Das Projekt der hier anzuzeigenden Studie hat der Verfasser dem Rezensenten erstmals in einem sehr frühen Stadium vorgestellt; hierauf bezieht sich die Erwähnung im Vorwort. Die Veröffentlichung dieser Bayreuther Dissertation aus dem Jahr 2016 in einer recht angesehenen Reihe lässt sowohl vom Thema her als auch von der Person des Betreuers, Prof. Bernd Kannowski, eine gute Arbeit erwarten. In der in drei Teile gegliederten Untersuchung beginnt der erste (»Grundlagen«) mit einem Überblick über den derzeitigen Forschungsstand des Verhältnisses von Schwabenspiegel und Augsburger Stadtrecht. Danach stellt der Verfasser die Grenzen und Anforderungen einer Rezeption dar, die für ihn die Voraussetzungen einer textlichen Abhängigkeit bestimmen.

In den folgenden Überblicken stellt er die Entwicklung des Schwabenspiegels und die Augsburger Stadtrechtsquellen von 1156 und 1276 dar. Für seine Studie geht er von der Ansicht aus, der Schwabenspiegel sei in Augsburg und im Zusammenhang mit dem Stadtrecht von 1276 entstanden. Damit folgt er der Meinung, die mindestens seit Richard Schröder in seinem »Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte« (51907) vertreten wird. Ohne hinlängliche Beachtung der Meinungsentwicklung unter Rechtshistorikern sucht sich der Verfasser mit Arbeitsergebnissen des Forschers zu Schwabenspiegel und Deutschenspiegel Karl August Eckhardt auseinanderzusetzen. Seine Feststellung: »der letzte und einzige größere Beitrag zum Verhältnis der beiden Rechtsquellen datiert auf das Jahr 1927« ist leider nur ein Beleg dafür, dass der Verfasser trotz Heranziehung umfangreicher Literatur maßgebliche Arbeiten nicht zur Kenntnis genommen hat.

Karl August Eckhardt hat 1975 in »Studia iuris Suevici I« seine Arbeiten von 1927 und 1930 ebenso wie Julius Fickers Studie von 1857 gründlich überarbeitet und ergänzt. Ähnlich übersehen wurden Alfred Hübners grundlegende »Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige«, die 1930 als Abhandlung der Göttinger Akademie erschienen. Eine Beachtung dieser Arbeiten hätte wesentliche Erkenntnisse zu den Grundlagen modifiziert.

Den zweiten Teil widmet der Verfasser, ausgehend vom Stadtrecht, den drei Stadtrechtsteilen, dem ländlichen Rechtsraum, den Stadtrechtsnachträgen, dem Codex Krafft und dem Lehenrecht. Diese materialreichen Detailuntersuchungen sind von Gewinn für eine kritische Neuedition des Stadtbuchs von Augsburg. Im ersten Stadtrechtsteil findet der Verfasser sechs Vergleichsstellen, die mit dem Schwabenspiegel, nicht jedoch mit Deutschenspiegel oder Sachsenspiegel übereinstimmen. Hierzu zählt er besonders die Regelungen zum Judenrecht. Bezeichnend für die Sorgfalt des Verfassers ist es, dass er diese Ähnlichkeiten nicht einer Übernahme aus dem Schwabenspiegel zuweist, sondern ihre Nutzung der damaligen Aktualität der behandelten Fragen zuschreibt. Die Überschrift des ersten Stadtrechtsteils als »Landrechtsbuch« bedeutet für ihn jedoch eine Beziehung beider Rechtsquellen. Die Vergleichsstellen im zweiten Stadtrechtsteil enthalten sachliche Übereinstimmungen, die allerdings nicht als inhaltliche Übereinstimmungen zu werten sind. Ähnlichkeiten im dritten Stadtrechtsteil sind meist auch im Deutschenspiegel nachweisbar, lediglich die Fünf-Schilling-Buße des Burggrafen lässt der Verfasser als Beleg einer Übernahme gelten. Für ihn bleibt als Fazit die Benutzung des Schwabenspiegels bei der Konzipierung des Stadtbuchs, sodass sich die Schöpfer des Stadtbuchs am Schwabenspiegel orientierten. In einem abschließenden Kapitel (»Ergebnisse«) stellt er seine Beobachtungen zusammen.

