Es wäre lohnend, eine Geschichte des Meeres im Rahmen der historischen Forschung zu schreiben, zumal es ohne den mythologischen Faden der Ariadne schon kaum mehr möglich ist, die Fülle der Darstellungen zu überblicken. Man würde aber sicher immer wieder auf ein Werk stoßen, das fest verankert im Hafen steht: Fernand Braudel, »La Méditerranée et le monde méditerranéen à l'époque de Philippe II«, ein Werk, das seit 1949 in ungebrochener Bedeutung die Forschung beherrscht und immer wieder von Neuem anregt. In einem chronologisch viel weiteren Umfang kann man Braudels »Mittelmeer« nun vielleicht auch »The Corrupting Sea. A Study of Mediterranean History« (Oxford 2000) von Peregrine Horden und Nicholas Purcell zur Seite stellen sowie die zehn Jahre später erschienene Monografie von David Abulafia »The Great Sea. A Human History of the Mediterranean« (London 2011), die unter dem braven Titel »Das Mittelmeer. Eine Biographie« auch rasch eine deutsche Übersetzung erfahren hat (Frankfurt am Main 2013).

Die vier Titel mit insgesamt über 2300 Seiten, die wir an dieser Stelle wertend und in Teilen vergleichend präsentieren, nehmen ihren Ausgangspunkt ebenfalls vom Mittelmeer, erheben aber nicht den Anspruch auf einen globalen Überblick, sondern widmen sich, unter viele Autoren (es sind insgesamt 94) aufgeteilt, unterschiedlichen Fragen des Lebens und Handelns zur See und im Landbereich, der an die See grenzt. Da dem biblischen Bericht zufolge der Schöpfer Meer und Land voneinander trennte, bleibt der kommunikative Zusammenhang immer bestehen, und es ist allein der naturwissenschaftlichen Forschung vorbehalten, sich ausschließlich der See zuzuwenden.

Die vier Titel lassen sich summarisch auch vier ganz unterschiedlichen Bereichen der historischen Forschung zuweisen:

(1) Versuche von Definition und Theoriebildung (»Maritimes Mittelalter«); (2) eine Geschichte der Weltmeere im Gefüge von Chronologie und Topografie (»The Sea in History«); (3) die Entwicklung des Hafens am topografischen Einzelbeispiel (»Die byzantinischen Häfen Konstantinopels«); (4) Meere und juristische Dokumente (»Notai Genovesi«).

Eine kritische Betrachtung so unterschiedlicher Sichtweisen des Phänomens »Meer« kann nicht in völliger Neutralität erfolgen, sondern bedarf eines Ausgangspunktes. Im Hintergrund unserer Überlegungen steht die östliche Mittelmeerwelt mit ihrem zentralen Punkt Konstantinopel.

I. Maritimes Mittelalter. Meere als Kommunikationsräume1

Die Beiträge entstanden aus den Vorträgen des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte im Jahr 2012. Erstmals in seinem mehr als 50jährigen Bestehen hat diese Institution das Schwäbische Meer verlassen und sich an die Gestade der Weltmeere begeben. Die Geschichte des Meeres war nie eine Domäne der deutschen mediävistischen Forschung. Daher schicken die Herausgeber, Michael Borgolte und Nikolas Jaspert, auch eine umfangreiche Einführung voraus, die sehr gut lesbar ist, aber vielleicht doch nicht genügend Stichworte zu einer Definition von Begriffen und einer Theorie der historischen Meeresforschung liefert, wie sie wenigstens für einige der Autoren wohl notwendig gewesen wäre. Deutlich, wenn auch mit sehr gemäßigten Worten, lässt diese Defizite die umfangreiche und glänzende Zusammenfassung der Ergebnisse durch Daniela Rando erkennen (S. 303–320). Sie erlaubt einen Blick in die Diskussion, die immer einen der wichtigsten Bestandteile der Konstanzer Tagungen ausmacht, und zeigt, wie sehr gerade die theoretische Begrifflichkeit im Zentrum stand, auch weil sie in vielen Beiträgen selbst nicht hinreichend herausgearbeitet wurde.

Diese Zusammenfassung lässt nun durchaus ein begriffliches Netzwerk erkennen, das in den Beiträgen selbst nicht immer deutlich ist. Das Aufbauschema der Konferenz und des daraus folgenden Bandes muss man sich selbst erarbeiten, es scheint sich aber aus der Abfolge der Beiträge zu ergeben: Die Frage, die sich Jan Rüdiger stellte: »Kann man zur See herrschen? Zur Frage mittelalterlicher Thalassokratien« (S. 35–58) war wohl als »Schlüsselbeitrag« gedacht. Schon die äußere Form dieses Beitrags ist (besonders im Rahmen der Konstanzer Vorträge) ungewöhnlich, indem sich an den mit Anmerkungen versehenen Vortragstext ein eigener Abschnitt »nach der Diskussion« anschließt. Das ist weit mehr als ein optischer Schönheitsfehler, da der Leser mit zwei Meinungen, vor dem Vortrag und nachher, konfrontiert und ratlos stehen gelassen wird. Letztlich lässt der Verfasser die Frage unbeantwortet. Gerade die Alte Geschichte, auf die auch immer wieder Bezug genommen ist, bietet aber sehr klare Beispiele zum Begriff der Seemacht, die dann auch die Landmacht nach sich zieht, wenn letztere ihr nicht schon vorausgeht (Athen, Phönizier/Karthager, Rom). Der Begriff »Land-Herrschaft« steht für Rüdiger zu sehr vor dem Hintergrund einer mitteleuropäischen, um nicht zu sagen, »deutschen« mittelalterlichen Geschichte und gibt ihm den Blick nicht frei für eine globalere Betrachtung: Man hätte an erster Stelle (auch chronologisch) Byzanz erwähnen müssen, aber auch und besonders Venedig (das erst im 13. Jahrhundert langsam ein terrestrisches Gesicht erhielt), nicht zu vergessen aber auch Genua (um im Mittelmeer zu bleiben).

Insgesamt stellt der Beitrag keinen geglückten Einstieg in die Thematik dar. Den eigentlichen Schlüsselbeitrag hat dagegen Sebastian Kolditz verfasst, der unter dem Titel »Horizonte maritimer Konnektivität« (S. 59–108) nahezu alle Gesichtspunkte des Themas »Kommunikationsräume« behandelt. Es gelingt ihm in einem umfangreichen und sorgsam ausgefeilten Beitrag, die Frage nach dem Kommunikationsraum auf vier Punkte zu konzentrieren: Wirkfaktoren und Dynamiken (als theoretische Voraussetzung), Häfen, Engstellen (beides als unterschiedlich wirkende Knotenpunkte) und Menschen. Damit hat er ein Netz vorgegeben, entwickelt überwiegend am Beispiel des östlichen Mittelmeeres, das auch für jeden anderen Seeraum anwendbar ist.

Einige der folgenden Beiträge zeigen nun, auf welcher Basis das von Kolditz entworfene System der Konnektivität praktisch umgesetzt werden kann. Die Beherrschung des Seeraums im konkret materiellen Sinn, der jeder praktischen und wirtschaftlichen Berechnung vorausgehen muss, beruhte schon immer auf der Technologie der Schifffahrt. Diesem Bereich ist der Aufsatz von Ruthy Gertwagen (»A Chapter on Maritime History: Shipping and Nautical Technology of Trade and Warfare in the Medieval Mediterranean, 11th–16th Century«, S. 109–148 mit mehreren technischen Zeichnungen) gewidmet. Sie geht von ganz praktischen Überlegungen zu klimatischen Verhältnissen, der Bedeutung der Winde und der Wasserströmungen aus (eine Überlegung, die für alle Meere gilt), welche die Technologie und den Rhythmus der Kommunikation bestimmt haben.

Im Kapitel über die Informationsquellen konzentriert sie sich auf die wenigen Wrackfunde (die hauptsächlich Bedeutung für Handelsprodukte haben), berührt aber schriftliche Quellen (Heiligenviten, Pilgererzählungen) nicht systematisch. Technologie und Archäologie der Funde im Jenikapi in Istanbul (obwohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon relativ gut ausgewertet in den Arbeiten von Ufuk Kocabaş und dem Ausstellungsbericht »Stories from the Hidden Harbor. Shipwrecks of Jenikapi«, 2013) werden erwähnt, aber nicht ausgewertet. Daher fällt der Abschnitt zur »Archaeological Evidence« etwas zu knapp aus. Weitgehend offen bleibt die Frage, inwieweit die Schiffstechnologie im Westlichen Mittelmeer byzantinische Einflüsse trägt, und ohne hinreichenden Grund wird (S. 146) die Kontinuität antiker Erfahrungen geleugnet. Im Osten der Mittelmeerwelt ist diese Kontinuität jedenfalls vorhanden.

Der Beitrag von Jenny Rahel Oesterle über »Arabische Darstellungen des Mittelmeers in Historiografie und Kartografie« gehört zu den Glanzlichtern des Konstanzer Bandes. Die Autorin weist die auf den bedeutenden französischen Geografiehistoriker Xavier de Planhol zurückgehende These von Unfähigkeit und Desinteresse der Araber gegenüber dem Meer zurück. Im Besonderen aber stellt sie die Bedeutung von Seekarten für das Funktionieren von Kommunikationen in den Mittelpunkt, ein Quellenbereich, der an anderen Stellen dieses Konferenzbandes kaum eine Rolle spielt.

Im arabischen Bereich haben die Karten aber auch eine politische Funktion, indem sie die Weite des muslimischen Raumes zum Ausdruck bringen sollen. Das Mittelmeer spielt nur eine beiläufige Rolle, wie denn dieses Meer auch nie einen eigenen arabischen Namen erhält, sondern die »See der Römer« (bahr al-rūm) heißt. Auch in der arabischen Geschichtsschreibung bleibt das Mittelmeer immer dem Indischen Ozean nachgeordnet. Erst Ibn Haldun im 14. Jahrhundert weist dem Mittelmeer wieder einen zentralen historischen Platz zu. Aus der Darstellung von Oesterle wird aber ersichtlich, dass der Indischen See keine geringere Bedeutung zukommt als dem Mittelmeer, eine Feststellung, die später in diesem Band von Annette Schmiedchen noch weitergeführt und vertieft wird.

