Karl Lamprecht (1856–1915) war eine der großen Figuren der deutschen Geschichtswissenschaft des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Seine wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Studien zum »Moselland« im Mittelalter (3 Bde., 1885‒1886) und seine monumentale »Deutsche Geschichte« (12 Bde., 1891‒1909) haben ihn sowohl unter Fachhistorikern als auch in einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht, so dass er um 1900 auch international der bekannteste deutsche Historiker war.
Über seinen »kulturgeschichtlichen« Ansatz, der von seinen deutschen Kollegen oft als »materialistische Geschichtsschreibung« kritisiert wurde – damals ein schwerer Vorwurf –, wurde heftig gestritten, bis hin zu Lamprechts faktischem Ausschluss aus der »Zunft«. Im Ausland dagegen, etwa in Frankreich oder Belgien, wo Lamprechts positivistisch-evolutionistische Perspektive weit weniger provokativ wirkte, wurden seine Veröffentlichungen und sein akademisches Wirken, namentlich die Gründung eines interdisziplinären Instituts für Kultur- und Universalgeschichte an der Universität Leipzig, als bedeutende Schritte auf dem Weg zu einer moderneren Geschichtswissenschaft begrüßt und aufgegriffen.
Einer von Lamprechts wichtigsten Unterstützern und Mitstreitern war dabei der belgische Historiker Henri Pirenne (1862‒1935), der vor allem mit seiner »Histoire de Belgique« (7 Bde., 1899‒1932) die auf eine Gesamtgeschichte (»histoire totale«) zielenden Impulse seines deutschen Kollegen aufgriff und damit seinerseits zum wichtigsten Anreger einer »nouvelle histoire« in Westeuropa wurde. Nicht zufällig war Pirenne später Vorbild und Pate der 1929 gegründeten »Annales d’histoire économique et sociale« von Marc Bloch und Lucien Febvre. Ernst Bernheim (1850‒1942), der ebenso wie Lamprecht und Pirenne seinen Forschungsschwerpunkt in der Mediävistik hatte, ist dagegen heute vergleichsweise weniger bekannt. Sein Hauptwerk, ein »Lehrbuch der historischen Methode«, das ihm 1889 ein Ordinariat an der Universität Greifswald einbrachte und im Lauf der Jahre viele Auflagen und Erweiterungen erzielte (6. Aufl., 1908), wird allerdings noch immer von Geschichtstheoretikern (wie zuletzt Heinz Dieter Kittsteiner) geschätzt und zitiert.
Für Lamprecht war Bernheim, der später im Dritten Reich als zum Protestantismus konvertierter Jude drangsaliert wurde, in mehrfacher Hinsicht wichtig: zunächst als Lehrer während seiner Studien in Göttingen, dann als wissenschaftlicher Gesprächspartner und Verbündeter in den Jahren des sogenannten »Lamprechtstreits« und schließlich als theoretischer und methodischer Stichwortgeber, was Bernheim freilich nicht daran hinderte, Lamprechts oftmals hastig entworfene Darstellungen und Theorien sowie auch seine Pläne zur Universitätsreform zu kritisieren, weshalb sich ihr Verhältnis mit der Zeit ein wenig abkühlte.
Nun liegt unter dem leider etwas irreführenden Titelzitat »Über das eigentliche Arbeitsgebiet der Geschichte« – das nämlich von keinem der drei Protagonisten, sondern einem ihrer erbittertsten Gegner, Dietrich Schäfer, stammt und im Buch selbst überhaupt nicht vorkommt – eine Edition von zwei Briefwechseln vor, in denen jeweils Lamprecht im Mittelpunkt steht, der hier einerseits mit Bernheim und andererseits mit Pirenne korrespondiert. Von ihm stammt denn auch die überwiegende Mehrzahl der Briefe (46 bzw. 144), während nur 30 Briefe aus der Feder von Bernheim und 32 von Pirenne bislang gefunden wurden. Während die Hauptherausgeberin, Luise Schorn-Schütte, in ihrer Einleitung betont, beide Korrespondenzen seien »fast vollständig überliefert« (S. 16), liegt es schon aufgrund dieser Zahlenverhältnisse auf der Hand, dass es noch viele weitere Briefe gegeben haben muss, die vielleicht noch irgendwo verborgen liegen.
