Mit dem Siegeszug der »Neuen Kulturgeschichte« erleben Biografien erneut eine Konjunktur in der Geschichtsschreibung. Dazu zählen nicht nur Biografien über große Männer (seltener Frauen) in der Politik, sondern auch Biografien über die sogenannten »Intellektuellen«, über die vorher hauptsächlich aus einer engen ideengeschichtlichen Perspektive geforscht wurde. Im Gegensatz dazu versuchen die Intellektuellen-Biografien jüngerer Zeit, das persönliche Erleben der Person und deren Auseinandersetzung mit der eigenen Gegenwart als wichtigem Faktor bei der Entstehung sowie Entwicklung ihrer Gedanken, ja ihrer Weltanschauung in Betracht zu ziehen.

Roshan Magubs Biografie über Edgar Julius Jung entspricht dieser Forschungstendenz. Im Unterschied zu einigen vorherigen Monografien über Jung, die sich entweder auf seine Ideen als solche oder auf seinen Widerstand gegen Adolf Hitler, also auf eine bestimmte Phase seines Lebens konzentrierten, untersucht die Autorin das Leben Jungs ausgiebig und auf der Basis eines umfangreichen Quellenkorpus, darunter einige Quellen, die bisher in der Forschung nicht ausführlich beachtet wurden.

Die Untersuchung gliedert sich in vier chronologisch angeordnete Teile. Im ersten Abschnitt untersucht Magub die Frühphase von Jungs Leben, wobei sie insbesondere zwei Faktoren für entscheidend hält: das Elitebewusstsein, das auf dem sozialgeschichtlichen Hintergrund seiner Familie aus dem Bildungsbürgertum ruht, und die Erfahrung im Krieg. Dieser Teil von Jungs Leben wurde bisher nur begrenzt erforscht. Ein wichtiges Verdienst des Werkes ist der Nachweis, dass die wesentlichen Merkmale von Jungs Persönlichkeit, die nicht zuletzt durch mangelnde Umfangsformen gekennzeichnet war, und seine deutliche Positionierung gegen die »Masse« nicht nur damals bereits entwickelt gewesen seien, sondern dass diese darüber hinaus auf die spätere Weiterentwicklung seiner Weltanschauung einen gewichtigen Einfluss genommen haben.

Der zweite Teil des Buchs beschäftigt sich mit den ersten Jahren Jungs in der Pfalz nach dem Ende des Weltkriegs (zwischen 1918 und 1924). Wichtig sei insbesondere neben seiner ersten Erfahrung in der Politik als Mitglied der Deutschen Volkspartei (DVP) das Attentat auf den Separatisten Franz Josef Heinz gewesen, das unter dem Kommando von Jung vorbereitet und durchgeführt wurde. Die Autorin untersucht die Vorbereitung und den eigentlichen Verlauf des Attentats ausführlich und verweist mit Recht darauf, dass diese Erfahrung auch bei Jungs Widerstand gegen Hitler nachgewirkt habe. Im Zuge der Vorbereitung hatte Jung 1923 sogar Hitler persönlich getroffen und ihm vorgeschlagen, sich am Widerstand gegen die französische Besatzung zu beteiligen, was Hitler ablehnte, denn er müsse »erst die Juden aus Deutschland hinaustreiben« (S. 59). Jung habe also während seiner Zeit in Pfalz einerseits die Ausübung von Gewalt als ernsthafte politische Strategie entdeckt und andererseits seine erste Enttäuschung über Hitler erlebt.

Danach untersucht die Autorin im dritten Kapitel die Jahre zwischen 1925 und 1932, in denen sich Jung politisch immer aktiver engagierte. Schon 1924 hatte er vergeblich versucht, für die DVP in den Reichstag einzuziehen. Nach diesem Scheitern gab Jung die Hoffnung auf politische Ämter zunächst auf und beschäftigte sich stattdessen einerseits mit der politischen Schriftstellerei und andererseits mit der Begründung politischer Klubs wie des Jungakademischen Klubs, die er anhand seiner verschiedenen Kontakte zu anderen politischen Figuren schnell aufbauen konnte. Die Autorin relativiert die Bedeutung dieser Klubs aber, da diese »a form of salon politics« geblieben und bei politischen Entscheidungen nicht in den Vordergrund getreten seien (S. 89).

