Mit »Comment sont-ils devenus Résistants?« liegt nunmehr die französische Übersetzung des 2015 im englischen Original unter dem Titel »Fighters in the Shadows« erschienen Buchs von Robert Gildea vor1. Nach seinem Standardwerk »Marianne in Chains« (2002)2, in dem er die Konfrontation zwischen Deutschen und Franzosen im besetzten Frankreich analysiert, legt er mit dieser Monografie eine Untersuchung speziell zur Geschichte der Résistance und ihrer Akteure und Akteurinnen vor. Er stützt sich dabei auf die sehr umfangreichen Sammlungen schriftlicher und mündlicher Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in mehr als 20 Archiven und Bibliotheken in Frankreich und Großbritannien. Ergänzt werden diese Bestände durch persönliche Interviews des Autors, von denen die letzten im Jahre 2012 entstanden sind.

Gildea stellt die Ereignisse chronologisch dar und nimmt anders als viele andere Darstellungen zur Thematik der Résistance keine Abgrenzung nach Widerstandsbewegung, politischem Lager, Religionsgemeinschaft, Beruf oder Geschlecht vor. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Motivation der Akteure und Akteurinnen sowie deren Handlungsspielräume und Ziele. Auf diese Weise zeichnet der Autor ein ebenso differenziertes wie vielschichtiges Bild der französischen Widerstandsbewegung, die kein monolithischer Block war, in dessen Innerem die Beteiligten ausschließlich altruistisch für das hehre Ziel der Befreiung der Nation kämpften.

Dabei beschränkt er sich nicht auf die führenden Persönlichkeiten der Résistance wie Philippe Viannay, Henri Frenay, Daniel Cordier, Lucie und Raymond Aubrac, Henri Rol-Tanguy oder Danielle Casanova, sondern lässt auch weniger bekannte Zeitzeugen und Zeitzeuginnen zu Wort kommen wie den Bergarbeiter Charles Debarge, der sich infolge der brutalen Niederschlagung einer Bergarbeiterdemonstration durch die deutschen Besatzer im nordfranzösischen Kohlebecken der Résistance anschloss.

Breiten Raum widmet Gildea auch all jenen Frauen und Männern, die sich mit ihrem humanitären Einsatz bei der Rettung verfolgter Menschen ausgezeichnet haben und deren Engagement lange im Schatten des heroisierten bewaffneten Widerstandes stand. Zu ihnen gehören Madeleine Barot und Andrée Salomon ebenso wie Pastor Marc Boegner oder der Abbé Glasberg, die Juden halfen, sich in Frankreich zu verstecken und ihnen, wenn möglich, zur Flucht außer Landes verhalfen. Waren es zunächst nur Einzelaktionen oder spontane Proteste wie etwa eine Demonstration von Pariser Studenten auf den Champs-Élysées aus Anlass des französischen Sieges über Deutschland am 11. November 1918, entwickelte sich parallel dazu eine erste strukturierte Widerstandsgruppe namens Musée de l’Homme, zu deren Aktivitäten die Fluchthilfe, die Beschaffung nachrichtendienstlicher Informationen und die Herausgabe einer Untergrundzeitung gehörten. Zu ihrer Führungsriege zählten neben Boris Vildé und Anatole Lewitzky mit Yvonne Oddon, Germaine Tillion und Agnès Humbert auch drei Frauen.

In der Folgezeit entstanden in ganz Frankreich weitere Widerstandsgruppen und -bewegungen, die sich vielfach auf bestimmte Aufgabenbereiche spezialisierten wie die Herausgabe der überregionalen Untergrundzeitung »Défense de la France« durch Philippe Viannay oder die Fluchthilfe für jüdische Kinder durch das Hilfswerk »Œuvre de secours aux enfants« (OSE). Die Kommunistische Partei Frankreichs als in sich stärkste geschlossene politische Kraft ging erst nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 zum koordinierten Widerstand über.

Alle Personen, die sich ungeachtet der Aktivität oder politischen Ausrichtung im Widerstand engagierten, teilten die gleichen Risiken. Um die Positionen und Handlungsweisen der Widerstandskämpfer und -kämpferinnen besser nachvollziehen zu können, widmet Gildea deren Leben im Untergrund ein eigenes Kapitel. Er benennt dabei die zahlreichen Gefahren und psychischen Belastungen, die das Leben im Untergrund mit einer falschen Identität mit sich brachten wie die Unterwanderung durch Spitzel und damit verbunden die ständige Angst vor Verhaftung und Folter. So wurde auf Pierre de Vomécourt, der vom britischen Geheimdienst zur Unterstützung der Résistance nach Frankreich entsandt worden war, mit Mathilde Carré eine Doppelagentin der deutschen Abwehr angesetzt, was schließlich zu seiner Verhaftung führte.