Inhaltlich besteht jedenfalls kein Zweifel, dass die hier vorgelegten Briefe die Quellenlage zur Historiografie-Geschichte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erheblich bereichern, auch wenn sie unser Bild von der Fachwissenschaft jener Zeit oder den Arbeits- und Lebensumständen der Protagonisten, die ja alle drei aufgrund biographischer Darstellungen recht gut bekannt sind, nicht fundamental verändern. Was sie vor allem dokumentieren und illustrieren, ist einerseits das damals übliche briefliche Sinnieren über die nötigen Karriereschritte bis zum Ordinariat und andererseits die wechselseitige Information über Publikationsprojekte, Zeitschriftenaufsätze und zünftige Angelegenheiten, wie etwa Historikertage oder internationale Kongresse.
Das gilt vor allem für den Briefwechsel mit Bernheim, der eine Zeitlang für Lamprecht eine wichtige Beraterrolle angesichts der über ihn hereinstürzenden Polemiken spielte. Aber auch Pirenne war mit der deutschen Zunft bestens vertraut und besuchte bis zum Weltkrieg fast jeden Historikertag. Fehlte er einmal, so ließen es sich seine Kollegen nicht nehmen, ihm, den sie freundschaftlich »Bierhenne« nannten, eine sog. »Bierkarte« mit einem Dutzend Unterschriften zu schicken. (Leider sind diese Karten nicht in die Edition aufgenommen worden.) Im Unterschied zum eher zurückhaltenden Bernheim war Pirenne für Lamprecht ein engagierter Anhänger, der 1897 mit einem vielbeachteten Aufsatz in der »Revue historique« das westeuropäische Publikum über den deutschen Methodenstreit informierte und dabei eindeutig Partei ergriff.
Gleichzeitig schrieb Pirenne für eine von Lamprecht herausgegebene Buchreihe seine zuerst auf Deutsch publizierte »Geschichte Belgiens«, die den sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Ansatz des Leipziger Historikers aufgriff und weiterentwickelte, ohne allerdings dessen Hang zur Systembildung zu imitieren. Darüber hinaus fädelte Pirenne Lamprechts Wahl in die Belgische Akademie der Wissenschaften ein (S. 254ff., 271ff.), während sich Lamprecht mit Pirennes Ernennung zum Ehrendoktor der Leipziger Universität revanchierte (was im Buch leider nicht erwähnt wird).
Im Übrigen erschöpfen sich diese Korrespondenzen natürlich nicht im Professionellen. Mit beiden Briefpartnern plaudert Lamprecht über private Dinge, Kinder, Ferienreisen usw., sodass sich mit der Zeit eine Art Freundschaft entwickelt, die freilich nie gewisse Grenzen überschreitet. Daher werden die Briefpartner auch nie zum vertraulichen »Du« übergehen, was besonders bei Pirenne überrascht, der als ehemaliges Mitglied des Berliner Akademisch-Historischen Vereins schon mit einer Reihe von deutschen Historikern Bruderschaft getrunken hatte. Was in diesen Briefen dagegen fehlt, sind Diskussionen über politische Ereignisse oder Haltungen. Lamprechts Bismarck-Verehrung und sein alldeutscher Nationalismus waren Pirenne sicherlich bekannt, aber er schwieg dazu ebenso wie zu seinen antisemitischen Ausfällen, die in einem Brief besonders deutlich sind (»die historische Judengarde des Reiches«, S. 250). Erst im Weltkrieg und in den Jahren danach wird Pirenne seine diplomatische Zurückhaltung (oder war es Opportunismus?) aufgeben und den unter deutschen Historikern vorherrschenden Nationalismus und Rassismus anprangern.