Zunächst aber kehrt der Konferenzband nochmals in den Mittelmeerbereich zurück, genauer in den Binnenraum des Schwarzen Meeres. An dieser Stelle ist auch ein Wort zum Begriff des Binnenmeeres nötig, das zunächst eine topografisch-geografische Erscheinung ist und in die Kompetenz des Geografen fällt, der im gesamten Band aber nie begegnet. Auf jeden Fall hätte die besondere Funktion des Asowschen Meeres (Maeotis, See von Tana) als Binnensee zum Schwarzmeer Berücksichtigung verdient, ebenso wie das Marmarameer als Verbindungsglied zwischen Mittelmeer und Schwarzmeer. Es hätten aber auch Vergleiche mit dem Binnenmeer im Norden, der Ostsee, gezogen werden können, sodass Kommunikationssysteme in verschiedenen Binnenräumen vergleichend hätten vorgestellt werden können. Die geografische Sonderform des Golfes, nämlich die Adria – in venezianischen Quellen immer culphus genannt – wäre hier anzuschließen gewesen.

Der Vortrag über den Schwarzmeerraum, »The Black Sea – Trade and Navigation (13th–15th Centuries)« (S. 181–194) war Michel Balard anvertraut, dessen zweibändiges magistrales Werk »La Romanie génoise [XIIe–début du XVe siècle], Rom, Genua 1978) diesen Bereich vor allem unter dem Gesichtspunkt der Handelsgeschichte global erschlossen hat. Die Darstellung setzt im 13. Jahrhundert ein, wenn westliche Archivquellen vorliegen (vgl. unten die Besprechung der Monografie »Notai genovesi in Oltremare«). In den früheren Jahrhunderten war das Schwarze Meer eine ausschließlich byzantinische Binnensee, über die es nicht viele Quellen gibt (Hélène Ahrweiler, Byzance et la mer. Paris 1966, Index; Peter Schreiner, »Das Schwarze Meer in der byzantinischen Geschichte und Literatur«, in: Bulgaria Pontica 6–7 [2010], S. 253–260), aber es wäre sicher sinnvoll gewesen, auch die früheren Jahrhunderte nicht ganz beiseite zu lassen. Kaum berührt ist leider auch der Binnenverkehr (und damit der Binnenhandel) im Schwarzmeer und das Faktum früher Koloniegründungen, in denen man eine Parallele zur Antike und zur postkolumbianischen Zeit sehen kann, mithin also politische Kommunikationspunkte auswärtiger Mächte in Verbindung mit der Einrichtung »diplomatischer« Vertretungen.

Sichtbar schwierig war es für Carsten Jahnke, den Charakter der Nordsee (»Die ›Nordsee‹, ein verbindendes oder trennendes Element«, S. 195–211) in den Griff zu bekommen. Er zieht es daher vor, von einer »Westsee« und einer »Nordsee« zu sprechen. Die Westsee war, wie es auch die wenigen Quellen der Antike sahen, ein Teil des großen Ozeans und entzieht sich, wenn man den Beitrag genau besieht, im Mittelalter dem Begriff eines kommunikativen Raums. Allenfalls können wir vom 13. Jahrhundert an von Küstenverbindungen sprechen, die von freien Kaufmannsgruppen gesichert waren. Ein Blick »zurück« ins Mittelmeer könnte kaum besser die kommunikativen Unterschiede verdeutlichen.

Als höchst lohnender Gegenstand im Hinblick auf die Thematik erweist sich dagegen die Ostsee, deren Binnencharakter auch mit dem Schwarzmeer und der Entstehung von Randstaaten verglichen werden könnte. Im Gegensatz zum Schwarzmeer (dessen politischer Raum schon seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. greifbar ist) musste der baltische Seeraum im 6. Jahrhundert erst geboren werden. Nils Blomkvist, »Europeʼs Captive. Medieval Baltic Torn between Thalassocratic and Continentual Principles of Exploitation« (S. 213–232), erzählt die spannende Geschichte vom Sieg des terrestrischen Prinzips über das thalassokratische (das, um nochmals auf den obigen Vergleich zurückzukommen, im Schwarzmeerraum umgekehrt ausfiel).

Wiederum im Gegensatz zum Schwarzen Meer hatte der Bereich der Ostsee kaum Vergangenheit und schuf sich dank der engen Kommunikationen einen dichten historischen Raum, der bis heute existiert, während das Schwarze Meer mit der pax Osmanica sein individuelles Gesicht verlor. Etwas stärker hervorgehoben hätte man sich die Bedeutung des mare Balticum für die Kontakte zum Kalifat, zu Byzanz und den frühen russischen Fürstentümern vorstellen können (cf. Klaus Düwel u. a. [Hg.], »Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa«, Bd. 4: Der Handel der Karolinger- und Wikingerzeit, Göttingen 1987).

Der fulminante Beitrag von Annette Schmiedchen führt weg vom Mittelmeer zum Indischen Ozean, von dem schon die arabische Kartografie und Geschichtsschreibung ausgegangen war (»Die Akteure der mittelalterlichen Kommunikation im Indischen Ozean – von Gujarat über Ceylon und den Golf von Bengalen bis nach Sumatra«, S. 283–302). Als Philologin führt die Verfasserin zunächst in die Lexik des Indischen Meer-Begriffs ein, ein Themenbereich, der in anderen Beiträgen fehlt und von Interesse gewesen wäre, verrät er doch viel über die Auffassung der Menschen zur See (und an der See) zu ihrem Element.

Auch das Meer im Mythos begegnet in anderen Beiträgen nicht. Bemerkenswert ist die Feststellung, dass Fahrten auf dem Ozean »religionsabhängig« waren (oder es sein konnten) und die Brahmanen beispielsweise die See mieden oder sie ihnen sogar verboten war. Der Konnex Meer und Religion tritt sonst im Tagungsband nicht in Erscheinung (obwohl im Mittelmeerraum Heiligenleben dazu nicht wenig Information beibringen). Es wäre nicht ohne Nutzen gewesen, anhand von Karten die Topografie etwas deutlicher zu machen, um die Mönchs- und Pilgerreisen zu veranschaulichen, die auch einen Anknüpfungspunkt zur Mittelmeerwelt bieten. Die Bedeutung der Reiseberichte für die Kommunikation (fesselnd die Chinesen Faxian und Xuanzang) wird immer wieder betont, und diese Texte erlauben es, Parallelen zu ziehen. Es ergibt sich dann doch das Bild vieler struktureller Gemeinsamkeiten mit einer Region wie der des Mittelmeers.

Zwei Beiträge lassen sich, wie mir scheint, nur mit Biegungen und Brechungen in den Rahmen der Struktur und Thematik dieses Konferenzbandes einfügen: Benjamin Scheller, »Verkaufen, Kaufen und Verstehen. Die Atlantikexpansion der Europäer, die Fernhändler und die neue Erfahrung des Fremden im 14. und 15. Jahrhundert« (S. 233–260) bringt nicht nur chronologisch den Anschluss an das kolumbianische Zeitalter (und darüber hinaus), sondern weitet die Sicht auch geografisch in den atlantischen Raum aus. Die dafür gewählte zentrale Quelle, der Reisebericht des Alvise Da Mosto (1432–1483), kann nur bedingt davon überzeugen, »dass auf neue Weise Wissen über das Fremde produziert wurde« (S. 259). In ganz anderer Form liegt das von Georg Christ, »Kreuzzug und Seeherrschaft. Clemens V., Venedig und das Handelsembargo von 1308« (S. 261–282) gewählte Thema sehr am Rande aller Fragestellungen dieses Bandes.

Sicher ist der Begriff des »Embargo« ein faszinierender Gegenstand, der die Beherrschung der See eng berührt, und seine Definition hätte gerade an dieser Stelle mehr verdient als nur einen Satz aus »Google« in der ersten Anmerkung (vgl. z. B. das Lemma im Lexikon des Mittelalters und die dort zitierte Literatur). Der Verfasser hat auch wichtige Überlegungen zur bizarren historischen Situation zwischen Papst (Hospitalitern), Venedig und der Vorbereitung eines Kreuzzuges beigebracht, aber gerade diese besondere Situation scheint mir schwerlich geeignet, Kommunikationsbereiche zur See aufzuzeigen. Es hätte gerade hier die Möglichkeit bestanden, das »Embargo« und die Fäden der Seekommunikation in den Mittelpunkt zu stellen, aber diese Problemstellung ist nicht gewählt worden.

Erstmals wird in diesem Band der Versuch gemacht, über einen längeren Zeitraum hin und in fast globaler Ausweitung die Abhängigkeiten zwischen Land und See unter dem Stichwort der Kommunikation darzustellen. Vor allem aber wurden theoretische Grundlagen für Formen des Beherrschens der See (ein Begriff, der breiter als »Seeherrschaft« ist) gelegt. Nicht alle Artikel geben in gleichermaßen befriedigender Weise Antworten. Öfter wäre eine größere Definitionsschärfe (oder überhaupt eine Definition) gewünscht und manche wichtig erscheinende Gesichtspunkte sind nicht aufgegriffen worden (die See und die Sprachen, die See und das Recht). Aber es ist ein Ausgangspunkt geschaffen, der erlaubt, an den hier diskutierten Grundbegriffen weiter zu arbeiten.

II. The Sea in History/La Mer dans l’Histoire. Moyen Âge2

Der zweite zu besprechende Titel ist von Struktur und Zielen her nicht mit dem vorausgehenden vergleichbar. Er ist als zweiter Band einer den Meeren insgesamt gewidmeten Reihe erschienen und umfasst zeitlich die Periode des europäischen Mittelalters. Ihm voraus geht ein ähnlich aufgebauter Band über die Meere in der Antike, und es folgen zwei (ebenfalls bereits erschienene) Bände über die Meere in der Neuzeit und der zeitgenössischen Welt, die an dieser Stelle aber nicht zu Vergleichen herangezogen werden. An unserem Band sind 73 Autoren beteiligt, denen für jede Thematik zwischen 10 und 15 Seiten zur Verfügung standen.

