Überzeugende Länderstudien unter Berücksichtigung der Klimageschichte der Frühen Neuzeit sind rar. Dagomar Degroot, Assistant Professor of Environmental History an der Georgetown University (Washington D. C., USA) betritt mit seiner Doktorarbeit (eingereicht 2014 an der York University, Canada) gleich in dreifacher Hinsicht Neuland: Erstens liefert er auf breiter klima- und landesgeschichtlicher Basis eine neue Interpretation des »Goldenen Zeitalters« der Niederlande in der »Kleinen Eiszeit«; zweitens lotet er mit aller wünschenswerten Gründlichkeit aus, welche Bereiche der Gesellschaft in welcher Weise davon betroffen waren – und bei der globalen Expansion des niederländischen Handels im 17. Jahrhundert betrifft dies nicht das Territorium der Generalstaaten allein; und drittens löst er quasi nebenbei die alte Frage, warum Holland prosperierte, während der Rest Europas – und auch andere Teile der Welt – in Hunger, Seuchen, Bürgerkrieg und Elend versanken. Während der Debatte um die »Krise des 17. Jahrhunderts« war das Goldene Zeitalter von gewichtigen Autoren noch als Argument gegen die Existenz dieser Krise angeführt worden1. Degroot erkennt sie dagegen als zwei Kehrseiten derselben Medaille.

Die Quellensituation für diese Studie ist beneidenswert. Aus den Archiven der Natur gibt es eine ganze Reihe klassischer und neuerer Studien, die Auskunft geben über die generellen und regionalen Veränderungen der Temperatur und der Niederschläge sowie deren Ursachen auf den Ebenen der Astronomie (z. B. Zyklen der Sonnenaktivität), der Geologie (z. B. Vulkanausbrüche) oder der Meteorologie (z. B. El-Nino-Ereignisse, Wechsellagen der Nordatlantischen Oszillation etc.). Aus den Archiven der Gesellschaft kommt das Feintuning: Mithilfe von Tagebüchern und – ein neuer Hit – von Schiffslogbüchern, in denen täglich die jeweilige geografische Position und die Wetterverhältnisse festgehalten wurden, kann man die Klima- und Wetterereignisse nicht nur auf den Tag, sondern oft auf die Stunde genau bestimmen.

Dieses Wissen um den klimatischen Hintergrund kombiniert der Autor mit den bekannten Fakten und Entwicklungen der niederländischen Geschichte: den Veränderungen der Anbaumethoden, der Ausdehnung der Handelsnetze nach Ostasien und Südamerika, den Erfindungen im Schiffsbau, in der Landwirtschaft und in der Industrie sowie schließlich den Manifestationen von Braudels dritter Ebene, der Ereignisgeschichte. Wir erfahren, dass die Niederlande genauso von verheerenden Stürmen, Frostereignissen, Überschwemmungen, Missernten und Teuerung betroffen waren wie alle anderen europäischen Gesellschaften. Man ging nur anders damit um. Die Kaufleute profitierten nicht nur vom Getreidemangel der anderen Länder, sondern investierten bewusst in die Entwicklung ihrer Geschäfte.

Selbst aus der Unzufriedenheit der Bevölkerung ließ sich noch politischer Gewinn herausholen, indem man sie gegen die spanische Besatzungsmacht lenkte und für den Freiheitskampf nutzte. Die Verluste an Menschen und Schiffen stiegen in den Extremjahren der Kleinen Eiszeit erheblich an. Unter dem Strich blieben jedoch ein boomender Arbeitsmarkt, satte Gewinne und steigender Wohlstand. In der künstlerischen Erfindung der Epoche, der »Winterlandschaft«, kann man beides finden: die veränderten klimatischen Bedingungen der Kleinen Eiszeit und die Vergnügungen, die eine reiche Gesellschaft daraus ziehen konnte.

Degroot lehrt uns, die niederländische Erfolgsgeschichte des Goldenen Zeitalters mit anderen Augen zu sehen. Nach einer gekonnten Einführung und einem Überblick über die jüngeren Forschungen zur Kleinen Eiszeit (S. 1–21, 22–49) wendet er sich zuerst dem Komplex »Handel und Klimawandel« zu. Bereits die Kapitelüberschriften »Reaching Asia in a Stormy, Chilly Climate« (S. 55–108) und »Sailing, Floating, Riding, and Skating through a Cooler Europe« (S. 109–149) lassen erkennen, dass dieses Buch nicht nur mit großer Kenntnis, sondern auch mit Witz geschrieben ist.