Nicht nur Bücher, auch Editionen haben ihre Schicksale. Das lässt sich im vorliegenden Fall besonders drastisch und mit allen Konsequenzen beobachten. Zwar räumt Luise Schorn-Schütte gleich im Vorwort ein, dass dieses Buch eine »eigene Geschichte« habe, die mit ihrer in den 1970er Jahren entstandenen und 1984 publizierten Dissertation über Lamprecht begann (S. 13), doch warum die schon damals angekündigte Publikation der Briefwechsel drei Jahrzehnte brauchte, um realisiert zu werden, wäre ein interessantes Kapitel akademischer »ego-histoire«. Außerdem meint sich der Rezensent zu erinnern, dass dieses Buch schon einmal Ende der 1990er Jahre von einem Verlag angekündigt wurde.
Doch nicht nur diese Verspätung wird nicht näher begründet, auch die Überlieferung und Auswahl der Quellen, ihre Transkription und nicht zuletzt ihre jetzige Präsentation, wie das in historisch-kritischen Editionen eigentlich üblich ist. Stattdessen beschränkt sich Schorn-Schütte auf zwei, drei Sätze im Vorwort und eine bemerkenswert knappe Einleitung (S. 15‒27), die nicht mehr leistet, als die fachgeschichtlichen Kontexte und die Protagonisten kurz vorzustellen und in dem simplen Gedanken gipfelt, »dass die Kommunikation unter den deutschsprachigen Briefschreibern ebenso unkompliziert und vertraut erfolgte wie zwischen Lamprecht und seinem belgischen Kollegen Pirenne. Die akademische Welt war bis in den Beginn des Ersten Weltkriegs hinein international, auch politische Gegensätze sind nicht bemerkbar, sie haben offensichtlich nicht existiert« (S. 27).
Was hier im Tonfall eines Handbuchartikels behauptet wird, ist aber ebenso naiv wie falsch. Das mag noch der Diskussionsstand der achtziger Jahre gewesen sein, doch heute würde niemand mehr die konfliktreiche Wissenschaftskonstellation um 1900 und »bis in den Beginn des Ersten Weltkriegs hinein« als ein solches Idyll beschreiben. Gerade die Biografie Pirennes, der zwischen 1916 und 1918 als Zivilgefangener (!) nach Thüringen deportiert wurde und diese Zwangspause, wie sein Tagebuch dokumentiert, zur kritischen Revision seines Deutschlandbildes und seiner Beziehungen zur deutschen Historikerzunft ‒ einschließlich Lamprecht ‒ nutzte, zeigt überdeutlich, wie ambivalent akademische Freundschaften schon vor dem Weltkrieg beschaffen waren: Natürlich trank man zusammen Bier ‒ daher der erwähnte Spitzname, der im Buch übrigens nicht aufgelöst wird (S. 144) ‒, aber gleichzeitig wahrte man die Distanz und hoffte offenbar im Stillen, dass es niemals zum Äußersten kommen würde.
War Belgien nicht ein neutrales Land wie die Schweiz? Heute kann man diese »gemischten Gefühle« zwischen Gelehrten unterschiedlicher Nationalität und Ausbildung (Pirenne hatte ja auch in Paris studiert, und dort lehrten einige seiner besten Freunde) nicht einfach ignorieren oder ausklammern, wie dies im vorliegenden Buch durchweg geschieht. Sowohl in der Einleitung wie in den Anmerkungen wird geradezu krampfhaft versucht, den Blick allein auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und Lamprechts Tod zu richten, so als ob alles, was danach geschah – in der Wissenschaftsgeschichte ebenso wie in der Biografie der beiden »Überlebenden«, also Bernheims und Pirennes –, nicht auch etwas über ihr vorheriges Leben aussagen oder es vielleicht sogar besser erhellen würde. Dieser frappierenden Blindheit, man nennt es wohl »Tunnelblick«, entspricht auf der methodischen Ebene, wie eben zitiert, ein äußerst schlichter Begriff von »Kommunikation«.
