Der deutsch-französische Sammelband geht aus einer Forschungsinitiative hervor, die in den vergangenen Jahren zu verschiedenen Anlässen Konferenzen in unterschiedlichen Formaten organisiert hat (vgl. S. 5). Geneviève Bührer-Thierry und Steffen Patzold legen in ihrer Einleitung (S. 7–21) den methodischen sowie wissenschaftsgeschichtlichen Rahmen des Projektes dar, das mit der französischen und deutschen Mediävistik schließlich nicht nur kooperative Ansätze einschließen musste.

Der Band selbst ist in zwei Teile gegliedert (»Épistémologie du territoire« und »Construction des espaces politiques: regards croisés«), eine »conclusion« von Jens Schneider (S. 287–296) schließt das Buch ab, es folgen englischsprachige Zusammenfassungen aller Beiträge (S. 297–303) sowie ein Personen- und Ortsregister. Die reichlichen Karten, Diagramme und Tabellen werden eigens in einem Register erfasst und zeichnen darüber hinaus diesen Band aus, denn das Beschriebene und Analysierte wird stets visualisiert und somit nachvollziehbar.

Dem breit angelegten Spektrum der Projekte ist es geschuldet, dass die einzelnen Beiträge zwar einer gemeinsamen Fragestellung verpflichtet sind, diese aber an speziellen Beispielen erörtern. Die Entstehung politischer Räume im Frankenreich und seinen Nachfolgern kann kaum auf knapp 300 Seiten dargestellt werden, so liegt das Verdienst des Bandes unbestritten darin, dass französische und deutsche Forschungen beispielhaft zusammengestellt und unter einen methodischen »Schirm« gestellt wurden. Auch dass nicht alle denkbaren Fragestellung einbezogen werden konnten, liegt in der Natur derartiger Netzwerke.

Der fruchtbare interdisziplinäre Ansatz spiegelt sich in der Auswahl der Studien, Sebastian Brather kommt mit seiner schon öfters vorgetragenen Skepsis gegenüber »Räumen in der Mittelalterarchäologie« (S. 35–63) ebenso zu Wort wie Florian Mazels Fragen nach dem Zusammenhang von nomen und res am Beispiel »französischer« Territorialherrschaft (S. 65–88) oder die Betrachtung von »Territorium und Territorialisierung [als] Konzept der deutschen Forschung und seine Problematik« durch Christian Heinemeyer (S. 89–117). Diese eher abstrakten Beiträge finden sich im ersten Abschnitt, der von der Studie des Geografen Jérôme Monnet zur raumprägenden Funktion des Begriffes »Bann« bis in die Gegenwart eröffnet wird (S. 25–33).

Umfangreicher ist mit neun Beiträgen der zweite Teil angelegt, der sich der kirchlichen und weltlichen Herrschaftsausübung zuwendet. Die Studien von Katharina Winckler zu »konkurrierenden Bischöfen in den Ostalpen« (S. 121–147), Anne Lunven zum diözesanen Raum in der Karolingerzeit (S. 171–191), Claire Garault zu einer Heiligenvita aus Saint-Malo als Quelle zu bischöflicher Territorialpolitik (S. 193–199) sowie Claire Lamy zu den räumlichen Ordnungen des Archivs der Abtei Marmoutier (S. 269–283) werden ergänzt durch solche von Michel Margue zur gräflichen Inschriftschriftenpraxis in Lothringen (S. 149–169), von Didier Panfili zur differierenden Raumbezeichnung – comitatus beziehungsweise pagus – in Südwestfrankreich (S. 201–216), Miriam Czock zu Burgen als raumsichernde Orte im frühmittelalterlichen Schwaben (S. 217–228), Pierre Bauduin zur Normandie im 9. und 10. Jahrhundert (S. 229–245), dem Thomas Kohl einen ergänzenden Beitrag (S. 247–268) zur Seite stellt, dessen Blick auf Maine, Anjou und die Normandie gerichtet ist.

In seiner zwischen Methodenreflektion und Zusammenfassung der Beiträge geschickt changierenden Conclusio zeigt Jens Schneider die Möglichkeiten, die sich aus diachroner und raumübergreifender Betrachtung ergeben, ohne aus dem Auge zu verlieren, dass auch diesen Verfahren Grenzen gesetzt sind. Insgesamt gesehen, bedeutet der hier besprochene Sammelband eine willkommene Ergänzung und er zeigt einmal mehr, wo die Stärken der französisch-deutschen Zusammenarbeit in der Mediävistik liegen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Caspar Ehlers, Rezension von/compte rendu de: Geneviève Bührer-Thierry, Steffen Patzold, Jens Schneider (dir.), Genèse des espaces politiques (IXe–XIIe siècle). Autour de la question spatiale dans les royaumes francs et postcarolingiens, Turnhout (Brepols) 2017, 324 p., 23 b/w ill. (Haut Moyen Âge, 28), ISBN 978-2-503-57473-8, EUR 80,00., in: Francia-Recensio 2018/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.4.57364