Im Codex Krafft, einer Handschrift des 14. Jahrhunderts, findet er eine echte Rezeption des Augsburger Stadtrechts in Auszügen einer Schwabenspiegelhandschrift. Angesichts der geringen Anzahl und der zufällig ausgewählten Handschriften ist die Beobachtung zwar interessant, jedoch als Zufallsfund zu werten. Überaus vorsichtig formuliert der Verfasser zum Entstehungsort des Schwabenspiegels. War bislang Augsburg als Entstehungsort für Deutschenspiegel und Schwabenspiegel angenommen worden, so deutet der Verfasser an, die These von Christa Bertelsmeier-Kierst zu einer Entstehung des Schwabenspiegels in Regensburg könnte beachtenswert sein. Dieser These fehlt allerdings noch eine überzeugende Begründung, denn bei ihrer Erstdarstellung (2008) wurde für die Einzelheiten auf eine Veröffentlichung verwiesen, die bis heute nicht erschienen ist.

Eine weitere Darstellung in »Schreiborte des deutschen Mittelalters«1 bringt leider auch keine überzeugende Begründung, sondern sie steht neben einer Veröffentlichung, die weiterhin für Augsburg als Entstehungsort des Deutschenspiegels und Schwabenspiegels argumentiert. Die Beobachtung, dass die Fassung der Schwabenspiegel-Langform E wohl um 1270 in Regensburg entstand, bedeutet bei der Vielzahl von Schwabenspiegelfassungen noch nicht zwingend, Regensburg müsse nunmehr als Entstehungsort des Schwabenspiegels angesehen werden. Hierfür fehlen noch Untersuchungen zur Sprachgeschichte der Frühformen des Textes, zur Untersuchung der überlieferten Handschriften und vielen weiteren Gesichtspunkten. Bei seiner Darstellung der Suche nach der Verfasserschaft kommt Wüsthof nicht weiter als Alfred Hübner, der 1932 feststellte, in den Rechtsbüchern läge eine »progressive Collectivarbeit« vor.

Die Bezeichnungen »Schwabenspiegler« und »Sachsenspiegler« sind keine Erfindungen des frühen 20. Jahrhunderts, sondern sie sind mindestens seit J. F. Joachims »Geschichte«, Bd. 1 (1762), S. 258, J. B. C. Eichmanns »Erklärungen«, 3. Teile, 1. Buch, 6. Titel (1784), S. 266 und K. F. Diecks Artikel »Erbrecht (Teutsches)«, in: Ersch, Gruber, »Allgemeine Encyklopädie«, 1. Section, 40. Theil (1844), S. 412–426 zur Umschreibung der (unbekannten) Verfasser üblich und eingeführt.

Die Verdienste Wüsthofs werden leider dadurch beeinträchtigt, dass er zu viele Themen anreißt, für die er die vorliegende Literatur nicht sorgfältig bearbeitet hat. Wenn er (S. 284, Anm. 1303) Stengels »Urkundenlehre« von 1905 und die Kenntnis zu den elf Handschriften verbessernd auf den »gegenwärtigen Wissensstand« bringen will, so hätte er in Eckhardts »Studia iuris Teutonici« (1971), die er in seinem Literaturverzeichnis genannt hat, den Hinweis finden müssen (S. 31–38), dass schon damals 15 oder 16 Handschriften zu dieser Gruppe gerechnet wurden. Durchgehend spricht der Verfasser von der sonst nicht bekannten »Summa de Paenitentia« (S. 29, weitere Nachweise S. 366). Störend in der Arbeit sind die Unsicherheiten bei Ortsnamen (z. B. »LieÌge«, »Ptjui«) und französischsprachigen Titeln (z. B. »Gilissen«/»Roggen«).