Offenbar sollen diese Briefe mit ihren wechselseitigen Freundlichkeiten und Lobeshymnen lediglich prima facie gelesen werden, obwohl zwischen den Zeilen und im Hintergrund noch ganz andere Dinge verhandelt wurden, die dem Wortlaut gelegentlich widersprachen. Natürlich ist es kaum möglich, all das in einer Edition zu dokumentieren, aber allein die Fülle der vorhandenen Korrespondenzen in den drei Nachlässen hätte es eigentlich nahegelegt, zum Beispiel auf widersprechende oder stark abweichende Argumentationen in den Fußnoten hinzuweisen, und sei es nur, um den Eindruck zu vermeiden, hier hätten sich lediglich zwei Kollegen zur wechselseitigen Belobigung und Karriereförderung zusammengefunden. Was wir vor uns haben, sind vielmehr Bruchstücke von wissenschaftlichen Netzwerken, die hoffentlich eines Tages angemessen aufgearbeitet, also im Detail ermittelt und analysiert werden, zumal die entsprechenden technischen und methodischen Hilfsmittel (Digital Humanities, soziale Netzwerkanalyse) mittlerweile vorhanden sind.
Aber das wären wohl unfaire Einwände gegen eine Edition mit langer Vorgeschichte. Was an ihr befremdet, ist denn auch nicht etwa die traditionelle Editionstechnik, sondern vielmehr deren frappierende Mangelhaftigkeit, ja man möchte fast sagen: Abwesenheit. Dabei gibt es gute Vorbilder dafür, wie nicht nur in der Literatur- oder Philosophiegeschichte, sondern auch in der Geschichtswissenschaft eine historisch-kritische Briefedition lege artis aussehen kann1. Sogar eine Hilfsdisziplin Editionswissenschaft steht zur Verfügung. Jedenfalls sollte alles mit einer sorgfältigen Erschließung und Beschreibung der Quellen beginnen, dann kämen Transkription und Kollation, Annotation und Kommentar (nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig) und schließlich ein erster Interpretationsversuch, etwa in einem einleitenden Essay.
Voraussetzung ist selbstverständlich eine umfassende Kenntnis der Forschungslandschaft bis hin zur neuesten Sekundärliteratur. Oder ist das zu viel verlangt? Wie angedeutet, werden wir im vorliegenden Fall nur ganz vage darüber informiert, woher die Briefe stammen. Wie wurden sie überliefert, wie sehen sie jeweils aus – der bloße Hinweis »unleserlich« weckt bei Historikern und Historikerinnen jedenfalls Unbehagen –, und wie vollständig sind die Sammlungen? Damit fängt es schon an. Nun werden zwar im Quellenverzeichnis die Nachlässe der drei Briefpartner genannt (S. 329), aber wie unzuverlässig diese Informationen sind, zeigt die Angabe für Pirenne: Dessen Nachlass befindet sich heute nämlich nicht mehr in Hierges in den französischen Ardennen (S. 329), wie hier behauptet wird, beziehungsweise in einem »romantischen Schloss an der belgisch-französischen Grenze« (S. 14), sondern seit 1986 im Archiv der Université libre de Bruxelles (ULB)2, wo er seither mehrfach erweitert wurde. Das Findbuch steht sogar im Internet3. Wie kommt es, dass diese elementaren Informationen an keiner Stelle im Buch erwähnt werden?
Mag sein, dass Luise Schorn-Schütte den Pirenne-Nachlass in den letzten Jahrzehnten nicht mehr konsultiert hat, aber zumindest eine der Bearbeiterinnen, Geneviève Warland, Verfasserin mehrerer interessanter Aufsätze über Pirenne und sein Umfeld, hätte hier protestieren müssen. Aus der Geschichte und eigentümlichen Gliederung dieses Nachlasses erklärt sich allerdings auch, warum es so schwerfiel, ein vollständiges Briefverzeichnis zu erstellen, sodass die ersten Briefeditionen, die seit den 1960er Jahren von dem amerikanischen Historikerpaar Bryce und Mary Lyon – oft nur anhand von Mikrofilmen – besorgt wurden, äußerst unzuverlässig sind4.
