Hält man sich an die Ursprünge der Institution sowie die Ansprüche, welche ihre Existenz in Vergangenheit und Gegenwart legitimieren, so scheint die Frage nach dem Nutzen der Konsuln für den Handel klar positiv zu beantworten sein: Zum einen sind die mittelalterlichen Ursprünge der konsularischen Institutionen aufs Engste mit jenen der nationes von Kaufleuten verbunden, die im Mittelmeerraum ihren Geschäften nachgingen. Zum anderen gehörte die Protektion des Handels zu den zentralen Argumenten, mit denen die Konsuln und ihre Prinzipale die Existenz der Institution und ihre Prärogativen rechtfertigten. Wenn indes die sprachliche und praktische Ambiguität von Protektion bedacht wird, so scheint die Sachlage weniger klar: Protektion bedeutet bekanntlich nicht nur Schutz vor »gefährlichen Dritten«, sondern auch die Herstellung einer asymmetrischen Beziehung. Oftmals bleibt den Protegierten keine andere Wahl, als den angebotenen Schutz in Anspruch zu nehmen und dafür Gegenleistungen – etwa in Form von treuen Diensten, Gehorsam oder Geldzahlungen – zu erbringen. In der spezifischen Form der konsularischen Protektion überlebt der enge Zusammenhang zwischen Schutz und Herrschaft, der als »Herzstück vormoderner traditionaler Herrschaftslegitimation« bezeichnet werden kann, bis in die Staatenwelt der Gegenwart, dient der konsularische Schutz dort doch dazu, den Zugriff auf die Staatsangehörigen außerterritorial zu rechtfertigen1.

Die gut dreißig Beiträge des Sammelbandes beleuchten ebendiese Ambivalenz der Beziehungen zwischen Konsuln und Kaufleuten insofern multiperspektivisch, als der Hauptfokus auf die französischen Konsuln ergänzt wird durch Beiträge zu Konsuln anderer Herkunft und zu einer »nation sans consul« – den schweizerischen Kaufleuten in Lyon. In der Einleitung fasst Arnaud Bartolomei den Forschungsstand aus einer Perspektive zusammen, welche (einmal mehr) die Geschichte der französischen konsularischen Institutionen als Normalfall voraussetzt. Mit Blick auf die Thematik des Sammelbands verweist Bartolomei auf den ungleichen Nutzen, den die Kaufleute je nach Kontext aus den Leistungen der Konsuln zogen, und den es in den Blick zu nehmen gelte. Zu unterscheiden sei dabei zwischen dem weiteren ökonomischen Nutzen und den Vorteilen für einzelne Kaufleute.

Die Beiträge sind in fünf Kapitel gruppiert, denen jeweils eine Einleitung vorangestellt ist. Im ersten Kapitel werden Quellenbestände vorgestellt, auf deren Grundlage die Beziehungen zwischen Konsuln und Kaufleuten untersucht werden können. Berücksichtigung finden fast ausschließlich französische Bestände.

Die Beiträge des zweiten Kapitels fragen nach den Bedingungen, welche die Ausübung der konsularischen Jurisdiktion bestimmten. Neben den Konsuln selbst wird auch die juridiction volontaire der Konsulatskanzleien untersucht. Die Beiträge verdeutlichen sodann die Notwendigkeit, künftig die konsularische Gerichtsbarkeit in ihrem Verhältnis zu weiteren handelsgerichtlichen Instanzen eingehender zu untersuchen. Mit einem Fokus auf nichtfranzösische Konsulate beleuchten die Aufsätze des dritten Kapitels die Vielfalt der konsularischen Netzwerke, ihrer Organisation und Funktionsweise in Abhängigkeit von kommerziellen Strategien und lokalen Voraussetzungen.

Die Beiträge – etwa der Aufsatz zu den amerikanischen konsularischen Netzwerken zwischen 1790 und 1815 – laden dazu ein, die Beziehungen zwischen Staatsbildung, konsularischen Institutionen und Handel nicht nur nach dem französischen »Vorbild« zu denken. Auch die im vierten Kapitel versammelten Aufsätze zum französischen Konsulat in Cádiz im 18. Jahrhundert regen zu einer Neuperspektivierung an: Gegenüber dem Bild einer ganz im Dienst des französischen Merkantilismus stehenden Institution unterstreichen die Beiträge die Infragestellung der konsularischen Jurisdiktion durch die spanische Krone, das Gewicht der Großkaufleute gegenüber den Konsuln sowie die daraus für diese resultierende Notwendigkeit, sich den lokalen Umständen anzupassen.

Das thematisch daran anschließende fünfte Kapitel schließlich beleuchtet die agency der Konsuln im Spannungsfeld zwischen ihren Prinzipalen, die zum Teil selbst unterschiedliche Ziele verfolgten, und dem lokalen Kaufmannsmilieu. Gefragt wird nach der Art und Weise, wie die Konsuln Normen unterliefen und umdeuteten, aber auch nach den Prozessen, in welchen die Konsuln zu mehr oder weniger gefügigen Staatsdienern wurden. Beide Prozesse konnten dazu führen, dass konsularische Protektion zu einer Herrschaftsform wurde, die nicht mehr den Interessen der Kaufleute entsprach. Das Gegenmodell einer »nation sans consul« präsentiert ein Aufsatz über die Kaufleute schweizerischer Herkunft in Lyon. Diese Kaufleute wählten im 17. und 18. Jahrhundert aus den eigenen Reihen einen syndic als Vertreter, Protektor und Schiedsrichter. An dessen Seite agierten Handelsagenten, die durch die Handelskammern der Herkunftsstädte ernannt wurden.

Insgesamt bietet der Sammelband vielfältige Einblicke in eine Thematik, die bislang geographisch und thematisch unterschiedlich intensiv erforscht worden ist. Ein Teil der Beiträge bietet Ansatzpunkte für eine Neuperspektivierung der Forschung zu den Konsuln und deren Beziehungen zu den Kaufleuten jenseits des französischen Modells einer frühen Abhängigkeit von der Krone. Zum einen zeigen sie, dass die Konsulate im Mittelmeerraum zu unterschiedlichen Zeitpunkten und nach je spezifischen Modalitäten als »verstaatlichte«, von den Kaufmannsgemeinschaften getrennte Institutionen konstituiert wurden. Zum anderen belegen sie, dass die Frage, inwiefern die Kaufleute von der Ausweitung der Herrschaftsansprüche zentralstaatlicher Akteure auf Untertanen und Bürger außerhalb des eigenen Territoriums profitierten, fallspezifisch differenziert zu beantworten ist.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Christian Windler, Rezension von/compte rendu de: Arnaud Bartolomei, Guillaume Calafat, Mathieu Grenet, Jörg Ulbert (dir.), De l’utilité commerciale des consuls. L’institution consulaire et les marchands dans le monde méditerranéen (XVIIe–XXe siècle), Rome; Madrid (École française de Rome; Casa de Velázquez) 2018, 569 p., nombr. tabl. et graph. (Collection de l’École française de Rome, 535; Collection de la Casa de Velázquez, 160), ISBN 978-2-7283-1260-3, EUR 39,00., in: Francia-Recensio 2019/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.1.59798