Im Gegensatz zu dem oben behandelten Band stehen Methoden und Theorien der historischen Erforschung der Meeres am Rand und werden (eher unsystematisch) von fünf Autoren zu Beginn behandelt, darunter drei (Jan Rüdiger, Nikolaus Jaspert und Sebastian Kolditz), die im oben präsentierten Band zu diesen übergreifenden Fragen ausführlich Stellung genommen haben. Die Beiträge haben ausnahmslos eine überwiegend anthropologische Ausrichtung, und Fragen nach dem wirtschaftlichen und sozialen Nutzen des Meeres stehen im Mittelpunkt. Sie folgen damit einem Fragenkatalog des Hauptherausgebers Christian Buchet (S. XXIV), in dem es u. a. heißt: Was hat das Meer denen gebracht, die sich dorthin begeben haben, über welche Reserven verfügten diese Gruppen, ehe sie sich aufs Meer begaben, wie waren sie strukturiert, wie wurde das Meer ausgenutzt, und wie sieht das Instrumentarium aus, welches für das Meer nötig ist?

Die Frage stellt sich, wie man eine so globale Thematik bewältigt und wie der interessierte Benutzer dieses Buch lesen kann. Der Herausgeber, Michel Balard, renommiert für seine Arbeiten zu Handel und Schifffahrt im Schwarzen Meer und zur Kreuzfahrtgeschichte, hat ausreichend Raum zur Verfügung gestellt. Die Autoren hatten die Möglichkeit, eher im Essaistil zu schreiben (mit angehängter Bibliografie) oder einen umfangreicheren Anmerkungsapparat beizugeben. Auf jeden Fall erlaubt jeder Beitrag, sich selbst weiter in den Gegenstand zu vertiefen.

Der Herausgeber hat aber auch darauf verzichtet, alle Bereiche der historischen Meeresforschung anzuschneiden. Einige Lücken sind durch den Mangel an Material bedingt, aber wohl auch an Spezialisten, die man gewinnen konnte oder die es überhaupt gibt. Die Abfolge der Beiträge folgt eher einem geografischen Prinzip der Raumverteilung der Meere und weniger einer chronologischen Abfolge. Wenn man diese Orientierung sucht, sollte man zuerst die »Conclusion« von Michel Balard (S. 926–955 in Französisch, wiederholt anschließend in Englisch) lesen, weil hier für die europäischen Meere der chronologische Zusammenhang am besten evident wird. Im Bereich Asiens wird diese Zusammenfassung aber dem detaillierten Reichtum der originalen Beiträge nicht besonders gerecht, und überhaupt kann ein Buch dieses Umfangs nicht von den (durchaus nötigen) Zusammenfassungen her erschlossen werden. Es wäre aber fast schade, wenn sich der Leser nur jene Beiträge vornähme, die ihn vom Titel her ansprechen. Damit ginge ein Gesamtkonzept verloren, das hinter einem so großen Projekt steht, nämlich der Geschichte des Landes (die es schon lange gibt), eine Geschichte des Meeres gegenüber zu stellen. Jeder Artikel ist aber immer als Einzelobjekt verfasst und kann als solches auch gelesen werden, ohne besondere Rücksicht auf vorausgehende oder nachfolgende Thematiken. Das führt manchmal zu gewissen Wiederholungen, manchmal (eher selten) auch zu Widersprüchen oder Unklarheiten.

An dieser Stelle soll versucht werden, alle Beiträge mit einigen Stichworten zu charakterisieren und zu analysieren und sie verschiedenen Oberbegriffen einzureihen, die im Buch (leider) fehlen, aber einer größeren Klarheit dienlich gewesen wären. Es zeigt sich vorweg, dass der deutliche Schwerpunkt der Darstellung mit mehr als 600 Seiten auf den europäischen Meeren liegt. Dem afrikanischen Bereich sind 50 Seiten gewidmet, dem mittel- und südamerikanischen 40 Seiten, und dem indisch-asiatischen etwas weniger als 200 Seiten.

Diese Zahlen sollen nicht weiter kommentiert werden. Sie beruhen meist auf fehlendem Informationsmaterial im Mittelalter (etwa Afrika, ganz Nordamerika, Ozeanien). Auch wenn manche Artikel überwiegend auf der Basis von archäologischem Material geschrieben sind, so ist eine wirkliche Geschichte ohne schriftliche Nachrichten doch nicht machbar, und wo diese gänzlich fehlen, muss eine Darstellung lückenhaft bleiben. Wir haben an dieser Stelle die (oft recht langen) Titel der Beiträge auf die wesentlichen Aussagen hin reduziert und in deutscher Sprache paraphrasiert.

1) Allgemeine Überlegungen zu Meer und Seefahrt (S. 12–69)

Alle fünf Beiträge dieses Kapitels beziehen sich trotz ihres allgemeinen Charakters auf europäische Meere: (1) »Das Bild des Meeres« (Olivier Clodong), auch unter Heranziehung von Stellen aus der Schönen Literatur; (2) »Die Wahrnehmung des Meeres in Nordeuropa, 13.–15. Jahrhundert« (Frédérique Laget). Überwiegend eine Betrachtung der für den Handel relevanten nördlichen Meere; (3) »Mittelalterliche politische Formen im Bereich der See« (Jan Rüdiger). Es geht um die sozialen Unterschiede der Meeresanwohner gegenüber den Landbewohnern. Differenzierter sind diese Probleme in »Maritimes Mittelalter« (oben) ausgeführt (dort S. 35–58); (4) »Die Piraterei« (Nikolas Jaspert). Die Piraterei, die eine Erscheinung aller Zeiten und auf allen Meeren ist, wird hier auch positiv als ein Mittel gesehen, dass sich kleinere soziale Verbände an den Küsten (gegen die Piraten) zusammenschließen, ein Gesichtspunkt, der sicherlich auf einer breiteren zeitlichen und räumlichen Ebene weiter erforscht werden sollte; (5) »Netzwerkstrukturen und Seemacht« (Sebastian Kolditz) widmet sich, stark der Begriffswelt von Peregrine Horden und Nicholas Purcell (»The Corrupting Sea«) verbunden, den Verknüpfungen zwischen Seemacht und Handel am Beispiel von Staaten der Mittelmeerwelt.

2. Nautik im Spätmittelalter, 13.–15. Jahrhundert (S. 70–114)

(1) »Nautische Revolution durch Veränderungen der Schiffsformen« (Christiane Villain-Gandossi). Die der Technik gewidmeten Passagen werden von zeitgenössischem Bildmaterial unterstützt; (2) »Seekrieg im Mittelmeer, 13.–15. Jahrhundert« (Richard W. Unger). Behandelt vornehmlich die technischen Mittel, die unter den verschiedenen Kriegspartnern (Venedig, Genua, Aragon) zur Verwendung kommen, doch bleibt die Darstellung auch wegen ihrer Kürze und des Mangels an Illustrationen sehr im Allgemeinen; (3) »Die Seekarten« (Patrick Gautier Dalché). Der Verfasser betont, dass Seekarten nicht nur konkreten nautischen Zwecken, sondern auch Interessen staatlicher oder lokaler Propaganda gedient haben. Illustrative Beispiele fehlen.

3. Venedig (S. 115–202)

(1) »Schiffbau in der mittelalterlichen Adria« (John E. Dotson). Der Verfasser geht hier nur auf den venezianischen Schiffbau in der Adria ein (nach Hinweisen in der Sekundärliteratur), vor der Zentrierung auf das Arsenal in Venedig seit Ende 12. Jahrhundert; (2) »Das Arsenal von Venedig« (Élisabeth Crouzet-Pavan). Es handelt sich um einen Überblick; (3) »Öffentliche und private Flottenverbände in Venedig vom 12. bis zum 15. Jahrhundert« (Bernard Doumerc). Betont die Bedeutung der Kurzstreckenfahrten und der Flussschifffahrt gegenüber den langen Distanzen. Der Verfasser stützt sich ganz auf vorhandene Literatur und greift nicht auf Originalberichte in den (gedruckten) »Deliberazioni misti« des venezianischen Senats zurück, die viele einschlägige Beispiele bringen würden; (4) »Das Salz« (Jean-Claude Hocquet). Zurecht schreibt der Verfasser, dass man sich mit diesem Produkt »im Herzen der venezianischen Seemacht« befinde, obwohl dieses »einfache« Produkt im Hinblick auf die Fülle anderer venezianischer Handelsgüter inzwischen in der Forschung fast etwas in den Hintergrund getreten ist; (5) »Das venezianische Schiffspersonal, 13.–15. Jahrhundert (Doris Stöckly). Die Verfasserin geht sowohl auf die Privatschifffahrt als auch auf die staatliche Schifffahrt ein; sie unterstreicht die Bedeutung der Menschen für die Prosperität Venedigs; (6) »Die venezianische Seemacht im östlichen Mittelmeer« (Ruthy Gertwagen). Der Artikel schildert die Entwicklung der venezianischen Präsenz seit dem 9. Jahrhundert mit Schwerpunkt im 14. Jahrhundert. (7) »Split und Zadar, 13.–15. Jahrhundert« (Sabine Fabijanec). Die Handelsaktivitäten zu Wasser und zu Lande sind auch auf einer Karte anschaulich demonstriert; (8) Dubrovnik, 13.–15. Jahrhundert (Nenad Fejic). Der Autor beschäftigt sich mit dieser Seestadt in ihrer Auseinandersetzung mit Venedig.