Dennoch wurde hier ein Großteil der Briefe von Pirenne an Lamprecht (28 von 32) offenbar nicht mehr neu transkribiert und kollationiert, sondern aus einer Edition von 1966 übernommen, bis hin zu den unzulänglichen und veralteten Fußnoten der beiden Amerikaner, die dafür kurzerhand ins Deutsche übersetzt wurden (vgl. Briefe Nr. 236, 242–246). Dabei kam es nicht nur zu Übertragungsfehlern – etwa S. 197: »portrez« statt »pourrez«, vielleicht ein OCR-Problem? –, sondern viele wichtige Namen und Ereignisse, die das Ehepaar Lyon nicht erschließen konnte oder wollte, bleiben jetzt wieder ohne Erläuterung (vgl. etwa S. 206 Paul Barth, S. 239 Gabriel Tarde, S. 248 Lamprechts »Sammelwerk«, S. 273ff. Élie Marchal, S. 299ff. R. Ledoux usw.). Doch welchen Sinn, welche Berechtigung hat eine historisch-kritische Edition, wenn sie ihre Leser derart schnöde allein lässt?
Auch der Nachlass von Lamprecht hat bekanntlich eine komplizierte Geschichte und wurde erst relativ spät in mehreren Tranchen nach Bonn übermittelt5. Diese Unübersichtlichkeit mag erklären, warum der Rezensent gleich auf Anhieb einen durchaus inhaltsreichen Brief von Pirenne an Lamprecht finden konnte (datiert 12. Dezember 1897), der in dieser Edition nicht berücksichtigt wurde. Offenbar musste am Ende alles zu schnell gehen. Denselben Eindruck einer gewissen Schludrigkeit hatte kürzlich auch Folker Reichert, als er sich für seine ausführliche Rezension in der »Historischen Zeitschrift« stichprobenhaft die Bernheim-Briefe näher ansah, deren Handschriften mittlerweile im Internet leicht zugänglich sind. Das Ergebnis war, wie er schreibt, »erschütternd«; allein für einen Brief (Nr. 36) fand Reichert »mehr als 50 Lesefehler«6. Auch in anderen Briefen und Anmerkungen fand er zahlreiche Fehldeutungen und Irrtümer, die bei einer sorgfältigeren Arbeit hätten vermieden werden können.
Man könnte noch viele weitere formale und inhaltliche Mängel dieser Edition anführen, nicht zuletzt was die unzureichende Kommentierung angeht, die dazu führt, dass wichtige Zusammenhänge für Uneingeweihte kaum verständlich sein dürften. Hinzu kommen am Ende außerdem noch ein überraschend kurzes Verzeichnis der einschlägigen Forschungsliteratur, in dem essentielle Titel fehlen (wie etwa das Buch von Cinzio Violante7), sowie ein Register, das offensichtlich von einer Hilfskraft mit allzu simplen Suchbefehlen erstellt wurde. Denn alle Schreibfehler des Buches werden darin noch einmal gehäuft, so dass allein sechs Namen gedoppelt (weil fälschlich anders geschrieben) und Dutzende wichtige Personen gar nicht erfasst werden. Auch wird nicht etwa auf Buchseiten, sondern auf die Nummern der Briefe verwiesen, was bei längeren Korrespondenzen keine gute Idee ist.
Kurzum, nach der spektakulär gescheiterten Edition der Ranke-Korrespondenzen von 2007, über die sogar die Presse berichtete, haben wir nun eine weitere Briefausgabe mit freilich etwas weniger prominenten Historikern vor uns, die in vieler Hinsicht unzuverlässig und daher fast unbrauchbar ist, während sie gleichzeitig dokumentiert, wie die ehrwürdige Arbeit der Quellenedition, auf die deutsche Historiker früher so großen Wert legten, weil sie darin ein Fundament ihrer Wissenschaft erblickten, heute so unattraktiv geworden zu sein scheint – obwohl es nicht an Drittmitteln mangelt –, dass man sie ohne großes Engagement, gleichsam nebenbei meint erledigen zu können.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Peter Schöttler, Rezension von/compte rendu de: Luise Schorn-Schütte, Mircea Ogrin (Hg.), Maria Elisabeth Grüter, Charlotte Beißwingert, Geneviève Warland (Bearb.), »Über das eigentliche Arbeitsgebiet der Geschichte«. Der Briefwechsel zwischen Karl Lamprecht und Ernst Bernheim sowie zwischen Karl Lamprecht und Henri Pirenne 1878–1915, Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2017, 349 S. (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 46), ISBN 978-3-412-02198-6, EUR 50,00., in: Francia-Recensio 2018/4, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2018.4.57572