinten Deutschland« gegangen (S. 365). Die KPD war in diesem Konflikt für beide Seiten ein »willkommenes« Instrument (S. 364). Abgerundet wird der Band durch einen 100-seitigen Anhang mit Dokumenten zum KPD-Prozess, welcher die Gelegenheit bietet, die Beweiskraft der Argumentation des Autors selbst zu überprüfen.
Josef Foschepoth liefert eine spannende Geschichte der politischen »Feinsteuerung« (Hans-Peter Schwarz) eines Prozesses, der entscheidend dazu beitrug, dem Antikommunismus als der »neuen sinnstiftenden Staatsdoktrin zum Durchbruch zu verhelfen« (S. 137). Von einer »antitotalitären Äquidistanz« (S. 15), wie manche Interpreten glauben machen wollen, konnte in den Anfangsjahren der Bundesrepublik jedenfalls keine Rede sein.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Werner Bührer, Rezension von/compte rendu de: Josef Foschepoth, Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2017, 492 S., 38 Abb., 14 Graf., 1 Tab., ISBN 978-3-525-30181-4, EUR 40,00., in: Francia-Recensio 2018/3, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.3.51852