4. Genua (S. 203–244)

(1) »Die private Militärflotte der Genuesen« (Piearangelo Campodonico). Der Verfasser untersucht das Phänomen des Fehlens einer Staatsflotte (bis Mitte 16. Jahrhundert) und des Zurückgreifens auf private Schiffe im Kriegsfall; (2) »Öffentliche und private Flottenverbände im 14. Jahrhundert« (Giovanna Petti-Balbi). Der Artikel wiederholt zum Teil Beobachtungen, die im erstgenannten Titel gemacht wurden, legt dabei aber ein besonderes Schwergewicht auf den Handel und geht ausführlich auf die Institution der matrona (Partnerschaftsgesellschaft zur Unterstützung des Staates) ein; (3) »Genuesische Flotten im Atlantik, 12.–15. Jahrhundert« (Enrico Basso). Der Beitrag beschäftigt sich vor allem mit den Stützpunkten in Flandern und England; (4) »Küstenschifffahrt und Hochsee, 12.–15. Jahrhundert« (Nicla Buonasorte). In diesem Artikel werden vornehmlich die Vorteile der Winterschifffahrt hervorgehoben, die durch neue Techniken ermöglicht wird.

5. Das westliche Mittelmeer (S. 245–400)

(1) »Die Normannen aus Italien und das Meer« (Jean-Marie Martin). Den italienischen Normannen war (im Gegensatz zu ihren Landsleuten im Nordwesten Europas) das Meer wenig vertraut und eher als byzantinisches Erbe übergeben. Es wird die Entwicklung von Kriegsschiffen ohne Plan nach jeweiliger Notwendigkeit beschrieben; (2) »Sizilien« (Henri Bresc). Unter dem überraschenden Titel »La mer empoisonnée« betrachtet der Verfasser (unter Bezug auf Horden und Purcell, »The Corrupting Sea«) Sizilien als ein Objekt, das politisch und wirtschaftlich vom Meer und dessen Gefahren weit stärker beeinflusst wurde als es dieses beherrschen konnte. Er bezeichnet die Insel als eine »chance perdue de la géographie«; (3) »Die Omayaden in Spanien« (Christophe Picard). Der Verfasser beschreibt, wie der Aufbau einer Kriegsflotte mit Hilfe der Berber und die Errichtung von Arsenalen es erlauben, im 10. Jahrhundert eine Kontrolle des westlichen Mittelmeeres zu erlangen (mit mehreren hilfreichen Karten); (4) »Die katalanischen Flotten, 12.–15. Jahrhundert« (Maria Teresa Ferrer i Mallol). In diesem Beitrag geht es um den Ausbau einer Kriegsflotte gegen die Araber und einer Handelsflotte, welche die Eroberungen wirtschaftlich nutzbar machte; (5) »Die katalanische Handelsexpansion, 12.–15. Jahrhundert« (María Dolores Lopez Perez). Im Gegensatz zum vorausgehenden Artikel widmet sich dieser den Einzelheiten des Handels. Man hätte aber (4) und (5) in einem einzigen Beitrag vereinen können; (6) »Schiffbau in Portugal« (Felipe Castro). Der zweifelsohne instruktive Beitrag konzentriert sich auf die schiffstechnischen Voraussetzungen für die portugiesischen Expeditionen im 15. Jahrhundert. Er gehört aber nicht an diese Stelle, sondern steht in Zusammenhang mit der portugiesischen Expansion, die unten (S. 642ff.) behandelt wird; (7) »Die Organisation der portugiesischen Flotte im 14. Jahrhundert« (Giulia Rossi Vairo). Die große Stunde des portugiesischen Flottenbaus beginnt mit der Ankunft des Genuesen Manuel Passagno (portugiesisch Pessanha). Die Beiträge (6) und (7) gehörten zusammengefasst und sind als Voraussetzung für die Atlantikfahrten (unten 642ff.) zu sehen; (8) »Die Kreuzritterorden und das Meer, 12.–15. Jahrhundert« (Pierre-Vincent Claverie). Es wird der Weg der Orden (Hospitaliter und Templer) von Aktionen zu Lande auf das Meer aufgezeigt. Der Verfasser bezieht auch die Tätigkeit der Deutschritter im Ostseeraum mit ein, obwohl mir ein historischer und logistischer Zusammenhang schwerlich zu bestehen scheint. Pierre-Vincent Claverie geht nicht darauf ein, inwieweit diese Schiffskapazitäten auch für den Handel eingesetzt wurden; (9) »Das lateinische Königreich von Jerusalem und das Meer, 11.–13. Jahrhundert« (David Jacoby). Der Beitrag zeigt auf, dass das Königreich sich nie eine Kriegs- und Handelsflotte in eigener Regie geschaffen hatte, sondern ganz von der Unterstützung durch italienische Stadtstaaten abhängig war; (10) »Die Schiffe des Johanniter-Ordens« (Jürgen Sarnowski). Der Verfasser widmet sich dem Beginn des eigenen Schiffsbaus mit der Niederlassung auf Rhodos und gibt eher einen historischen Überblick, der den technischen Aspekt weitgehend beiseite lässt; (11) »Die Lusignan auf Zypern, 13.–15. Jahrhundert« (Nicholas Coureas). Der Verfasser beschreibt, dass nur der Bau von Kriegsschiffen erfolgte, während die Handelsschiffe von den Italienern gestellt wurden; (12) »Maritimes Leben in Kreta zwischen Mittelalter und Neuzeit« (Angeliki Panopoulou). Zu Recht spricht die Verfasserin von Kreta als »Zentrum der Seerouten« und stellt die Insel (auch von ihrer günstigen geografischen Lage her) als Mittelpunkt eines Handelsnetzes für das gesamte Mittelmeer dar.

6. Der byzantinische Osten (S. 401–464)

(1) »Der Dromon und die byzantinische Marine« (John H. Pryor). Wenn wir von der nicht bestreitbaren Tatsache ausgehen, dass das byzantinische Reich seinen Erhalt bis ins 12. Jahrhundert dem Dromon verdankt, so steht dieser Beitrag zu Recht an der Spitze des Byzanz gewidmeten Abschnittes. Der Autor, der in einer anderen Publikation von »The age of the dromon« spricht, schildert hier den Siegeszug dieses Schiffstyps (der auch Träger des Griechischen Feuers war), bis er im 12. Jahrhundert von den westlichen Galeeren abgelöst wurde; (2) »Häfen und Schiffsbau in Konstantinopel« (Nergis Günsenin). Dieser Beitrag präsentiert vor allem die Yenikapi-Funde, doch war der zur Verfügung stehende Platz bei Weitem nicht ausreichend, um die Bedeutung dieser Funde voll zu würdigen (vgl. auch den Beitrag von Andreas Külzer in dem weiter unten vorgestellten Band zu den Häfen Konstantinopels); (2) »Der byzantinische Seehändler« (Gerasimos Pagratis). Der Beitrag fasst nur den Inhalt vieler gedruckter Titel zusammen (besonders von Georgios Makris), und kann zeigen, dass die oft geäußerte Meinung, der byzantinische Händler fürchte die See, nicht zutrifft, wenngleich wir für Reisen über lange Distanzen keine Belege haben. Die Bedeutung der Klöster für die Schifffahrt wird nicht erwähnt; (3) Die byzantinische Wirtschaft und das Meer« (Nevra Necipoğlu). Die Verfasserin schreibt es besonders der geografischen Lage des byzantinischen Reiches zu, dass der Seehandel eine so herausragende Bedeutung besaß; (4) »Der Handel im Schwarzen Meer« (Sergii Zelenko). Der Autor beschäftigt sich vor allem an Hand von archäologischen Funden in Cherson auf der Krim mit dem Thema, während schriftliche Quellen weitgehend außer Betracht bleiben; (5) »Venezianische Schifffahrt im Schwarzen Meer, 13.–15. Jahrhundert« (Sergey Karpov). Der Verfasser, einer der besten Kenner der Vorgänge, gibt einen souveränen Überblick über die Schifffahrtswege, mit denen Waren aus dem Schwarzmeerraum auf venezianischen Schiffen in alle Teile des Mittelmeers und bis England gebracht wurden. Dem Beitrag ist eine anschauliche Karte beigefügt.