Bei Jungs politischen Schriften legt die Autorin Nachdruck darauf, dass seine Kontakte zu Figuren der Industrie wie Paul Reusch (Gutehoffnungshütte) eine wichtige, ja ausschlaggebende Rolle – die Autorin bezeichnet sie sogar als »dictatorial« – gespielt hätten (S. 93). Außerdem ist es bemerkenswert, dass sie Jungs politische Ambition und Interessen als wichtige Faktoren betrachtet, insbesondere sein Ringen mit anderen politischen Figuren um Anerkennung als geistiger Führer innerhalb des eigenen Lagers. Die Autorin beschäftigt sich dann sehr ausführlich mit Jungs Hauptschrift »Die Herrschaft der Minderwertigen«. Magub beschränkt sich dabei nicht auf eine enge ideengeschichtliche Untersuchung, sondern geht detailliert auf die Einflussnahme der Industrie auf den Inhalt des Werkes ein und beweist mit verschiedenen Quellen, dass sich Jung sowohl im Laufe des Schreibens als auch nach der Veröffentlichung um Reaktionen und Rezensionen aus der Industrie bemühte.

Im vierten Teil werden die letzten Lebensjahre Jungs untersucht, wobei sein Widerstand gegen Hitler und die NSDAP ins Zentrum der Untersuchung rückt. Diese Phase begann zunächst mit seiner Kontaktaufnahme mit Franz von Papen, für den er dann als Redenschreiber arbeitete. Um ihn und Jung bildete sich eine Gruppe von Leuten, die aus unterschiedlichen Gründen mit Hitler und der NSDAP unzufrieden waren und das NS-Regime zum Einsturz bringen wollten. Für Jung seien es das Elitebewusstsein, das Festhalten an der christlichen Umstrukturierung des Staates und die unterschiedliche Stellung zur Masse gewesen, die eine Zusammenarbeit mit Hitler von Anfang an blockiert hätten.

Auf der Basis verschiedener Quellen legt die Autorin überzeugend dar, dass die Diagnose der politischen Konstellationen innerhalb der Regierung – insbesondere der Beziehung zwischen Paul von Hindenburg und Hitler – unzutreffend gewesen sei und dass die Gruppe keine reale Chance gehabt habe, die NSDAP zu stürzen oder sogar – wie Jung propagierte – Hitler umzubringen. Die Autorin geht zuletzt zur 1934 von Jung verfassten »Marburger Rede« Papens über, welche letztendlich zu seiner Verhaftung und dann Ermordung führte.

Ein Punkt, der sich durch das gesamte Werk hindurch kritisieren lässt, ist der fehlende Bezug auf die Konservative Revolution in der Weimarer Republik. Obwohl die Autorin Jungs Auseinandersetzungen der zweiten Hälfte der 1920er Jahre als »pursuit of leadership of the Conservative Revolution« zusammenfasst, streift sie die Beziehungen zu und Verflechtungen mit anderen konservativ-revolutionären Intellektuellen nur. Hier hätte man Jung sowohl persönlich als auch intellektuell in den weiteren Kontext der Konservativen Revolution einordnen können. Auch ihre im Laufe des Werkes wiederholte Auffassung, die Konservative Revolution sei eine Bewegung, die auf eine Rückkehr zu mittelalterlichen Wertvorstellungen hingearbeitet hätte, ist eine bei Weitem zu vereinfachte Definition der Konservativen Revolution (S. 1, 17, 227). Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass die knapp 300-seitige Biografie trotz einiger zu bemängelnder Punkte, an denen die ideengeschichtliche Kritik ansetzen muss, den persönlichen und politischen Lebensweg von Jung auf umfangreicher Quellenbasis anschaulich und erfolgreich präsentiert.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Taesoo Kim, Rezension von/compte rendu de: Roshan Magub, Edgar Julius Jung, Right-Wing Enemy of the Nazis. A Political Biography, Woodbridge (The Boydell Press) 2017, XII–296 p. (German History in Context), ISBN 978-1-57113-966-5, GBP 75,00., in: Francia-Recensio 2018/4, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.4.57565