Diese Jenenser Dissertation zu Kurfürst Johann dem Beständigen von Sachsen füllt eine große Lücke in der Forschung aus, gehörte der zwischen 1525 und 1532 in Kursachsen regierende Ernestiner doch zu den vernachlässigten Figuren der Forschung zum Reformationszeitalter in Mitteldeutschland. Zu unbedeutend erschien er neben seinem imposanteren Bruder Friedrich (dem Weisen), der eher dem Bild des tätigen und kulturell prägenden Renaissancefürsten entsprach, und neben seinem Sohn und Nachfolger Johann Friedrich (dem Großmütigen), unter dem sich der Konflikt mit dem Reichsoberhaupt Karl V. zuspitzte, bis hin zum Absturz der ernestinischen Linie des Hauses Wettin im Schmalkaldischen Krieg 1546/1547. Wenn die ältere sächsische Geschichtsschreibung Johann gleichwohl mit dem Beinamen »der Beständige« ein rühmendes Attribut beilegte, so verweist dies auf seine wichtige Rolle bei der weiteren Durchsetzung der Reformation in Kursachsen, zwischen den Umwälzungen des Bauernkrieges 1525 und dem Beginn der konfessionellen Lagerbildung im Reich, die in der Gründung des um einen sächsisch-hessischen Kern gruppierten Schmalkaldischen Bundes 1531 gipfelte.

Die Untersuchung setzt im Jahr 1513 ein, als der bereits 45jährige Herzog Johann eine zweite Ehe mit Margarete von Anhalt schloss und seinen Bruder Kurfürst Friedrich zu einer Landesteilung (Mutschierung) veranlasste, mit der sich eine Art Vorform des heutigen Thüringen im Westen des wettinischen Machtbereichs bildete, die Johann von seiner Residenz in Weimar aus regierte. Freilich konnten die Regierungsgeschäfte den immer auf Zerstreuung bedachten Fürsten nur zeitweilig fesseln, weshalb es im Weimarer Finanzwesen zu Missständen kam, die man auf das weitgehende Desinteresse Johanns an den Verwaltungsangelegenheiten zurückgeführt hat. Größeren Anteil nahm er dagegen an religiösen Fragen und an der aufkommenden Reformation, wobei hier auch die Begeisterung seines Sohnes Johann Friedrich für die neue Lehre den Ausschlag gegeben haben dürfte. Jedenfalls widmete Martin Luther dem Weimarer Herzog 1520 erstmals eine Schrift, nämlich den »Sermon von den guten Werken«, so dass fortan auch ein Briefwechsel zwischen dem Wittenberger Theologen Luther und dem Fürstenhof in Weimar einsetzte.

In der Folgezeit bekämpften Johann und seine Räte entschieden alle Konkurrenzmodelle kirchlicher Reformation, wie sie sich mit dem Namen des chiliastischen Thomas Müntzer oder der Eucharistielehre des umtriebigen Andreas Karlstadt verbanden. Diese kirchenpolitische Wirksamkeit Johanns und seines Hofes zugunsten der Durchsetzung der von Luther und Melanchthon vertretenen »Wittenberger Lehre« ist in ihrer Bedeutung für die kulturelle Prägung des mitteldeutschen Raumes nicht zu unterschätzen und wird in dem vorliegenden Band schlüssig dargestellt und von ihren Motiven her erklärt.

Mit Johanns Regierungsantritt in Kursachsen 1525 verbanden sich eingreifende Maßnahmen wie die Reform der Universität Wittenberg, die Landesvisitationen und die Sequestration von Klostergütern. Damit ging die lutherische Reformation nach den tumultuarischen Anfängen in die Phase administrativer Festigung über, im Sinne des Aufbaus einer territorial abgeschlossenen Landeskirche. Nach dem Gewaltausbruch des Bauernkrieges griff die Obrigkeit zudem entschieden gegen konfessionelle Abweichler durch, wie sich am Beispiel der verfolgten sächsischen und thüringischen Wiedertäufergemeinden zeigen lässt. Im Anschluss an den Ausbruch religiöser Pluralität in der Frühphase von Luthers Wirken ging man nun entschlossen wieder an die Vereinheitlichung in Lehre und kirchlicher Praxis. Die Konstituierung einer lutherischen Orthodoxie in Kursachsen sollte auch den Bruch mit den oberdeutschen und schweizerischen Reformierten herbeiführen, ablesbar am Ausgang des Marburger Religionsgesprächs von 1529, bei dem Philipp von Hessen gegen die sächsische Opposition vergebens eine protestantische Einheitsfront zu errichten hoffte.

Breiten Raum nimmt in der Darstellung überdies die Reichspolitik Kursachsens in der Regierungszeit Johanns ein, liegen mit dem Speyerer Protestationsreichstag 1529 und dem Augsburger Bekenntnisreichstag 1530 doch zwei für die Entwicklung des deutschen Protestantismus bedeutende Reichsversammlungen in dieser Zeit, an denen der bereits vom Alter gezeichnete Kurfürst auch persönlich teilnahm. Dabei wird nicht zuletzt der steigende Einfluss der Theologen auf das politische Handeln des kursächsischen Hofes deutlich. Am Ende der 1520er Jahre hatte sich Luther als wichtigster Ratgeber der ernestinischen Fürsten durchgesetzt, nachdem der Hof ihn zunächst auf die Rolle des Experten für kirchliche Angelegenheiten hatte festlegen wollen.

Diese Entwicklung hin zum lutherischen Reformationsstaat hatte sich mit der wachsenden Unsicherheit wegen der den Reichsfrieden massiv bedrohenden Packschen Händel 1528 Bahn gebrochen, als Luther gegen die kriegerische Politik des Landgrafen von Hessen zum behutsamen Vorgehen im Interesse der Friedenswahrung mahnte und damit den Beifall Kurfürst Johanns fand. Dieser steigende Einfluss der Wittenberger Theologie auf die Politik Kursachsens könnte auch als das markante Kennzeichen der späteren Regierungszeit des Kurfürsten bezeichnet werden. Das Verhältnis zwischen Hof (Torgau/Dresden) und Universität (Wittenberg/Leipzig), über Johanns Regierungszeit und den Wechsel in der Kurwürde (1547) hinaus, ist durchaus einer der interessantesten Aspekte einer sächsischen Kulturgeschichte im 16. Jahrhundert.

Auf jeden Fall eröffnet die gründlich erarbeitete und ausgewogene Studie über einen der unbekannteren ernestinischen Fürsten des Reformationszeitalters bedeutende Einblicke in den Zusammenhang von Religion und Politik in Mitteldeutschland und in die Staatsbildung unter dem Vorzeichen des lutherischen Konfessionalismus.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Thomas Nicklas, Rezension von/compte rendu de: Doreen von Oertzen Becker, Kurfürst Johann der Beständige und die Reformation (1513–1532). Kirchenpolitik zwischen Friedrich dem Weisen und Johann Friedrich dem Großmütigen, Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2017, 541 S. (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation, 7), ISBN 978-3-412-50808-1, EUR 70,00., in: Francia-Recensio 2018/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.4.57469