7. Die westlichen und nördlichen Meere

(1) »Maritim-technologischer Transfer von Südeuropa nach England« (Susan Rose). Die Autorin weist nach, dass fortschrittliche Technologien aus dem Mittelmeerraum erst spät nach England gelangten und erst im 16. Jahrhundert keine Unterschiede mehr existierten; (2) »Die germanischen Königreiche und das Meer, 5.–8. Jahrhundert« (Régine Le Jan). Die Verfasserin schreibt den frühen Königreichen, ausgenommen in gewissem Umfang die Vandalen, keine maritimen Aktivitäten zu, doch sind die Quellen kaum hinreichend ausgeschöpft3; (3) »Kapetinger und Plantagenets im Kampf um die Suprematie zur See« (Henri Legohérel). Der Verfasser schildert hier die erste Annäherung in der Begegnung von Richard Löwenherz und Philipp II. August auf dem dritten Kreuzzug, deren Reiche zunächst keine Seeambitionen hegten und diese erst während des Hundertjährigen Krieges entwickelten, der zur See entschieden wurde; (4) »La Rochelle und der Seehandel« (Mathias Tranchant). An einem instruktiven Einzelbeispiel wird die Rolle eines Ausfuhrhafens für zwei Hauptprodukte (Wein und Salz) gezeigt; (5) »Burgund und das Meer im Spätmittelalter« (Jacques Paviot). Der Autor behandelt die Sicherung der flandrischen Besitzungen und die Formen der Anpassung eines Binnenstaates an die Bedingungen des Meeres sowie die Möglichkeiten, die ein solcher Staat in der internationalen Seepolitik (z. B. im Mittelmeer) erhält; (6) »Die alten Friesen und das Meer« (Stéphane Lebecq). Dieser Aufsatz widmet sich dem Ausbau von Häfen zwecks Ausweitung des Binnenhandels mit Produkten des Meeres; (7) »Die Wikingerschiffe« (Arne Emil Christensen). Der vorausgehende Beitrag endet mit der Feststellung, dass die Wikinger die Handelstätigkeit der Friesen beendeten. So schließt sich hier konsequent eine überwiegend archäologische Darstellung des wichtigsten Instrumentariums der Wikinger – ihrer Schiffe – an. Sie trugen entscheidend zur Staatwerdung von Dänemark, Schweden und Norwegen bei; (8) »Das Wikingerzeitalter« (Nils Blomkvist). Der Beitrag bietet einen grundlegenden Überblick über die Schaffung eines Kommunikationssystems, das vom Ärmelkanal über Island, die Ostsee, die russischen Flüsse bis zum Kalifat reichte; (9) »Seegesetze im Ostsee-Bereich« (Carsten Jahnke). Zu selten ist in den Beiträgen dieses Bandes von der Bedeutung von Rechtsprechung und Gesetzgebung die Rede (überhaupt nicht für Venedig oder Byzanz). Die zunehmende germanische Präsenz schuf schon im 13. Jahrhundert Grundlagen für ein verbindliches Seerecht; (10) »Die Piratengruppe des Klaus Störtebeker« (Gregor Rohmann). Der Beitrag geht auf gegen eine Seeordnung im baltischen Meeresbereich gerichtete Kräfte ein, und beschäftigt sich mit freien, piratenähnlichen Seefahrervereinigungen im 13. und 14. Jahrhundert, die, oft im Auftrag von Anrainerstaaten, den Handelsverkehr und die politischen Interessen störten; (11) »Der Deutsche Ritterorden und die Ostsee, 13.–16. Jahrhundert« (Juhan Kreem). Der Autor zeigt, dass sich der Ritterorden nicht als selbstständige Seemacht konstituiert, sondern sich nur im Verbund mit den Küstenstädten als wirksam erweist; (12) »Schiffe und Schifffahrt in England« (Ian Friel). Ein etwas zu großflächiger Überblick mit manchen plakativen Allgemeinplätzen (»the ethnic and cultural character of the English nation grew out of seaborne invasion and migration between the 5th and 10th centuries«), die doch stärker einer Unterstützung durch Quellen bedürften; (13) »Hafenarbeit im mittelalterlichen England« (Maryanne Kowaleski). Eine günstige Quellenlage, die für viele andere Seebereiche fehlt, erlaubt dem Autor eine relativ detaillierte Darstellung dieses Themas; (14) »Fischen im mittelalterlichen England« (James A. Galloway). Die lange Küstenlinie förderte gerade in England den Fischfang oft als einzige Erwerbsquelle. Die ernährungswissenschaftliche Auswertung von Quellen erlaubt schon für frühe Jahrhunderte tragfähige Aussagen (mit Karten und Abbildungen zu Fangmethoden).

8. Die afrikanischen Meere (S. 642–700)

In einem von Portugal ausgehenden Rundweg wird Afrika gewissermaßen im Gegenuhrzeigersinn umschifft, und es werden einzelne in den Quellen (besonders auch den schriftlichen) genannte geografisch-historische Räume für eine detailliertere Schilderung herausgegriffen.

(1) »Die portugiesische Expansion von Afrika nach Indien« (Luis Adao De Fonseca). Der Autor geht vor allem auf die politischen Hintergründe der portugiesischen Expansion ein. Die Kapitel über Schiffbau in Portugal (oben im besprochenen Buch, S. 306ff.) und die Organisation der portugiesischen Flotte (oben, S. 322ff.) hätten sich an diesen Beitrag anschließen müssen; (2) Das Handelsnetz der Baynounk in Westafrika« (Mustapha Sall). Die Autorin kann sich auf eine günstige Quellenlage stützen (die leider nur durch eine Bibliografie und kaum Einzelangaben erschlossen wurde) und es erlaubt, den Handelsaktivitäten eines Stammes an den Flussmündungen des Senegal und des Gambi vom 7. Jahrhundert bis zur Ankunft der Portugiesen nachzugehen; (3) »Mali und das Meer« (François-Xavier Fauvelle). Es handelt sich um einen Bericht über eine (legendäre?) Seefahrt in den Atlantik im 14. Jahrhundert, die beim arabischen Geschichtsschreiber al-Umari überliefert ist. Das Meer war ein feindlicher Raum, den erst die Portugiesen öffneten; (4) »Ostafrika und das Meer, 1.–15. Jahrhundert« (Philippe Beaujard). Der Autor präsentiert einen sehr dichten und mit gutem Kartenmaterial versehenen Beitrag, der sich vor allem auf arabische Quellen stützt. Die Präsenz der Araber seit dem 8. Jahrhundert in den Küstenorten der Swaheli-Stämme belebte den Handel und führte auch zu Kontakten mit Madagaskar und den Komoren. Leider wird auf die Rolle der heute noch eindrucksvollen Siedlung Great Simbabwe, obwohl im Aufsatz kartografisch festgehalten, nicht eingegangen. Die Portugiesen griffen später auf diese Strukturen zurück; (5) »Das Rote Meer im Mittelalter« (Patrick Wing). Angesichts der Bedeutung des Roten Meeres als Bindeglied zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean sind die Ausführungen in diesem Beitrag enttäuschend. Die durch byzantinische, arabische und nubische Quellen nicht unbekannte Epoche vor dem Jahr 1000 bleibt ohne Hinweise. Es fehlen Karte, Anmerkungen und Bibliografie.

9. Die mittel- und südamerikanischen Meere (S. 701–726)

(1) »Die frühe Maya-Schifffahrt« (Heather McKillop). Der Beitrag bietet einen guten Überblick. Aus der Untersuchung von Schiffszeichnungen und Keramikfunden aus dem 3.–15. Jahrhundert lässt sich auf eine Küstenschifffahrt in relativ kurzen Distanzen schließen; (2) »Fischfang, Schifffahrt und Handel in der Karibik« (Emiliano Melgar). Der Beitrag widmet sich in derselben Periode der technischen Seite der Seefahrt und hätte mit dem obigen Artikel verbunden werden sollen; (3) »Die Seefahrt der Andenvölker der Küste« (Jorge Ortiz-Sotelo). Im Mittelpunkt stehen Floß und Floßbau, die auch die Bewältigung von langen Strecken erlaubten.

10. Der asiatische Seekomplex (S. 727–925)

Die 13 Beiträge dieses Abschnitts gehören meines Erachtens zu den interessantesten des Bandes, weil sie einen Bereich erschließen, der bisher in der Verbindung von Detail und Überblick nie als Ganzes behandelt worden ist, und sie zudem stärker miteinander in Zusammenhang stehen, als dies in manchen der übrigen Abschnitte des Bandes der Fall ist.

(1) »Das mongolische Reich des 13. Jahrhunderts« (Didier Gazagnadou). Es verwundert zunächst, ein gewissermaßen antimaritimes Imperium in diesem Band zu finden. Der Landkomplex war durch Post- und Versorgungsstationen ausgezeichnet erschlossen (Karte). Eine Beschäftigung mit dem Meer hätte von der Herrschaft über das Land abgehalten, sodass kein Interesse an einer Kontrolle der Ozeane bestand. Der Verfasser geht aber nicht auf die Frage ein, weshalb die mongolische Yuan-Dynastie in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Seemacht ausbaute und Japan angriff (siehe Beitrag 6, S. 808ff); (2) »Islamische Flotten im Indischen Ozean, 7.–15. Jahrhundert« (Éric Vallet). Die Kontrolle des Roten Meeres und des Persischen Golfes gehörte zu den frühesten Maßnahmen der Kalifen. Dies zeigt – was der Verfasser aber nicht anmerkt –, dass die Araber schon Flottenerfahrung besaßen, als sie im 5. Jahrzehnt des 7. Jahrhunderts die Byzantiner im Mittelmeer angriffen. Das Erscheinen der Seldjuken im 11. Jahrhundert führte besonders im Persischen Golf dazu, dass die verschiedenen Sultanate die Initiative zur Sicherung der See ergriffen; (3) »Schiffbau im Indischen Ozean bis zum 15. Jahrhundert« (Sachin Pendse). Es handelt sich hier um eine technische Untersuchung auf der Basis von archäologischen Funden und bildlichen Darstellungen (hier oft in unzulänglicher Reproduktion). Ein Vergleich mit Schiffen im Mittelmeer wäre lohnend gewesen; (4) »Mittelalterliche Häfen in Indien« (Annette Schmiedchen). Die Autorin legt gestützt auf literarische und archäologischen Quellen eine Studie zu Häfen vor, die jedoch ohne Beigabe einer Karte sehr abstrakt bleibt; (5) »Seekontakte zwischen Indischem Ozean und Chinesischem Meer« (Angela Schottenhammer). Die eindrucksvolle Darstellung hebt die dominante Rolle des Buddhismus in vorislamischer Zeit hervor, in deren Handelsnetz die Araber eindringen konnten. Im 13. Jahrhundert sind auch Mongolen miteinbezogen (S. 803), wodurch die im ersten Beitrag betonte Meerfeindlichkeit erneut relativiert wird. Das Mittelmeer erscheint demgegenüber als eine Miniwelt, wenn (im 13. Jahrhundert) von Seeunternehmen mit 4500 Schiffen und 150 000 beteiligten Personen die Rede ist; (6) »Die Seemacht der Yuan-Dynastie« (Gakusho Nakajima). Der Beitrag widmet sich der Schaffung einer Seeflotte seitens der mongolischen Herrscher in Auseinandersetzung mit der Song-Dynastie in Südchina und behandelt die Invasion in Japan. Es fehlt eine Abstimmung mit dem Beitrag über das Mongolische Reich (im Band oben, S. 741ff.); (7) »Chinesische Flotten im Indischen Ozean, 13.–15. Jahrhundert« (Qu Jinliang). Die reiche schriftliche Überlieferung originaler Logbücher erlaubt dem Autor, ein facettenreiches Bild der kaiserlichen Exkursionen, an deren einer auch Marco Polo teilgenommen hatte, zu erstellen. Hervorzuheben sind die Qualität und die Größe chinesischer Schiffe (bis 120 m) und Porzellan als Haupthandelsprodukt; (8) »Chinesische Oberhoheit im Indischen Ozean im 15. Jahrhundert« (Louise Levathes). Zu diesem Zeitpunkt war, dem Autor zufolge, China eine See- und eine Landmacht zugleich, ehe (um 1435) das Vordringen des Konfuzianismus der staatlich geförderten Seefahrt ins Ausland Einhalt gebot. Man kann in dieser Zeit von einer vollständigen chinesischen Beherrschung des Indischen Ozeans sprechen; (9) »Korea und das Meer, 10.–15. Jahrhundert« (Yannick Bruneton). Der Autor legt eine fundierte Darstellung, begleitet von ausgezeichneten Karten vor, die der (späten) koreanischen Entwicklung eines Seelebens unter der Wang-Dynastie (918–1392) gewidmet ist. Das Gelbe Meer bildet mit neuen Hafenstädten einen wirtschaftlichen Schwerpunkt und stellt, wie viele Funde belegen können, auch Rückzugsmöglichkeiten dar (z. B. während des Mongolensturms im 13. Jahrhundert). Der Verfasser weist auch auf die Bedeutung des Gelben Meeres als kulturelle Achse hin – eine der wenigen Stellen im gesamten Band, an der die kulturelle Dimension des Meeres erwähnt ist. Ein chronologischer Anhang (den man sich öfter auch in anderen Beiträgen gewünscht hätte) zeigt die Verflechtung des Meeres mit der politischen und kulturellen Geschichte Koreas; (10) »Japan und das Meer, 11.–16. Jahrhundert« (Guillaume Carré). Der Kaiser zeigt wenig Interesse am Meer (8.–12. Jahrhundert) und lässt es in der Hand der Feudalmächte. Ein durchgehendes Charakteristikum ist die enge Verbindung von Meeresgeschichte und allgemeiner politischer Geschichte sowie die ständige Bedeutung der Chinesen als Handelsmacht. Insgesamt handelt es sich um eine sehr dichte Darstellung, der leider keine Karten beigegeben sind; (11) »Die südasiatische Inselwelt (Insel-Indien)« (Pierre-Yves Manguin). Nach einem Hinweis auf Kontakte zum indischen See- und Landraum geht der Beitrag im Besonderen auf den Schiffbau ein. Auch hier hätten Parallelen zur Mittelmeerwelt (Schiffe des Theodosios-Hafens) eine wünschenswerte Ergänzung dargestellt (vgl. das Schiffsfoto auf S. 901), da vergleichbare geografische Ausgangspositionen vorliegen; (12) »Traditionen des Schiffsbaus auf den Philippinen, 10.–16. Jahrhundert« (Maria Bernadette L. Abrera). Es handelt sich um einen technisch abstrakten Beitrag, dessen Verständnis leider nicht durch Zeichnungen unterstützt wird; (13) »Seekontakte zwischen Indonesien und dem Indischen Ozean« (Paul Wormser). Der Beitrag hätte vor dem Beitrag 11 platziert werden müssen, weil er eigentlich die Verbindung mit dem indischen Kontinent schafft. Der Verfasser betont (was in anderen Kapiteln ebenfalls möglich und nötig gewesen wäre) die Kulturverbindungen, die dem Handel folgen oder gleichzeitig verlaufen und das Meer auch zu einem Zivilisationsträger machen, hier die Verbreitung des Sanskrit und des Islam, der den Hinduismus ablöste.