Der Verfasser bleibt eine Erklärung schuldig, warum er die alten Textausgaben von Auer (»Stadtrecht München«, 1840), Maurer (»Freisinger Rechtsbuch«, 1839) und Bischoff (»Stadtrecht Pettau«, 1886) für Textverweise benutzt, statt an ihrer Stelle die neueren Editionen von Pius Dirr (1934), Hans-Curt Claussen (1941) und Marija Hernja Masten (1998) heranzuziehen. Wohl allein weil sie in Bayreuth verfügbar war, zitiert der Verfasser mehrfach aus der Edition von Planitz und Benna, deren Satz 1957 nach einer wohlbegründeten Entscheidung der Monumenta Germaniae Historica im Einvernehmen mit der Savigny-Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften »kassiert« wurde. Die Mängel dieser Arbeit waren so groß, dass beide Einrichtungen einen Druck nicht für verantwortbar hielten; sie durch Benutzung zu adeln zu suchen, ist unverständlich. Es spricht sicher nicht gegen die Editionsfähigkeiten von K. A. Eckhardt, dass er bereits 1929 (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germ. Abt. 49, S. 546) darauf hinwies, der Versuch einer Edition zur Kurzform des Schwabenspiegels durch Voltelini, dem Planitz folgte, sei aus systematischen Gründen zum Scheitern verurteilt. Zum Schließen der Lücke in ihrem Editionsprogramm übernahmen die MGH 1960 Eckhardts umfangreichere Edition der Kurzform.

Wüsthofs Hinweise auf Augsburger Frühdrucke (S. 326) zeigen Fehler: das Rechtsbuch Kaiser Ludwigs des Bayern wurde 1484 und 1495 gedruckt (Gesamtkatalog der Wiegendrucke [= GW] M 16924 und M 16921). Günther Zainer druckte das Landrechtsbuch um 1473 (GW M 40944) und ca. 1475/76 (GW M 40940), sein Augsburger Mitbewerber Anton Sorg druckte den Text 1480 (GW M 40942). Für die Argumentation der vorliegenden Arbeit ist ein Zusammenhang nicht erkennbar, Buchdrucker in Ulm (Johann Zainer, um 1482, GW M 40947) und Straßburg (Martin Schott, 1484–1493, GW M 40945) haben in dieser Zeit weitere Drucke des Landrechtsbuchs herausgegeben.

Als Anhang 1 zeigt das Vergleichsstellenglossar (S. 337–342) in begrüßenswerter Weise zu ausgewählten Stichworten die Fundstellen in Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel und Augsburger Stadtbuch. Im Anhang 2 (»Handschriftenüberlieferung Stadtrecht und Schwabenspiegel«) sind Handschriften genannt, die bei einer weiterführenden Arbeit mit diesen Texten wohl vorrangig zu berücksichtigen sind. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Handschriften aus dem Münchener Hauptstaatsarchiv (Nr. 1113 und 1116) zwischenzeitlich im Staatsarchiv Augsburg liegen, während eine Handschrift (Nr. 1114) als Dauerleihgabe des Freistaats im Stadtarchiv Augsburg aufbewahrt wird. Ein Namens- und ein Stellenregister beschließen die Arbeit, die trotz ihrer Schwächen beachtliche Erkenntnisse liefert.

1 Martin Schubert, Schreiborte des deutschen Mittelalter. Skriptorien – Werke – Mäzene, Berlin, Boston, MA 2013.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ulrich-Dieter Oppitz, Rezension von/compte rendu de: Lucas Wüsthof, Schwabenspiegel und Augsburger Stadtrecht, Wiesbaden (Harrassowitz Verlag) 2017, LXIV–367 S., 5 Abb. (Monumenta Germaniae Historica. Schriften, 73), ISBN 978-3-447-10840-9, EUR 74,00., in: Francia-Recensio 2018/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.4.57450