Der zweite Komplex »Konflikt und Klimawandel« stellt die bekannten Großerzählungen der niederländischen Frühneuzeit vom Kopf auf die Beine: »Cooling, Warming, and the Wars of Independence, 1564–1648« (S. 154-195) sowie »Gales, Winds, and Anglo-Dutch Antagonism, 1652–1688« (S. 196–247). Der dritte Teil widmet sich schließlich dem Komplex »Kultur und Klimawandel« und befasst sich mit Malerei (S. 253–276) sowie Literatur und technischen Erfindungen (S. 277–299). Das Buch schließt mit einer Erörterung der »Lessons from Ice and Gold« (S. 300–309), in der Degroot hervorhebt, dass die reichen Niederlande bzw. ihre Bewohner, insbesondere die Bauern, Soldaten und Seeleute, von den Abkühlungsphasen und Wetterkapriolen der Kleinen Eiszeit schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Nach dem Muster von Toynbees »Challenge and Response« habe die niederländische Gesellschaft jedoch in besonderem Maße flexibel auf die klimatischen Herausforderungen reagiert. Insbesondere die Kaufleute brachten sich durch die systematische Ausweitung ihrer Handelsnetze in eine Position, in der sie von den Nöten der anderen Nationen profitieren konnten, zum Beispiel indem sie baltisches Getreide in den Mittelmeerraum transportierten. Wo immer sich eine Gelegenheit zu neuen Geschäften auftat, nutzten sie ihre Chance. Durch technologische Verbesserungen – z. B. Eisbrecher, verbesserte Heizungssysteme, neue Feuerwehrtechnik etc. – konnten sie besser mit den klimatischen Unbilden der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts umgehen. Paradoxerweise begann mit dem größten Erfolg, der Übernahme der britischen Krone durch den Statthalter Wilhelm III. von Oranien, also mit der Glorious Revolution, der Stern Hollands zu sinken, weil England jetzt dessen Erfolgsmodell kopierte.

Die alte Diskussion um das Goldene Zeitalter der Niederlande bekommt also eine klima- und umweltgeschichtliche Erweiterung: Es war ein »Frigid Golden Age«. Die Holländer profitierten nicht einfach von den Katastrophen der anderen, sondern sie passten sich nur erfolgreicher an den Klimawandel an. Und sie konnten das möglicherweise, weil sie als Küsten- und Tieflandbewohner seit Jahrhunderten an den Umgang mit einer sich ständig verändernden Umwelt gewohnt waren. Die klimatischen Extremereignisse begriffen sie daher nicht als Strafe Gottes, die man passiv erleiden musste, sondern als weitere Herausforderung, die es aktiv zu bewältigen galt. Mit dem Bau von Drainagen und Batterien von Windmühlen zur Entwässerung des Tieflandes (bis zu zwei Metern unter dem Meeresspiegel), mit Hilfe mechanisch angetriebener Pumpen sowie der Intensivierung der Garten- und der Milchwirtschaft etc. schafften sie es, die Resilienz ihrer Landwirtschaft soweit zu erhöhen, dass diese Form der Bewirtschaftung zum Vorbild für die ganze westliche Welt wurde. In Parkers Konzept der »Globalen Krise« 2 sieht Degroot »a powerful device to make sense of the traumatic early modern period« (S. 304). Eine Nutzanwendung für die globale Erwärmung fällt auch noch ab: Die Klimakrise der Frühen Neuzeit zeigt, dass eine Gesellschaft auf klimatische Herausforderungen aktiv brauchbare Antworten finden kann. Nicht jammern, sondern lesen: Dies ist das richtige Buch zur richtigen Zeit!

1 Ivo Schöffer, Did Holland’s Golden Age Coincide with a Period of Crisis?, in: Geoffrey Parker, Lesley M. Smith (Hg.), The General Crisis of the Seventeenth Century, London 1978, S. 83–109.
2 Geoffrey Parker, Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century, Yale 2013.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Wolfgang Behringer, Rezension von/compte rendu de: Dagomar Degroot, The Frigid Golden Age. Climate Change, the Little Ice Age, and the Dutch Republic, 1560–1720, Cambridge (Cambridge University Press) 2018, XXII–364 p., 16 b/w fig., 4 maps (Studies in Environment and History), ISBN 978-1-108-41931-4, GBP 90,00., in: Francia-Recensio 2018/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.4.57457