Der Band behandelt erstmals das Meer als einen selbstständigen und geschlossenen Bereich, der nicht im Gegensatz zum Land gesehen wird, sondern eine eigene, vom Land her nur bedingt abhängige Entwicklung genommen hat. Die einzelnen Beiträge sind eher isoliert voneinander gestaltet, und eine größere Kohärenz wäre sicher von Vorteil gewesen, ein Unterfangen, das angesichts der vielen Autorinnen und Autoren freilich nur im Einzelfall möglich ist. Die Abfolge einzelner Beiträge wäre aber unschwer veränderbar gewesen. Topografie und Geografie wurden als eigenständige Bereiche sehr in den Hintergrund gedrängt. Dies zeigt sich auch im Fehlen von Karten zu vielen Artikeln. Das Meer als wichtiger Vermittler von Kultur und Zivilisation bleibt gegenüber dem Handel fast völlig unbeachtet. Wenn man den Band als ganzen durchgearbeitet hat und als Einheit betrachtet, so kann man resümieren, dass das Meer nun auch für den wissenschaftlich interessierten Landbewohner besser zugänglich und überschaubarer geworden ist.

III. Die byzantinischen Häfen Konstantinopels4

In seinem bemerkenswerten Kapitel über die maritime Konnektivität (im oben besprochenen Buch über die »Meere als Kommunikationsräume«) hat Sebastian Kolditz die Häfen als eigentliche Knotenpunkte im Netz der Schifffahrt und gleichzeitig Anknüpfungszentren an die Landrouten bezeichnet, jene Stelle, wo beide Elemente im kommunikativen Sinn aufeinandertreffen. Das bereits vorgestellte Werk »La Mer dans l'Histoire« zeigte die unterschiedliche Bedeutung der Häfen im weltweiten Vergleich und ihre Vernetzung mit dem Land (etwa am Einzelfall von La Rochelle, den Häfen in Indien oder den Häfen der Maya in Mittelamerika), wie denn jedem Hafen bestimmte zentrale Funktionen zukommen, die schon vor längerer Zeit John Gillissen in einer glänzenden Studie systematisiert hat (»Une typologie des escales. Histoire des grandes escales vue sous l'angle institutionnel«, in: Les grandes escales, Bd. 3, Brüssel 1974, S. 681–731).

Wer zwischen dem 7. und dem 12. Jahrhundert vom Meer her nach Konstantinopel kam, dem bot sich die Stadt zunächst als ein einziger Hafen, ein Phänomen, das auf keine andere Seestadt der damaligen Welt in diesem Umfang zutrifft. Im vorliegenden Band werden die Häfen Konstantinopels erstmals in der wissenschaftlich notwendigen ausführlichen Weise beschrieben. Einen Gesamtüberblick gab bisher nur Raymond Janin auf 15 Seiten (»Constantinople byzantine«, Paris 1964) und Wolfgang Müller-Wiener, »Die Häfen von Byzantion, Konstantinopolis, Istanbul«, postum im Jahr 1994 (Tübingen) erschienen. Diese Arbeit gilt allerdings in erster Linie der Entwicklung der osmanischen Häfen, und sie geht, mit wenigen über Janin hinausreichenden Ergebnissen, in nur 36 Seiten auf die vorausliegenden Jahrhunderte ein. Eine gründliche Neudarstellung war also ein dringendes Desiderat, und sie liegt mit diesem Band zweifelsohne vor. Die folgende kritische Präsentation fügt auch diesen Band in den Rahmen der allgemeinen Seegeschichte ein und wird lokale historische und topografische Einzelheiten – welche die spezielle Konstantinopelforschung betreffen –, allenfalls nur am Rande anmerken.

Ewald Kislinger, »Von schlechteren und besseren Lagen. Häfen zu Konstantinopel im Wandel ihrer Bedeutung« (S. 9–17). Während im antiken Byzantion die Häfen ganz auf das Goldene Horn konzentriert waren, wird schon seit der Neugründung der Stadt im 4. Jahrhundert auch die Propontis (Marmarameer) zum Hafenplatz. Kislinger sieht diese Bevorzugung der Südseite auf Grund der Bedeutung der zur Propontis nahe gelegenen neuen Prunkstraße der Stadt, der Mese. Eher waren aber vielleicht doch die günstigeren Wind- und Strömungsverhältnisse maßgeblich, die die Schiffe fast von selbst in die Südhäfen gleiten ließen. Auf jeden Fall spiegelt dieser Wechsel zum großflächigeren südlichen Außenraum der Stadt den demografischen und sozialen Wandel wider, der seit dem 4. Jahrhundert und verstärkt seit dem 6. Jahrhundert einsetzte.

Arne Effenberger, »Konstantinopel/Istanbul – die frühen bildlichen Zeugnisse« (S. 19–31). Hafenansichten besitzen wir erst aus den westlichen Konstantinopel-Veduten (und späteren osmanischen Darstellungen). Bei ersteren ist vor allem die Datierung der Bildvorlagen schwer zu bestimmen, ganz abgesehen von späteren Veränderungen bei den zahlreichen Kopien (gilt besonders für Cristoforo Buondelmonte). Allein die – im Vollfaksimile zugängliche – Düsseldorfer Vedute des Buondelmonte kann der Zeit Mehmeds des Eroberers zugewiesen werden. Auf jeden Fall zeigen diese Veduten die Bedeutung der Häfen im Goldenen Horn in frühosmanischer Zeit und erlauben Rückschlüsse auf die Paläologenzeit.

Andreas Külzer, »Der Theodosios-Hafen in Yenikapi«, Istanbul: ein Hafengelände im Wandel der Zeiten (S. 35–50) untersucht jenen Hafen, der seit seiner archäologischen Freilegung wegen des Baus einer U-Bahn weltweit Schlagzeilen gemacht hat. Er ist in den Jahren der Ausgrabung und wissenschaftlichen Erschließung (2004–2015) gewissermaßen zu einem Pompeji der Hafenforschung geworden. Aussagen, die zu anderen Häfen (von seltenen Funden im Meeresuntergrund abgesehen) allein durch schriftliche Quellen über die transportierten Waren möglich sind, hat hier der Sandboden in jeder Fülle freigegeben. Der Parameter der Schichten erlaubt zudem eine relativ genaue chronologische Einordnung der Funde, die sich auch auf außerhalb des Meeres gelegene Landflächen erstrecken, auf denen Handel und Weitertransport stattfand. Da wir wissen, dass zwischen dem 9. und dem frühen 12. Jahrhundert dieser Hafen der Hauptumschlagplatz für die Versorgung der Stadt war, erhalten wir gleichzeitig einen Einblick in die Produkte, die alle Schichten der Stadt brauchten. Von besonderer Bedeutung für die Seeforschung sind die 37 Schiffswracks vom 5. bis 12. Jahrhundert, die besonders für die Durchführung der Hochseeschifffahrt Aussagekraft besitzen. Die Literatur zu diesen Funden, überwiegend in der Türkei erschienen, ist inzwischen sehr umfangreich geworden. Es gelingt dem Autor, alle wesentlichen Ergebnisse (in den Anmerkungen bestens belegt) anschaulich vorzutragen, sodass hier erstmals ein rasch lesbarer und gleichzeitig voll informativer Beitrag zu den Resultaten von Grabungen vorliegt, die unsere Sicht der wirtschaftlichen Bedeutung Konstantinopels in seiner Blütezeit verändern werden.