Obwohl die Männer und Frauen der Résistance bei ihrer Arbeit im Untergrund denselben Gefahren ausgesetzt waren, strebten die verschiedenen Widerstandsbewegungen politisch weit auseinander, was nach der Landung der Alliierten in der Normandie zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Freien Frankreich de Gaulles und der Résistance intérieure führte. So wurden zahlreiche Gruppen des Maquis infolge mangelhafter militärischer Führung und Ausbildung Opfer deutscher Vergeltungsmaßnahmen, weil die erwartete Hilfe durch Truppen des Freien Frankreichs oder der Alliierten vielfach ausblieb. Die Beispiele reichen dabei vom Massaker im Vercors bis zur Vernichtung einer Gruppe des Maquis in den Ardennen, an deren Spitze der Bankangestellte Robert Charon stand.

In der Militärregion Toulouse stritten der Chef der Forces françaises de l’intérieur (FFI), Serge Ravannel, und André Pommiès, Oberst der französischen Waffenstillstandsarmée, um die Kommandogewalt. Noch schwieriger war die Lage in Paris, wo der Machtkampf zwischen dem Freien Frankreich de Gaulles und Henri Rol-Tanguy, dem kommunistischen Chef der FFI vor Ort offen ausbrach. Zwar hatten beide die Absicht, die französische Hauptstadt ohne Hilfe der Alliierten zu befreien, jedoch völlig gegensätzliche Vorstellungen vom Weg dorthin. Während de Gaulle auf eine geordnete militärische Befreiung durch reguläre französische Truppen hinarbeitete, strebte Rol-Tanguy nach einem Volksaufstand gemäß dem Vorbild von 1789 oder der Pariser Kommune. Dieses Tauziehen bis zur Kapitulation der Deutschen im August 1944, in das sich auch Briten und Amerikaner mehrmals einmischten, schildert Gildea anschaulich im Kapitel »Libération«.

Die Einleitung und das Schlusswort geben dem Lesepublikum gekonnt einen Einblick sowohl in die letzten 70 Jahre der offiziellen Historiografie der Résistance als auch in die Entwicklung der Forschungslandschaft. Aus beidem wird deutlich, in welch hohem Maß die Deutungshoheit über den französischen Widerstand der politischen Konjunktur Frankreichs unterliegt und wie sich dessen Mitglieder angesichts einschneidender Ereignisse wie dem Algerienkrieg, dem Mai 68, dem Tod Charles de Gaulles 1970 oder dem Prozess gegen Klaus Barbie 1986 beteiligten und stritten.

Wer sich in die komplexe und nicht selten widersprüchliche Welt der Akteure und Akteurinnen der Résistance über politische und soziokulturelle Grenzen hinweg einlesen will, hält mit diesem Buch die richtige Lektüre in Händen. Allerdings muss man bereit sein, sich auf die vielen Namen, Bezeichnungen der Widerstandsgruppen und lokalgeschichtlichen Besonderheiten einzulassen, was durch den flüssigen Stil und die geschickte Einbettung in den historischen Kontext erleichtert wird. Sollte man beim Lesen doch einmal den roten Faden verlieren, helfen der Apparat, die Bibliografie und das Personenregister ihn schnell wiederzufinden.

1 Robert Gildea, Fighters in the Shadows: A New History of the French Resistance, Cambridge, MA 2015.
2 Robert Gildea, Marianne in Chains: In Search of the German Occupation, 1940–1945, London 2002, rezensiert von: Johannes Schmid, Neue Forschungen zu den » Années noires«, in: Francia 36 (2009), S. 319-340, hier S. 333 f.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Corinna von List, Rezension von/compte rendu de: Robert Gildea, Comment sont-ils devenus Résistants? Une nouvelle histoire de la Résistance (1940–1945). Traduit de l’anglais (Royaume-Uni) par Marie-Anne de Béru, Paris (Les Arènes) 2017, 550 p., 2 cartes , ISBN 978-2-35204-598-4, EUR 27,00., in: Francia-Recensio 2018/3, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.3.51855