Dominik Heher, »Julianoshafen – Sophienhafen – Kontoskalion« (S. 51–66) geht dem frühesten Hafen an der Südküste nach, der unter drei verschiedenen Namen in den Quellen begegnet und dessen Topografie daher zu Verwirrungen in der Forschung geführt hat. Der Verfasser behandelt detailliert diese Fragen, indem er die historische Entwicklung dieser Häfen schildert und mit topografisch feststellbaren Merkmalen in Karten und dem heutigen Stadtbild verbindet.

Derselbe Autor untersucht im folgenden Beitrag über den Palasthafen des Bukoleon (S. 67–90) eine Institution, die in der Geschichte der Mittelmeerwelt und darüber hinaus einzigartig ist: ein allein Zeremonienzwecken dienender Privathafen des Kaisers mit unmittelbarem Zugang zu Teilen des Kaiserpalastes. Die Quellenlage erlaubt es, auch die festländische Umgebung in die Darstellung miteinzubeziehen und auf eine zeremonielle Platzgestaltung hinzuweisen, die sich ganz auf das Meer bezieht, wie sie etwa im Kaiserpalast des Diokletian in Split (vom Autor nicht als Beispiel herangezogen), der noch näher zum Meer lag, offensichtlich fehlte.

Mit dem folgenden Beitrag von Ewald Kislinger, »Neorion und Prosphorion – die alten Häfen am Goldenen Horn« (S. 91–97) befinden wir uns bereits im Goldenen Horn, jenem Bereich, der schon in der Antike die Häfen beherbergte. Es handelt sich um natürliche Ausbuchtungen, an denen sich spätestens seit Beginn des 8. Jahrhunderts auch Werften für die Kriegsschiffe befanden. Zu wirklicher Bedeutung im Wirtschaftsleben der Stadt kamen sie allerdings erst seit dem späten 11. Jahrhundert, als den Venezianern, Pisanern und Genuesen hier Handelsniederlassungen mit Landungsstegen zugestanden wurden. Ewald Kislinger ist in einem Anhang auf diese Anlagen eingegangen, die uns bis in Einzelheiten in schon lange veröffentlichten lateinischen Dokumenten beschrieben sind, die ohne interpretative Auswertung aber kaum verwendbar sind, eine Arbeit, die der Rezensent dieses Beitrags begonnen, aber noch nicht zum Abschluss gebracht hat.

Auch jenseits der beiden genannten Häfen gab es bis zum Ende der Seemauer in der Region des Blachernenpalastes noch verschiedene Häfen, die man vielleicht besser als Anlegestellen bezeichnet. Ihnen hat sich Johannes Preiser-Kapeller, »Heptaskalion und weitere Anlegestellen am Goldenen Horn« (S. 99–108) gewidmet und ist mit viel Umsicht an die topografischen und onomastischen Probleme herangegangen, deren Diskussion den Rahmen einer Rezension an dieser Stelle überschreiten würde. Wir möchten nur den Hafen am Blachernenpalast (seit 1261 einziger Wohnpalast der Kaiser und fast ausschließlicher Zeremonienort) besonders hervorheben, weil er allein die Funktion eines Hafens für Kaiser, Hof und Ehrengäste und damit die Rolle des Bukoleonhafens übernommen hatte.

Häfen konnten aber auch ihre Bedeutung nur für ein bestimmtes Quartier haben, wie Neslihan Asutay-Effenberger, »Zum Stadtteil Kynegion und seinem Hafen in spätbyzantinischer und osmanischer Zeit« (S. 109–118) zeigt. Während dem Neorionhafen (vor allem wegen der Nähe des venezianischen Quartiers) in spätbyzantinischer Zeit eine allgemeine Handelsbedeutung zukam, versorgte der westlich davon gelegene Kynegionhafen das dort gelegene gleichnamige Quartier, aber wohl zusätzlich auch den Blachernenpalast; denn er war für Schiffe mit größerem Tiefgang geeignet als der Blachernenhafen. Als bemerkenswert ist hervorzuheben, dass über seine Topografie vor allem Quellen aus osmanischer Zeit berichten.

Entgegen der Anordnung im Buch selbst ist hier noch auf einen weiteren Hafen im Goldenen Horn, außerhalb der Stadtmauern, am sogenannten Kosmidion, einzugehen. Grigori Simeonov, »Die Anlegestellen beim Kosmidion« (S. 147–159) hat die Nachrichten über diese Örtlichkeit zusammengestellt und interpretiert. Diese Informationen zeigen, dass dem Hafen (besser: scala, Anlegestelle) eine große Bedeutung zukam, wenn ausländische Herrscher oder bedeutende Persönlichkeiten mit dem Kaiser zusammentrafen, die Stadt aber innerhalb der Mauern, aus Gründen der Sicherheit nicht betreten werden sollte. Wir haben hier also einen weiteren Hafen in Konstantinopel, der nicht ausschließlich, aber doch in einer Mehrzahl von Fällen, der politischen Begegnung unter Beachtung von protokollarischen Formen diente. Leider fehlt eine kartografische Lageskizze.

Zwei weitere Häfen, die außerhalb der Stadtmauern lagen (und daher in diesem Buch, wie auch der eben genannte Kosmidionhafen im Abschnitt »Häfen und Anlegestellen im Vorfeld Konstantinopels« behandelt werden), dienten Zwecken der militärischen Präsentation und des militärischen Protokolls, ohne »Kriegshäfen« zu sein. In dem Beitrag von Grigori Simeonov, »Der Hafen und die Anlegestellen des Hebdomon« (S. 121–138) gibt uns der Verfasser nicht nur eine neue Darstellung des Hebdomon, des konstantinopolitanischen »Marsfeldes«, sondern auch des Hafens und kann, neben den überwiegend schriftlichen Zeugnissen, auch auf eine bisher kaum beachtete bildliche Darstellung verweisen, die sich einst auf der Arkadiossäule befand und als späte Abzeichnung des heute nicht mehr existierenden Monumentes erhalten ist. Von hier aus nahmen (meist) auch die Triumphzüge der Kaiser (vor dem Eintritt in das Goldene Tor) ihren Ausgang. Das Gelände des Hafens bot aber auch (sogar feindlichen Schiffen wie den Arabern 717) eine letzte Ankermöglichkeit, ehe man an die Stadtmauern selbst herankam.

Eine weitere, in der Literatur überwiegend vergessene, wiewohl heute noch sichtbare Anlegestelle befand sich am Treffpunkt von Seemauer und theodosianischer Landmauer. Grigori Simeonov, »Die Brachialion-Anlegestelle« (S. 139–146), der Hafen des Goldenen Tores, trug dazu alle erreichbaren Quellenstellen zusammen und schuf somit ein weiteres Bild eines Zeremonialortes, der zur See wegen seiner unmittelbaren »bequemen« Nähe zum Goldenen Tor entstanden war und besonders Manifestationen kleineren Ausmaßes diente.

Der Großraum Konstantinopel, besonders das Marmarameer, wies noch eine Fülle von weiteren Häfen auf, die in einem Bezug zur Hauptstadt standen. Es wäre ein lohnendes Unterfangen, ihnen, auch unter dem Gesichtspunkt der Typologie und einer systematischen Analyse, eine monografische Darstellung zu widmen. Dies konnte nicht Aufgabe des vorliegenden Bandes sein.

Immerhin gewährt das abschließende Kapitel von Klaus Belke, »Tore nach Kleinasien: die Konstantinopel gegenüber liegenden Häfen Chalkedon, Chrysopolis, Hiereia und Eutropiu Limen« (S. 161–171) einen Ausblick nach Asien, die bis in das 13. Jahrhundert politisch wichtigste Region des Byzantinischen Reiches. Die weitaus größte Bedeutung kommt Chalkedon zu, wo sich der Ausgangspunkt für das kleinasiatische Straßensystem befand: Es war, um eine Systematik zu applizieren, der Hafen für die Truppenzüge nach Kleinasien, für die Beamten und den cursus publicus, aber auch für den Kaiser, wenn er Heerzüge anführte. Der heute verschwundene Hafen von Chrysupolis, der während des Baues der U-Bahn durch Funde wieder aufgedeckt wurde, war, kurz gesagt, ein Ersatzhafen für Chalkedon, während Hiereia (wo sich ein Kaiserpalast befand) ausschließlich (wie der Bukoleon – und der Blachernenhafen) dem kaiserlichen Protokoll diente und auch im Zeremonienbuch des 10. Jahrhunderts aufgenommen ist.

Alle Darstellungen dieses Bandes sind von einer beachtlichen Dichte und Geschlossenheit. Jeder Autor hatte (so scheint es dem Rezensenten, vielleicht nicht immer dem jeweiligen Verfasser) genügend Raum, die Fülle der Informationen auszubreiten, die dank der jahrzehntelangen Sammeltätigkeit für die »Tabula Imperii Byzantini« an der Österreichischen Akademie vorlagen, wobei aber nie der Eindruck einer lexikonartigen Aufreihung entsteht.

Besonders hervorzuheben sind die vielen wörtlichen Quellenzitate und – sehr wichtig – ihr griechisches Original in den Anmerkungen. Man vermisst nur ein kleines Kapitel zur Geologie sowie zu den Wind- und Meeresströmungen (wie es sich – zu knapp – in der Einführung zum Hafenband von Wolfgang Müller-Wiener findet). Auch ein Register, das für Müller-Wieners Band existiert, würde Studium und Weiterarbeit erleichtern. Ganz aus der Betrachtung ausgeschlossen bleibt Pera/Galata, dem jetzt ein Kölner Forschungsunternehmen gewidmet ist. Abgesehen von diesen kleinen Wünschen liegt ein großartiges Gesamtwerk vor, das nicht nur die Erforschung Konstantinopels wesentlich bereichert, sondern auch einen Meilenstein in der Geschichte der Häfen im Mittelalter darstellt.

IV. Notai Genovesi in Oltremare5

Als letztes führt uns eine eben erschienene Dokumentensammlung ganz zu den schriftlichen Quellen der Seegeschichte zurück und beleuchtet gleichzeitig einen historischen und geografischen Raum, der in den beiden ersten Bänden unter Einbeziehung ebensolcher Dokumente von Michel Balard beschrieben wurde: das Schwarze Meer als Beispiel der speziellen Bedingungen eines Binnenmeeres. Der verdiente Verfasser eines Werkes über den bedeutendsten Ort des Schwarzen Meeres, Trapezunt, Sergej P. Karpov, hat als 10. Band einer diesem Meer gewidmeten Reihe zusammen mit bekannten genuesischen Spezialisten (Maria Grazia Alvaro, Alfonso Assini, Laura Balletto und Enrico Basso) eine Sammlung fast ausschließlich unedierter Notariatsakten im Zeitraum von 1314 bis 1476 herausgegeben. Sie ergänzen andere Sammlungen (vgl. die Zusammenstellung bei Laura Balletto, »Il Mar Nero nei notai genovesi«, in: Nuova Rivista Storica 87/3 [2003], S. 669–692) und widmen sich besonders der für Genua besonders wichtigen Krim. Die Akten stammen von sechs Notaren und sind in chronologischer Ordnung in sechs Gruppen aufgeteilt (1314–1315; 1394–1395; 1402–1403; 1410–1412; 1466–1469 und 1473–1476) sowie in zwei Gruppen mit verstreutem Aktenbestand aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Jeder Gruppe ist eine ausführliche Einleitung (in russischer und italienischer Sprache) vorausgeschickt, der Inhalt der einzelnen Urkunden wird in einem zweisprachigen Regest (russisch und italienisch) zusammengefasst.

Insgesamt werden 270 Urkunden im Volltext zugänglich gemacht. Es gibt gute Gründe, diesen Band in Zusammenhang mit den übrigen der internationalen mittelalterlichen Seegeschichte gewidmeten vorzustellen: Rechtsordnung von Handel und Handelsschifffahrt, Finanzierung des Handels, Personen und Behörden, die mit der Organisation des Handels befasst sind, das Verhältnis zwischen Staat (Stadt-Staat) und Handel. Die edierten Texte gehören in erster Linie in den Bereich der mittelalterlichen Kolonialgeschichte, die in den bisher besprochenen Bänden nie explizit hervorgehoben wird. Ausgangspunkt ist die Mutterstadt Genua, die Caffa als Tochterstadt verwaltete und von dort aus ein Handelsnetz zur See (mit relativ schmalen Landkontakten) aufgebaut hatte. Die Texte sind Beispiele für den internen diplomatischen, militärischen und merkantilen Verkehr und zeigen eine geschlossene Handels- und Finanzwelt, in der Außenstehende (d. h. Nichtgenuesen) kaum eine Rolle spielen. Es sind (nach Ausweis der Indices) gerade zehn Armenier, neun Griechen und fünf »Sarazenen« (Muslims) genannt. Diese Akten geben in mancher Hinsicht auch ein einseitiges Bild, weil sie sich fast ausschließlich mit Finanztransaktionen beschäftigen, aber nur wenig Aussagen über den Warenverkehr machen. Der Kaufmann besorgt sich eine Geldsumme, die juristisch niedergelegt ist, während Kauf und Verkauf privaten, nicht erhaltenen Dokumenten vorbehalten ist. Eher selten gibt es Einblicke auch in diesen Bereich, etwa wenn 1460 in Caffa ein Schiff konfisziert wird und dessen gesamter Inhalt (Stoffe, Metalle in Gegenständen, auch Waffen) und der damit verbundene Warenwert festgehalten ist (S. 522f.).

Wie sich großer persönlicher Reichtum mit Seegeschäften ansammeln ließ, zeigt eine notarielle Versteigerungsliste aus Caffa vom Jahr 1371 (S. 232–246). Hier edierte Quellentexte berühren aber auch unmittelbar die Seegeschichte: Sie sind von Notaren verfasst, die häufig auf dem Schiff mitreisten und an den Haltepunkten die Dokumente niederschrieben, oft aber über Jahre in den Kolonien wirkten, und sie sind auch sichere Zeugen für Wegstrecken und Dauer von Fahrten und Aufenthalten. Die vorgelegten Quellen (und viele andere in gleicher Weise) legen auch Zeugnis davon ab, wie wenig der Verkehr zur See von großen politischen Ereignissen der Zeit wirklich berührt war oder sie zeitlich und räumlich zu umgehen wusste.

Auch wenn die hier gesammelten Quellen nicht vollständig sind (und diese Absicht auch nie intendiert war), geben sie einen Eindruck vom vielfältigen Leben aller, die mit dem Meer in einem Zeitraum von mehr als 150 Jahren zu tun hatten, und betonen die Bedeutung der Grundlagenforschung in der Seegeschichte. Jedem der acht Abschnitte geht eine ausführliche archivistische und historische Einführung voraus, welche die in den Quellen dargelegten Vorgänge zusammenfasst und erläutert. Rund 2500 Namen von Personen und Orten weist der Index auf (übersetzt auch für den russischsprachigen Benutzer) und stellt eine Fundgrube für die »genti del mare« dar. Eine jahrelange russisch-genuesische Zusammenarbeit hat zu einem Ergebnis geführt, das die europäische Seegeschichte des Mittelalters wesentlich bereichert. Schade, dass diesem Band, der von vielen in Westeuropa unbekannten Gegenden handelt, keine einzige Karte beigegeben ist.

Vier neue Titel im Gesamtvergleich

Unsere lange Rezension versuchte, vier Titel mit ganz unterschiedlichen Zielen zu einem gemeinsamen Beitrag im Rahmen der Geschichte der Meere im Mittelalter zusammenzufassen. Es ging um den Versuch einer Strukturierung der Meeresgeschichte (»Maritimes Mittelalter. Meere als Kommunikationsräume«), einen Gesamtüberblick über die Seefahrtsgeschichte auf allen Weltmeeren (»La Mer dans l'Histoire«), die Bedeutung und Funktion der Häfen am Beispiel Konstantinopels (»Die byzantinischen Häfen Konstantinopels«) und eine Quellensammlung zur Seegeschichte in einem geografisch begrenzen Bereich (»Notai Genovesi in Oltremare«).

Erst in jener Periode, zwischen 500 und 1500, in die sich diese vier Bände einfügen, werden die Kontinente zunächst einzeln und ganz am Ende auch untereinander langsam erschlossen. Diese Erschließung geschah, noch ehe die Geografen und großen Weltreisenden kamen, durch Händler, nicht zu Lande, sondern zur See, in zeitlich und räumlich ganz unterschiedlichen Formen, die in den angezeigten Bänden paradigmatisch aufgezeigt werden.

1 Michael Borgolte, Nikolas Jaspert (Hg.), Maritimes Mittelalter. Meere als Kommunikationsräume, Ostfildern 2016 (Vorträge und Forschungen, 83).
2 Michel Balard, Christian Buchet (Hg.), The Sea in History. The Medieval World/La Mer dans l’Histoire. Le Moyen Âge, Woodbridge 2017 (Sea in History, 2).
3 Vgl. Laury Sarti, Totius terrae circulum oceani limbo circumseptum. Das Meer aus der Perspektive gotischer und langobardischer Historiographen, in: Gerlinde Huber-Rebenich, Christian Rohr, Michael Stolz (Hg.), Wasser in der mittelalterlichen Kultur/Water in Medieval Culture, Gebrauch – Wahrnehmung – Symbolik/Uses, Perceptions, and Symbolism, München, New York 2017 (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. Beiheft, 4), S. 78–89.
4 Falko Daim (Hg.), Die byzantinischen Häfen Konstantinopels. Byzanz zwischen Orient und Okzident, Mainz 2017.
5 Sergej Pavlovič Karpov (ed.), Notai genovesi in oltremare. Atti redatti a Caffa ed in altre località del Mar Nero nei secoli XIV e XV. Akty genuezskich notariev sostavlennye k Kaffe i drugich gorodach Pričernomor’ ja v XIV–XV vv, Sankt Petersburg (Aletejja) 2018, 758 S. (Pričernomor’e v srednie veka, 10).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Peter Schreiner, Rezension von/compte rendu de: Michael Borgolte, Nikolas Jaspert (Hg.), Maritimes Mittelalter. Meere als Kommunikationsräume, Ostfildern (Jan Thorbecke Verlag) 2016, 333 S. (Vorträge und Forschungen, 83), ISBN 978-3-7995-6883-8, EUR 49,00; Michel Balard, Christian Buchet (ed.), The Sea in History. The Medieval World/La Mer dans l’Histoire. Le Moyen Âge, Woodbridge (The Boydell Press) 2017, XXX–1056 p., num. fig. + tabl. (Sea in History, 2), ISBN 978-1-78327-159-7, GBP 125,00; Falko Daim (Hg.), Die byzantinischen Häfen Konstantinopels, Mainz (Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums) 2017, 203 S., (Byzanz zwischen Orient und Okzident, 4. Interdisziplinäre Forschungen zu den Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter in Europa, 3) ISBN 978-3-88467-275-4, EUR 42,00; Sergej Pavlovič Karpov (ed.), Notai genovesi in oltremare. Atti redatti a Caffa ed in altre località del Mar Nero nei secoli XIV e XV. Akty genuezskich notariev sostavlennye k Kaffe i drugich gorodach Pričernomor’ ja v XIV–XV vv, Sankt Petersburg (Aletejja) 2018, 758 S. (Pričernomor’e v srednie veka, 10), ISBN 978-5-907030-13-8, 1243,00 RUB., in: Francia-Recensio 2019/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.1.59801